Politik | Benko usw.

Bozen, meine Stadt

... und jetzt muss noch einer über Benko sinnieren. Sorry!

Ich, diskutierfreudiger Bozner, habe mich bisher ziemlich zurückgehalten in Sachen Benko. Nicht, weil mir dazu nichts durch den Kopf geht, sondern weil ich wohl nicht die ganze Thematik erfasse, um eine sattelfeste Meinung bilden zu können. Wahrscheinlich bin ich selbstverschuldet unterinformiert. Und sicher habt ihr da alle wesentlich fundiertere Einblicke. Gewährt mir bitte trotzdem die Fragen eines Zweifelnden. Eines komplett Irritierten.

Ökosozial, wie es seit Neuestem genannt wird, dass im überarbeiteten Projekt der Bahnhofspark Großteils erhalten bleibt, dass die Garibaldi-Straße untertunnelt werden könnte, eine Seilbahn auf den Virgl gebaut. Nein, ökosozial ist daran nichts. Das mit den Flüchtlingen im Hotel Alpi, das unserem Bahnhof das letzte bissel humane Würde rettet, wird selbstredend als billiger Marketingtrick schlechtgeredet. Böse Wirtschaftsmoral.

Ökosozial hat mit wirtschaftsfeindlich nichts zu tun. Sicher. Aber mit dem Begriff des „ausländischen Investors“ tut man sich trotzdem schwer. Je italienischer die Partei, umso fremdländischer wird der Innsbrucker Benko. Genauso fremddominiert muss sich Lienz fühlen, dort wo der Pusterer Martin Hellweger in sein Kaufhaus investieren will (also im Osttiroler Ausland). Echt beängstigend, diese Globalisierung, dieser Ausverkauf der Heimat.

Solange man damit den Laubenkaisern die Stirn bieten konnte, kam er ja gar nicht so ungelegen, der Benko. Kaum gingen diese aber baden, konnte man sich ungeniert am ausländischen Investor auslassen, seine gescheiterten Kaufhof-Allüren, all seine laufenden Prozesse, und überhaupt, was brauchen wir einen von auswärts. Wir können doch selber. Wir haben ganz ohne ausländische Hilfe das Busbahnhofsviertel jahrelang dahinsiechen lassen können. Gestört hat es erst, sobald sich dort ungebetene Ausländer niederzulassen begonnen haben. So wie in der Altstadt von Genua etwa. iiietsch, wenn man solchen im Bahnhofspark begegnet, dort wo „Ars und humanitas“ 1943 mit dem Stadttheater auch ein Stück Bozner Selbstwertgefühls unter den Bomben begraben wurde. (Im Bild)

Wir können es selber, unsere Stadt auszuquetschen wie eine Zitrone. Super haben wir die Lebensqualität in der Drusus- und Reschenstraße verbessert. Verkehr wird auf den Grieser Platz und in die Quireinerstraße umgeleitet.  Wohnhäuser fast bis zum Mittelstreifen der einstigen Verkehrsadern, so nah, dass nicht mehr Platz für ein Überetscher Bahndl übrigblieb. Aber toll investiert, von unseren lokalen Investoren halt, auf die wir so stolz sind, weil sie ganz anders als der Benko so ein sauberes Jackele umhängen haben. Genial, das Twenty mit seiner Verkehrsanbindung, mit seinem Fußgängersteg, auf den die Stadt gewartet hatte.

So ganz genau weiß das ja niemand, aber sind das nicht dieselben Investoren, die in den Startlöchern stecken, um sich mit der Verbauung des Bahnhofsgeländes das Sackl zu vergolden? Wer waren die nochmals? Die zur Gewinnmaximierung der Stadt die abstrusesten Geleis- und Bahnhofskonzepte zumuten woll(t)en? All die klingenden Namen unserer Lokal-… (na na, fast hätte ich …-mafia gesagt). Benko könnte doch nicht etwa denen ein Dorn im Auge sein? War nur so ein dummer Gedanke, dass die Ökosozialen eines Morgens aufwachen und sich bewusst werden könnten, wessen Steigbügelhalter sie geworden sind.

Aber genug des Trübsaals, freuen wir uns über den Öko-Virgl, der nicht von Thun-Engelen verkitscht wurde, so wie Schwaz mit seinen Kristallwelten. Kitschtourismus gehört auf den Waltherplatz. Der hat dank Mayr-Nusser-Beton weniger Verkehrsprobleme als Benko. Und freuen wir uns auf das Sozial-Bozen, das den Bürgermeister Gigi in Zeiten der Flüchtlingsproblematik der erstarkenden Rechten in die Hände treibt. Ist eben alles eine Prioritätenfrage. Untergeordnet der Verantwortung für Bolzano/Bozen/Bulsan/Balsan/Busan/Bulsaun, meiner Stadt.

 

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Martin B.

Sehr guter Beitrag. Ich hör sie auch schon alle weinen die "Ökosozialen" nach den Neuwahlen, wenn Lega/Casapound/etc. wieder zulegen (zulasten aller anderen) oder wenn, was ich für unwahrscheinlich erachte, die SVP mit der Unterstützung der Lega zu regieren bereit ist, bzw. dies über 12 Monate hinaus gelingen sollte. Dass die soziale Situation (inkl. Bahnhof) für Stefanelli/Grüne unwichtiger als das alles dominierende Benko-Projekt ist, ist auch zumindest verwirrend für mich. Sehr schlechte Prioritäten und Taktiken (Antrag mit M5S). Stefanelli scheint fast so ungeignet wie Rieder für höhere Positionen in der Gemeindepolitik.

Mi., 17.06.2015 - 22:57 Permalink

Mir gefällt der Text, Benno, inhaltlich bin ich ja keine Boznerin und also kein bisschen kompetent. Aber weißt du, was ich mich gefragt habe? Wie sähe stünde es wohl um die öffentliche Meinung dem "Investor" gegenüber, wenn der nicht aus dem brüderlichen Tirol, sondern aus - sagen wir mal - Pavia oder Mailand käme? PS. Dass jetzt die Grünen an allem Schuld sein sollen, finde ich aber doch ein wenig befremdlich.

Do., 18.06.2015 - 07:40 Permalink

Mir gefällt der Beitrag auch und Benno ist alles andere als unterinformiert. Und wenn schon, dann nur aus Vorsicht, weil sich die Ereignisse überstürzen. Ich würde überhaupt nicht von Schuld reden. Benko und Hager wissen genau, was sie wollen, auch Oberrauch. Leider aber alle anderen nicht. Und genau dort liegt das Problem. Wir haben schon seit einiger Zeit das Bahnhof-Projekt auf dem Tisch. Warum hat Oberrauch da nicht reagiert und sein Projekt für das gegenüberliegende Areal vorgelegt. Nun kommt Benko und legt ein eigenständiges Projekt vor, ohne Koordination mit dem Bahnhof. Man stösst sich am Bahnhofspark, der schon zwanzig Jahre alles eher als ein Park ist. Wenn in einer verkehrsgeplagten Stadt der Eisenbahn-Bahnhof und der Bus-Bahnhof in zwei nicht koordinierten Projekten verplant werden, obwohl sie sich gegenüberliegen, dann hat das nichts mit ökosozial oder Bürgermeisterwahl in Bozen zu tun, sondern ganz einfach mit fehlender Logik, Weitsicht und dem politischen Willen, die Stadt Bozen einen Schritt in die richtige Richtung weiterzubringen. Das ist schändlich für Benko, Oberrauch und Spagnolli.

Do., 18.06.2015 - 09:20 Permalink

Zwischen den Machenschaften der Lobbys des Investors, der Baumafia und der Laubenkönige gefangen scheinen Bozens Bürger zu erwachen und das Beste an der Diskussion ist doch, dass überlegt wird ob ein Zentrum angesichts abnehmendem Einzelhandel durch online Konkurrenz und der bestehenden Infrastruktur überhaupt notwendig ist. Ein modernes Konzept im städtebaulichen Bereich ist der städtebaulicher Vertrag; mit einer Neuauschreibung des Bahnhofsareals könnte in einem solchen die Virgl-Bahn, Überetschbahn, Museum für Autonomie und Minderheiten, Kunstkubus, Sozialbau und ähnliches festgeschrieben sein. Siehe Link (http://chorherr.twoday.net/stories/1022434674/) und interessante Reportage über modernen Städtebau mit Vergleich von österreichischem und schweizerischem System. (http://okto.tv/miesmagazin/12309/20140422)

Spiegelt die Diskussion den gesellschaftlichen Prozess des Misstrauens in die Eliten wieder und markiert viell. den Übergang hin zu einer direktdemokratischen föderalistischen Denkweise nach schweizerscher Tradition?

Fr., 19.06.2015 - 08:38 Permalink

was will oder kritisiert der autor eigentlich? Eine versachlichung zum thema benko und! städtebau (in bozen) wird man mit so oberflächlicher herangehensweise nicht erreichen.

Fr., 19.06.2015 - 08:42 Permalink

Der Autor schreibt eh selber, er habe sich bisher zurückgehalten in der Diskussion. Schade. Bei den öffentlichen Anhörungen, wo ich ihn auch gesehen habe, ist sehr breit architektonisch- urbanistisch - ökologisch- sozial (nicht parteipolitisch!) über den Bau des Benno-Tempels diskutiert worden, kaum jemand hat die Laubenkönige verteidigt oder Oberrauch, es war mit wenigen Ausnahmen eine klare Absage an Benkos Projekt. Das von der Gemeinde definierte Reglement zur Debatte ließ keine unmittelbare Diskussion vor, der Autor hätte aber damals in Salto Ja oder Nein sagen können. Jetzt, nach den Wahlen, sollen die "Ökosozialen" am Niedergang des Bürgermeisters und seiner Koalition schuld sein? Das ist zu billig. Aber damit nicht genug: der Autor drängt Benko in eine Opferrolle!?! Da bin ich nicht einverstanden! Schuld am Niedergang ist das eigens noch unter Durnwalder erlassene proBenko-Gesetz Quinques, sowie auch die Planlosigkeit der alten Spagnolli- Seilschaft. Kurzum: Spagnolli und die SVP sind selber schuld am Desaster.
Siehe dazu den Leitartikel in der FF, dem ich diesmal zustimme.

Sa., 20.06.2015 - 15:12 Permalink

Ich finde es mühselig einen derartigen Text nachträglich rechtfertigen zu wollen oder gar Interpretationshilfen geben zu wollen. Lasst mich für Eure Kommentare danken, sind doch manche eine Bestätigung, wie tief die Akteure mittlerweile in bipolaren Ansichten feststecken, und wie wichtig ein vorgehaltenere Spiegel sein kann. Eine Vogelperspektive führt zwangsläufig zu oberflächlicher Betrachtung, könnte aber dazu ermuntern, trotz all der Bäume wieder einmal auf den Wald zu blicken. Meiner Stadt würde es gut tun. Eurer vielleicht auch.

Sa., 20.06.2015 - 20:35 Permalink