Politik | Sanität

Multitalent mit Biss

Thomas Schäl soll neuer Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes werden. Was man nicht sagt: Südtirol ist für den renommierten Sanitätsmanager nur zweite Wahl.

Am Mittwoch Abend blieb nur mehr ein Name übrig.
An diesem Tag übermittelte die fünfköpfige Fachkommission zur Besetzung der Stelle des Generaldirektors des Südtiroler Sanitätsbetriebes der zuständigen Landesrätin Martha Stocker ihren Vorschlag.
Der ehemalige Caritas-Direktor Heiner Schweigkofler, Volksbank-Direktor Johannes Schneebacher, Beraterin Sabine Fischer, der Direktor des Gesundheitsressorts im Friaul, Adriano Marcolongo, und die ehemalige Vorsitzende der „Gesundheit Österreich GmbHMichaela Moritz haben sich einstimmig für Thomas Schäl ausgesprochen. Jetzt liegt der Ball bei der Landesregierung.
Sicher ist: Die Findungskommission hat mit dem 63-jährigen Deutschen einen anerkannten Fachmann ausgesucht, den man wohl kaum die Qualifikation für die Nachfolge von Andreas Fabi absprechen kann.

Gelernter Journalist

Der offizielle Lebenslauf von Thomas Schäl umfasst ganze 19 eng beschriebene Seiten. Schäl spricht vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch) und war von 1980 bis 1987 als Journalist in der Lüdenscheider Lokalredaktion der zur WAZ-Gruppe gehörenden „Westfälischen Rundschau“ tätig. Ab 1983 studierte er an der Technischen Hochschule Aachen Maschinenbau, promovierte 1988 zum Diplomingenieur und absolvierte anschließend noch an der TH Aachen ein Forschungsdoktorat in Informatik.
Nach einem kurzen beruflichen Zwischenspiel in London übersiedelt Thomas Schäl nach Italien, wo er jahrelang als Berater und Dozent für verschiedene Privatunternehmen arbeitet. Von 1995 bis 1999 ist er Vertragsprofessor und Dozent im Fach “Sistemi e Tecnologie della Comunicazione” an der Universität Siena. Danach wechselt Schäl für fünf Jahre nach Brüssel zur Europäischen Kommission, wo er als Konsulent im Informatiksektor arbeitet. Nebenbei betreut der deutsche Ingenieur Projekte für das Unterrichtsministerium und das Ministerratspräsidium (Dipartimento della Funzione Pubblica).

Thomas Schäl: Unzweifelhafte Qualifikation

Von 1999 bis 2005 ist Thomas Schäl Vorsitzender des Komitees für Evaluation, strategische Planung und Kontrolle an der „Seconda Università degli Studi di Napoli“. Von 2005 bis 2007 arbeitet Schäl dann im Sanitätsbetrieb „Magna Grecia“ in Crotone. Zuerst als Direktor der Sanitätseinheit Nr. 5 und dann als Generaldirektor des Sanitätsbetriebes der gesamten Provinz.

Kampf in Kalabrien

Die zwei Jahre in Kalabrien dürften Thomas Schäl nachhaltig geprägt haben. Die Berlusconi-Zeitung „Libero“ beschreibt das Wirken des deutschen Sanitätsdirektors in Süditalien einige Jahre später in wenigen Sätzen:

A Crotone ci mandarono perfino un tedesco, Thomas Schael, che rivoltò l’azienda come un calzino. Subì un forte isolamento politico, fu rimproverato per le sue "ispezioni a sorpresa", rimosso quando denunciò la presenza di un buco nell’azienda crotonese di 70 milioni di euro. Non fu un gran successo.

Tatsache ist, dass Thomas Schäl in Crotone organisatorische und logistische Zustände vorfand, die nicht tragbar waren. Weil er nicht nur den gesamten Betrieb umkrempelte, sondern die Misswirtschaft auch öffentlich anprangerte, wurde er schließlich auf Betreiben des Gouverneurs von Kalabrien Agazio Loiero (PD) entlassen.
Gleichzeitig begann eine Reihe von Anzeigen gegen den Sanitätsmanager einzutrudeln und 2010 muss Schäl sich deshalb vor dem Strafgericht in Cosenza verantworten. Der Vorwurf: Nichteinhaltung der Sicherheitsbestimmungen im Sanitätsbetrieb. Dazu kamen noch andere Ermittlungen. Weil schnell klar wird, dass man den deutschen Manager damit bewusst fertig machen will, landet der Fall als „politischer Prozess“ in der nationalen, italienischen Presse. „Il Sole 24 Ore“, die Rai aber auch in die bekannte Talksendung „Domenica in“ beschäftigen sich mit dem Fall.
Thomas Schäl kann vor Gericht lückenlos nachweisen, dass er nichts mit den angeblichen Nachlässigkeiten zu tun hat, sondern ganz im Gegenteil dieses beheben wollte und dabei behindert wurde. Er wird freigesprochen bzw. die Ermittlungen werden archiviert.

Der Sanierer

2008 wird Thomas Schäl Berater des Gesundheitsassessorates der Region Sardinien. Danach arbeitet der Manager als Dozent an der „SDA Bocconi“ in Mailand und an der Universität in Benevento. 2010 wird Schäl dann als Kommissar zur Verwaltung des Sanitätsbetriebes Napoli 2 Nord eingesetzt. Er setzt in einem halben Jahr einen Umstrukturierungsplan durch, mit dem 30 Millionen Euro eingespart werden können. Nach einem Zwischenspiel in der Privatwirtschaft wird Thomas Schäl im April 2011 zum Direktor und Sanierer des Krankenhauses „San Camillo“ in Forte dei Marmi (Lucca) ernannt.
2014 tritt Schäl dann wiederum in den Dienst des Gesundheitsministeriums. Die römische „Agenzia nazionale per i servizi sanitari“ (Agenas) schickt ihn als Berater und Kontrolleur nach Turin. Schäl soll die Region Piemont und das dortige Gesundheitsassessorat beraten und die Ausgaben kontrollieren.

Im Frühjahr 2015 nimmt Thomas Schäl gleichzeitig an zwei öffentlichen Wettbewerben teil. In Turin und in Bozen.

Favorit in Turin

2015 steht für Thomas Schäl dann wieder ein Wechsel an. Der Gesundheitsmanager nimmt gleichzeitig an zwei öffentlichen Wettbewerben teil. In Turin und in Bozen.
Im Piemont schreibt die Region die Leitung von 16 Sanitätsbetrieben aus. Es melden sich 269 Bewerber. Thomas Schäl kommt Anfang 2015 unter die 50 Bewerber, die in die Endauswahl kommen. Noch Anfang März 2015 wird „der Deutsche“ als Favorit für die Direktion des Sanitätsbetriebes „Torino 2“ gehandelt.

Doch dann bricht in den Medien eine öffentliche Diskussion aus. Der Tenor: Es gehe doch nicht an, dass einer, der bis gestern Kontrolleur des Ministeriums war, jetzt zum Kontrollierten werden soll.
Am 21. April 2015 schreibt der Radikale Giulio Manfredi, Funktionär im Gesundheitsassessorat der Region Piemont, in einer Pressmitteilung:

„Per la prima volta nella storia della sanità piemontese, i cittadini possono conoscere prima delle nomine i nomi dei papabili, possono esaminare le biografie e le storie dei 50 candidati rimasti e magari permettersi di avanzare riserve, critiche, obiezioni.
Io lo faccio subito rispetto alla candidatura di Thomas Schael, consulente di Agenas presso l'Assessorato regionale alla Sanità. Nulla da dire sulla sua professionalità, esperienza e capacità; tutto da eccepire rispetto ad una patente situazione di “controllore” che rischia di divenire da un giorno all'altro “controllato”.
Fatte le debite proporzioni, è come se un membro della Troika europea che sta monitorando la Grecia fosse nominato da un giorno all'altro da Tsipras ministro del Tesoro o della Sanità ellenica. Forse la Grecia ne avrebbe giovamento, ma l'inopportunità di una tale nomina è tale che non si pone neppure il problema.
Invece in Piemonte il problema esiste perché la candidatura Schael esiste e molti la danno per favorita. Mi auguro che l'Assessore Saitta e l'intera Giunta regionale valutino appieno l'inopportunità di una tale scelta.“

Der Notausgang?

Am 27. April 2015 beschließt die Piemonteser Regionalregierung die Ernennung der 16 Sanitätsdirektoren. Vier amtierende Direktoren werden bestätigt. Unter den 12 Neu-Nominierten findet sich Thomas Schäl nicht.
Damit dürfte für den deutschen Sanitätsmanager die zweite Wahl zum Tragen kommen: der Sanitätsbetrieb Südtirol. In Bozen wird Thomas Schäl zwei Wochen später als neuer Generaldirektor vorgeschlagen. Legt sich die zuständige Landesrätin Martha Stocker nicht quer, wird der Deutsche das Rennen machen.
Denn in Südtirol wird die Nähe zum Gesundheitsministerium, die dem Generaldirektor in Turin zum Verhängnis wurde, als Vorteil angesehen.
So unterschiedlich kann die Welt der Sanität sein.

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Markus Gufler Fr., 15.05.2015 - 07:53

Ich sehe es positiv wenn wir jemanden so erfahrenen kriegen können und verstehe nicht ganz die Krankhaftigkeit mit der man immer wieder auf das ach so schlechte "nur Südtirol" deuten muss.

Fr., 15.05.2015 - 07:53 Permalink