Politik | Diskussion

Zerrupftes Edelweiß

Die Südtiroler Volkspartei auf der Couch der heimischen Medienbranche: Ein Pro & Contra-Spezial liefert der SVP-Ortsobleutekonferenz am Samstag weiteren Zündstoff.

Am Samstag bekommt die Basis der Südtiroler Volkspartei auf der Ortsobleutekonferenz in Andrian das Wort. Bereits am Dienstag Abend lag die stärkste Partei im Land im RAI-Format Pro & Contra auf der Couch.  Dort wurde vor allem die Wahlschlappe bei den Meraner Stichwahlen, aber auch der Leiferer „Verrat“ am Koalitionspartner PD von den Chefredakteuren von RAI Südtirol und Dolomiten, Wolfgang Mayr und Toni Ebner, salto-Direktorin Jutta Kußtatscher sowie ff-Chefreporter Norbert Dall'Ò analysiert. Und zwar recht gnadenlos – was bereits bei einem ihrer mächtigsten Exponenten begann. Reden wir von Zeller, hatte Jutta Kußtatscher vorab auf salto.bz angeregt. „Seit den Vorwahlen wurde in Meran klar, dass wieder nur taktiert und über Strategien diskutiert wurde statt über die Herzenswünsche der WählerInnen“, begründete die salto-Direktorin ihre Analyse in der RAI-Diskussion. Volle Zustimmung erhielt sie dafür vom Dolomiten-Chefredakteur: „Der große Wahlstratege im Meraner Hintergrund hat total versagt“, erklärte Toni Ebner zum verlorenen Bürgermeistersessel für die SVP. „Wenn Gerhard Gruber mit seinem jungen engagierten Team ohne die Einsager im Hintergrund hätte arbeiten können, wäre die Wahl sicher besser ausgegangen.“ Den mächtigen SVP-Senator bezeichnete der Dolomiten-Chefredakteur als „Teil der Truppe, den die Italiener Faccendieri nennen“: Menschen die lange im Geschäft sind, in dem sie großgeworden sind, doch nun Entscheidung treffen würden, mit denen sie daneben liegen.  „Ich glaube, dass dieser Bereich der Politik zu Ende geht“, meinte Ebner.

"Welchen Sinn hat eine ethnische Sammelpartei im Jahr 2015?"

Doch so sehr der Karl Zeller zumindest von einem Teil der Diskussionsrunde als Symbolfigur eines alten Systems hochstilisiert wurde, das mit den neuen Bedürfnissen der WählerInnen aneinandergeriet - das Problem geht weit über ihn hinaus, betonte nicht zuletzt Norbert Dall'Ò. Wofür steht die Südtiroler Volkspartei nach der Ära Magnago mit seinem Lebenswerk Autonomie, nach der Ära Durnwalder mit ihrem Investitionsrausch samt Gießkannen-Prinzip und morgendlichen Sprechstunden, warf er in die Runde. Bislang würden die Werte fehlen, um eine neue Phase einzuleiten, bislang bleibt für den langjährigen ff-Redakteur  die Frage unbeantwortet, welchen Sinn eine ethnische Sammelpartei im Jahr 2015 hat. Vor allem, wenn – wie in Meran – von einer Sammelpartei nichts mehr übrig ist, sondern sich drei interne Flügel seit Jahren erbitterte Kämpfe liefern. „Die SVP hat ein inhaltliches Problem, sie hat ein Werteproblem und auch ein personelles Problem“, diagnostizierte Dall'Ò .

Die SVP steckt mitten drin in einem Paradigmenwechsel, einem Prozess, der sich eben in kleinen Schritten vollzieht, lautete dagegen die Interpretation von salto-Direktorin Jutta Kußtatscher. Auf der einen Seite der Parteiobmann und der Landeshauptmann, die versuchen würden, eine neue Stimmung hineinzubringen, auf der anderen immer noch Bastionen und Menschen, die nach dem alten System ticken.

Wie halten wir es nun mit dem kleinen Koalitionspartner?

Dass die Wähler und Wählerinnen unter diesen Voraussetzungen oft nicht mehr wissen, woran sie eigentlich sind, wurde in der JournalistInnen-Runde recht übereinstimmend geteilt. Der Dolomiten-Chefredakteur nutzte den Zusammenhang auch, um einmal mehr die Kritik seine Blattes an der Allianz mit dem Partito Democratico vorzubringen. Denn auch ihr strategischer Koalitionspartner mache eine Standortbestimmung der Sammelpartei schwierig. „Der Bürger ist klarerweise verunsichert, wenn einerseits die Jubelmeldungen aus Rom kommen, was dort mit dem PD erreicht wurde, und andererseits ein Dekret, in dem Renzi anordnet, zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg die Tricolore rauszuhängen.“

Als absurd bezeichnete RAI-Chefredakteur Mayr aber auch die unterschiedlichen Maßstäbe, die im Umgang mit dem kleinen Koalitionspartner angelegt werden.  „In Meran wollte man eine Koalition mit drei italienischen Listen, darunter dem PD. In Bozen unterstützt man den PD-Bürgermeister, der von seinen eigenen Leuten ständig gehaxelt wird. Und in Leifers entscheidet man sich für Rechts, weil es dort vorab einen Blankoscheck für mehr Posten gibt“,  sprach er von einer „Mauschelpolitik“. Oder ist es tatsächlich ein solch großes Problem, dass die abgewählte Bürgermeisterin ein Pestizidreferendum unterstützte, fragte Wolfgang Mayr. „Man kann jetzt wirklich nicht so tun, als wären alle deutschsprachigen Leiferer Bauern.“

So sehr sich die Pro & Contras in der Diskussionsrunde teilten, wenn es um die Frage ging, ob der große Meraner Wahlsieger Paul Rösch Wellness-Politik betreibt, eine clevere Strategie fährt oder gar ein Visionär ist: Bei der Partei, die immer noch 93 BürgermeisterInnen im Land stellt, überwog das Contra – oder anders gesagt, die Übereinstimmung, dass die tatsächliche Erneuerung noch ansteht.  Kurzum: Ein ziemlich zerrupftes Edelweiß nach nur 30 Minuten Diskussion. Wenn die SVP-Basis am Samstag ähnlich unsanft vorgeht, sind personelle Konsequenzen der Gemeinderatswahlen 2015 wohl doch nicht auszuschließen.

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Profil für Benutzer ferdinand tessadri
ferdinand tessadri Mi., 27.05.2015 - 10:08

"Facce nere" heissen im italienischen nur die Neger. Ebner sagte "Faccendiere"
und das bedeutet laut Garzanti : , chi s'affaccenda in attività poco lecite, per lo più per intrigare e corrompere;
Und das ist wohl ganz etwas anderes und schwerwiegendes.
Faccendieri waren laut Wikipedia Licio Gelli oder Michele Sindona und ähnliche Figuren. Ich hoffe dass Ebner den Beweis erbringen kann denn sonst wird es wohl teuer.

Mi., 27.05.2015 - 10:08 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 27.05.2015 - 13:53

Im Zusammenhang mit dem gestrigen Pro & Kontra-Spezial kann man auch erwähnen, dass salto.bz im Kreise der wichtigsten (wenigstens deutschen) Medien Südtirols angekommen ist. Jutta Kusstatscher war nicht nur gestern im Rahmen genannter Diskussionssendung auf RAI-Südtirol zu sehen und zu hören, sondern auch heute Morgen im Radio und ebenfalls heute als Referentin auf einer Fachtagung. Herzlichen Glückwunsch!

Mi., 27.05.2015 - 13:53 Permalink
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Jutta Kußtatscher Mi., 27.05.2015 - 18:39

Antwort auf von Sepp.Bacher

Vielen Dank Herr Bacher für Ihre Glückwünsche. Auch dafür, es genau im richtigen Licht dargestellt zu haben: Es ist salto.bz, eine Teamarbeit, die uns – und damit mein ich auch Sie als Mitglied der Community – in die öffentliche Diskussion einbringt. Der Spielraum nach oben ist offen – aber man muss auch die Zwischenschritte bemessen. Danke Ihnen.
Halten wir uns den Daumen, dass die Entwicklung so weiter geht. Ach was, krempeln wir weiterhin die Ärmel auf, da kommt mehr bei raus.
Herzlichst
Jutta Kußtatscher

Mi., 27.05.2015 - 18:39 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Fr., 29.05.2015 - 14:54

Antwort auf von Jutta Kußtatscher

Nicht alle scheinen sich über die Emanzipation von salto.bz (Jutta Kusstatscher) zu freuen. Tageszeitung-Online lässt die Laubensassa sagen: Rai Südtirol gibt bekannt: „Wir benennen uns in öffentlich-grünes Salto.TV um. Primaballerina wird Jutta Kusstatscher."
Da hat jemand nicht verschmerzt, dass er nicht mehr zur Runde der großen Vier gehört. Und fünftes Rad am Wagen will niemand sein.

Fr., 29.05.2015 - 14:54 Permalink