Chronik | Medien

Peinliche Panne

Die italienische RAI berichtet über die Verhaftung des Springreiters Karl Wechselberger und zeigt minutenlang den Falschen. Ausgerechnet Oberspatz Norbert Rier.

Eines muss vorausgeschickt werden. Wer arbeitet macht auch Fehler.
Besonders augenscheinlich sind grober Schnitzer im Journalismus. Erst einmal den Lesern, Sehern oder Hörern serviert, wird es schwer den Rückgang einzulegen und das Missgeschick zu korrigieren. Der Autor dieser Zeilen kann davon aus eigener Erfahrung ein Lied singen.
Im öffentlichen Rundfunk ist das Ganze aber noch peinlicher. Legendär ist die Geschichte der RAI-Journalistin Elisabeth Baumgartner, die in den Nachrichten des Sender Bozen den Tod des Anwaltes Sandro Canestrini vermeldete. Die Meldung musste abgesetzt werden, weil sich Canestrini wenig später bei Baumgartner telefonisch gemeldet hat. Beide nahmen es mit Humor.
Man kann davon ausgehen, dass es auch Norbert Rier mit Humor nehmen wird. Denn dem Frontmann der Kastelruther Spatzen und der Lokalredaktion der italienischen RAI ist vor wenigen Tagen eine ähnlich, peinliche Geschichte passiert.


Die Verhaftung

Am frühen Morgen des vergangenen Sonntags verhafteten die Carabinieri in Sterzing den 45jährigen Springreiter Karl Wechselberger. Ihm wird vorgeworfen, eine sexuelle Beziehung mit einer 13jährigen Reitschülerin gehabt zu haben.
Als erstes Medium bringt salto.bz am frühen Nachmittag die Exklusivmeldung von der Verhaftung. Drei Stunden später lässt sich die Nachrichtenagentur ANSA die Meldung von der Staatsanwaltschaft bestätigen. Jetzt springen alle Südtiroler Medien auf und berufen sich auf die ANSA-Meldung. Es ist das übliche Medienspiel, der kleinen Konkurrenz ein Enthüllung nicht zu gönnen.
RAI-Südtirol übernimmt die Meldung auch, aber im feinen englischen Stil, ohne Namen. Im Radio ist nur von einem Sterzinger Springreiter die Rede. In der Tagesschau hingegen wird nichts gemeldet.


Der falsche Reiter

Ganz anderes agiert die italienische Lokalredaktion in der RAI. Im TG Regionale um 19 Uhr wird ein längerer Beitrag über die Verhaftung von Karl Wechselberger gesendet. Die Meldung ist unterlegt mit Bildern, die den Beschuldigten im Interview, mit seinen Pferden und beim Reiten zeigen.
Doch das Problem ist, dass man minutenlang den Falschen zeigt. Der vermeintliche Verhaftete ist nicht Karl Wechselberger, sondern ein Südtiroler Star: Norbert Rier, Sänger der Kastelruther Spatzen.
Eigentlich sollte ein Südtiroler Journalist oder eine Journalistin Rier kennen. Doch dem ist anscheinend nicht immer so. Vor der Nachrichten-Sendung scheint niemandem in der RAI-Redaktion die peinliche Verwechslung aufgefallen zu sein.
Wenige Minuten nach der Ausstrahlung des Beitrags dürften dann auch am Mazziniplatz die Alarmglocken geläutet haben. Denn die Nachrichten-Sprecherin Elisabetta Terigi stellt noch in der laufenden TGR-Sendung lapidar richtig:

Ci scusiamo, ma precedentemente nella notizia su Karl Wechselberger sono andate in onda immagini, che non si riferivano al arrestato“.


Bebilderte Nachrichten

Ob diese Entschuldigung reicht, um den peinliche Fauxpas auszubügeln, ist eine Frage, die man sich in der italienischen RAI-Redaktion stellen muss. Vorteilhaft ist, dass Norbert Rier kein Mensch ist, der an Klagen denkt.
Dabei steht hinter dieser peinlichen Panne ein Grundsatzproblem, das auch erklärt, wie es zu so einer Verwechslung kommen kann.
Der italienische Fernsehjournalismus läuft auch heute noch allzu oft nach einem völlig antiquierten Muster ab. Man macht keine Fernsehberichte, sondern bebilderte Radionachrichten. Konkret: Ein Journalist schreibt eine Nachricht, die genauso in den Radionachrichten verlesen wird. Dieselbe Nachricht bringt man dann auch im TGR, von der Moderatorin verlesen und mit Archivbildern unterlegt. Der Chef vom Dienst gibt dafür einem Techniker einfach den Auftrag Bildmaterial zusammen zu stellen, das passt. Sehr oft sichtet kein Journalist diese Material.
So dürfte auch der peinliche Ausrutscher am vergangenen Sonntag zustande gekommen sein.
Vielleicht ein willkommener Anlass, diese Art der Nachrichtenproduktion ein- für allemal zu überdenken?