Politik | Endspiel

Raubritter auf Glasfaser

Die Geschichte der Brennercom AG ist ein Musterbeispiel wie ehemalige SVP-Politiker ihren öffentlichen Auftrag missbrauchen. Der SEL-Skandal lässt grüßen.

Der Unterschied beträgt knapp ein Jahr.
Am 1. Juni 2002 wechselt Maximilian Rainer seinen Arbeitsplatz. Der ehemalige persönliche Referent und Ressortdirektor von Michl Laimer wird zum Generaldirektor der SEL AG. Es ist der Startpunkt einer Entwicklung, die 12 Jahre später im sogenannten „SEL-Skandal“ endet.
Fast genau ein Jahr zuvor, hatte bereits ein anderer ehemaliger persönlicher Referent und Ressortdirektor genau diesen Schritt vorgemacht. Aus der Spitze der Landesverwaltung in die Geschäftsführung einer Landesgesellschaft. Karl Manfredi, rechte Hand und Ressortdirektor des damaligen Informatiklandesrates Alois Kofler wird zum Generaldirektor der „Brennercom AG“.
Es ist der Startpunkt einer Entwicklung, die 14 Jahre später zum eindeutig tollkühnsten Versuch modernen Raubrittertums führt, den Südtirol je gesehen hat. Der Versuch das Land als zweitgrößten Aktionär in der Brennercom zu delogieren.

Es ist die größte Volksenteignungs-Aktion der Südtiroler Wirtschaftsgeschichte.

Dabei ist das nur der letzte, einer ganzen Reihe von fragwürdigen Schritten rund um die ehemalige Landesgesellschaft. Betrachtet man die Geschichte der Brennercom im Licht der Aufdeckung des SEL-Skandals, so dürften sich auch in Sachen Telekommunikation einige dunkle Flecken auftun.

Die Gründung

Die Brennercom AG wird im Herbst 1998 von der „Brennerautobahn AG" und der „Dnet", dem Internetportal aus dem Hause „Athesia" gegründet. Der Gesellschaftszweck: Man will hochmoderne Telekommunikation vor allem auf dem Internetsektor bieten.
Anfänglich hat das Unternehmen ein Gesellschaftskapital von 600 Millionen Lire. Operativ tätig wird das Unternehmen aber erst zwei Jahre später, als das Land Südtirol als Hauptaktionär mit einer ordentlichen Finanzspritze einsteigt. Eigentümer sind zu 59 Prozent das Land, die Gemeinde Bozen und die Brennerautobahn AG mit je 12,5 Prozent, die Verlagsanstalt Athesia und Unternehmer Alfred Guariello mit je acht Prozent
Die politischen Überlegungen, die zu diesem Schritt führten, sind klar definiert. Die Brennercom soll Südtirol per Datenautobahn erschließen. Wie in den siebziger Jahren das Land Straßen bis in die letzten Höfe hinauf finanzierte, soll die Brennercom mit öffentlichem Geld südtirolweit ein Datennetz aufbauen, warten und ausbauen.


Brennercom: Finanzspritze vom Land.

Das Unternehmen gründet von Anfang an auf zwei Standbeinen. Zum einen die öffentliche Verwaltung, wie das Land oder die Gemeinde Bozen und zum anderen die Südtiroler Wirtschaft. So steigen schon bald der Raiffeisenverband und die Südtiroler Sparkasse ein. Für beide Bankinstitute sind schnelle und sichere Datenwege wichtig, um intern ihre Filialen zwischen Zentrum und Peripherie professionell vernetzen zu können.
Dass die Brennercom aber einen Weg einschlägt, der sie von diesem Gründungsauftrag wegführt, liegt vor allem an einer Personalie.

Koflers Dank

Am 6. Juli 2001 ernennt der Verwaltungsrat der Brennercom Karl Manfredi zum neuen Geschäftsführer. Die Beförderung ist nichts anderes als eine private, politische Dankesaktion.
Karl Manfredi war jahrelang das Alter Ego des zeitweiligen mächtigen Bautenlandes Luis Kofler. Der Grieser Hobby-Musiker und Jurist hatte den ersten Landtagswahlkampf des damaligen Sarner Bürgermeisters souverän gemanagt. Seit damals bilden die beiden ein Team. Zuerst zieht Karl Manfredi als Koflers Partikularsekretär gegenüber dem Palais Widmann ein, dann steigt er als Ressortdirektor für Bauten und Informatik zu einem der mächtigsten Landesbeamten auf.
Als sich der Bautenlandesrat Frühjahr 2001 überraschend entschließt als Senatskandidat ins Rennen zu gehen und Kofler das SVP interne Stechen gegen Armin Pinggera für sich entscheidet, quittiert auch Karl Manfredi seinen Dienst im Landhaus.
Manfredi leitet den Parlamentswahlkampf von Luis Kofler und legt mit ihm zusammen auch die politische Marschrichtung fest. Mit Erfolg. Luis Kofler wird mit einem Traumergebnis in den Senat gewählt.


Brennercom-Vater Luis Kofler: Entschädigung nach erfolgreichem Wahlkampf.

Als Belohnung für seinen wichtigsten Mitarbeiter zieht der SVP-Senator unmittelbar nach der Wahl den gutdotierten Geschäftsführerjob bei der Brennercom aus dem Zylinder. Möglich wird diese Option, weil das Land Mehrheitseigentümer der Brennercom ist und Luis Kofler im Verwaltungsrat das Land vertritt. Manfredi hat wieder einen Spitzenposten und erhält später jahrelang jene Entschädigung auf die auch SEL-Direktor Maximilian Rainer kommt: Über 240.000 Euro im Jahr.

Der Paradigmenwechsel

Mit der Übernahme der Geschäftsführung durch Karl Manfredi kommt es aber auch zu einem deutlichen Paradigmenwechsel in der Brennercom. „Wir haben keinen sozialen oder öffentlichen Auftrag", beschrieb Karl Manfredi bereits vor Jahren sein Credo, „wir sind eine Aktiengesellschaft, deren oberstes Ziel es ist, Gewinn zu erwirtschaften." Und genauso führt der Bozner Manager seine Firma auch.
Weil mit der Verlegung der Glasfaserkabel kaum Gewinn zu machen ist, verlagert sich die Brennercom auf andere Bereiche, wie die klassische Telefonie und das Angebot von so genannten Gesamtlösungen (Telefon, Internetanschlüsse, Servermanagement). Dass man damit den eigenen Aktionären - wie etwa „Raiffeisen Online" - direkt Konkurrenz macht, stößt diesen bitter auf und führt später dann auch zu Trennung.
In der Anfangszeit fährt die Brennercom beträchtliche Verluste ein. Den privaten Gesellschafters geht langsam die Luft aus. Das Land übernimmt weitere Anteile durch Kapitalerhöhungen und steckt weiters Geld in den Ausbau des Glasfasernetzes.
Das Land weitet seine Anteile auf 64,45 Prozent aus, dazu halten der Raiffeisenverband und die Sparkasse jeweils 7,5 Prozent, die Selfin GmbH 4,21 Prozent, die Brennerautobahn und die Gemeinde Bozen jeweils 2,71 Prozent und Stadtwerke Brixen 1,74 Prozent. Die privaten Aktionäre Acaba (Alfred Guariello) und Athesia halten um 2005 nur mehr verschwindet kleine Anteile von jeweils 0,02 Prozent.

Karl im Glück

In aller Stille wächst zwischen 2002 und 2004 aber ein neuer privater Großaktionär heran: Karl Manfredi, Koflers rechte Hand und Geschäftsführer der Brennercom.
Im Jahr 2002 hält Karl Manfredi 40 Aktien, ein Jahr später sind es 55 Aktien. Karl Manfredi hält damit 0,12 Prozent der Brennercom. Eine Größenordnung für die Beteiligung eines Geschäftsführers, die durchaus sinnvoll ist.
Doch dann passiert etwas, was in einer öffentliche Gesellschaft als durchaus bedenklich anzusehen ist.Am 11. Dezember 2003 wird im Studio des Bozner Notars Luciano Tisot, die „KM Invest GmbH" gegründet. Die Ein-Personen-Gesellschaft mit einem Kapital von 10.000 Euro gehört offiziell dem Mann, dessen Initialen bereits im Namen der GmbH auftauchen: Karl Manfredi.
Die KM Invest GmbH übernimmt wenig später 3.966 Brennercom-Aktien. Der Wert der Beteiligung: 2.046.456 Euro. Damit wird Karl Manfredi nicht nur zum Millionär, sondern über Nacht mit insgesamt 8,74 Prozent nach dem Land auch zum zweitgrößten Aktionär des Unternehmens.


Brennercom-Geschäftsführer Karl Manfredi: Kühne private Gewinne.

Die Vertreter des Landes im Verwaltungsrat der Brennercom segnen das private Engagement des Direktors kritiklos ab. Der Grund dafür ist einfach. Die Vertreter des Landes heißen in der Brennercom jahrelang Alois Kofler und Karl Manfredi.
Karl Manfredi hat damit gleich zwei Herren zu vertreten. Das Land und seine eigene Brieftasche. Obwohl dieser eklatante Interessenskonflikt mehrmals öffentlich gemacht wird, tut die Landesregierung nichts.

Der Verkauf

Unter Informatik-Landesrat Hans Berger ändert die Landesregierung ihre Brennercom-Strategie. Bergers Überzeugung zusammengefasst: Die Brennercom funktioniere nach privatwirtschaftlichen Kriterien, sie bewegt und agiert auf dem Markt, wie jeder private Anbieter. Was hat das Land dann noch in dieser Gesellschaft zu suchen?
Der Landeshauptmann-Stellvertreter schlägt im Frühsommer 2006 der Landesregierung deshalb vor, die Beteiligung zu verkaufen. Das Land hat bis zu diesem Zeitpunkt 15.343.260 Euro in das Unternehmen investiert. 2007 formalisiert die Landesregierung den Aktienverkauf. Das Land will 22,29 Prozent an der Brennercom abgeben. Aber auch die Gemeinde Bozen stösst ihre 2,71 Prozent ab. Damit stehen genau 25 Prozent des Unternehmens zum Verkauf. Für den Verkauf muss das Unternehmen bewertet werden. Die Landesregierung gibt der internationalen Agentur „Deloitte“ einen Auftrag zur Bewertung. Ende 2007 liegt die Studie vor. Am 14. Juli 2008 beschließt die Landesregierung den Verkauf der 25 Prozent auszuschreiben. Wobei man den Kaufpreis auf den doppelten Preis der Minimalschätzung festlegt: 1.050 Euro pro Aktie. Damit sind die 25 Prozent rund 12 Millionen Euro wert. Wobei den Brennercom-Aktionären bei gleichem Preis ein Vorkaufsrecht zusteht.

Über den Brennerkom

Als sich die politische Entscheidung abzeichnet, dass sich das Land von der Mehrheit in der Brennercom trennen will, kommt hinter den Kulissen Bewegung auf.
Am 5. April 2006 wird von Karl Manfredi vor einem Notar in der Innsbrucker Anwaltskanzlei „Greiter, Pegger, Kofler & Partner" eine neue Gesellschaft gegründet: Die „KM Invest GmbH" Innsbruck. Gesellschaftskapital: 35.000 Euro. Auch diese Gesellschaft gehört zu 100 Prozent dem Brennercom-Geschäftsführer. Vier Monate später, am 12. Juli 2006, verkauft Karl Manfredi vor einem Bozner Notar die „KM Invest GmbH Bozen" mitsamt ihrer millionen-schweren Brennercom-Beteiligung an die Innsbrucker KM Invest GmbH. Gleichzeitig wird, wie vom Zivilgesetz vorgesehen, ein Verschmelzungs-Projekt der beiden Unternehmen vorgelegt. Am 2. August 2006 wird in einem Bozner Notariat die Fusion der beiden Gesellschaften durch die Gesellschafterversammlung (de facto der Person Karl Manfredi) beschlossen. Das Ergebnis der Transaktion: Die 8,62 Prozent der Brennercom AG gehören ab sofort der Innsbrucker Gesellschaft KM Invest GmbH. Manfredi begründet den Sprung nach Nordtirol mit steuerlichen Erleichterungen.
In Innsbruck werden wenig später aber noch zwei weitere Unternehmen gegründet. Am 2. Oktober 2006 wird ins Firmenregister des Landesgerichtes Innsbruck die „Brennercom Holding GmbH" eingetragen. Einziger Gesellschafter des Unternehmens ist die Brennercom AG. Geschäftsführer ist Karl Manfredi. Zwei Monate später, am 1. Dezember 2006, wird dann die „Brennercom Tirol GmbH" gegründet. Es ist die operative Gesellschaft, die in die Nordtiroler Kommunikationsbranche einsteigen soll. Auch hier heißt der Geschäftsführer Karl Manfredi. Diese neue Gesellschaft hat zwei Besitzer. Sie gehört zu 55 Prozent der „Brennercom Holding GmbH" und damit der Brennercom AG. Die restlichen 45 Prozent hält aber die Manfredi-Firma KM Invest GmbH - Innsbruck.
Damit ist die Marke Brennercom in Nordtirol bereits zur Hälfte in der Hand von Privaten.

Ebners Auftauchen

An der Operation in Nordtirol sticht von Anfang an ein Merkmal aber besonders ins Auge. Die KM Invest GmbH - Innsbruck wird 2006 vor dem bekannten Innsbrucker Anwalt Franz Pegger gegründet. Die Gesellschaft hat anfänglich in seiner Kanzlei in der Maria-Theresien-Straße 24 auch ihren offiziellen Sitz.
Franz Pegger ist der Nordtiroler Vertrauensanwalt eines anderen prominenten Südtirolers und seines Unternehmens. Michl Ebner und die Athesia lassen sich in den meisten Nordtiroler Agenden vom erfahrenen Wirtschaftsanwalt vertreten.
Alles nur Zufall?
Nein. In Wirklichkeit haben Karl Manfredi und Michl Ebner zwei Jahre lang sehr diskret unter dem goldenen Dachl die Übernahme der Südtiroler Brennercom vorbereitet. Erst als die Ausschreibung des Landes zum Verkauf der 25 Prozent steht, legt man die Karten offen.


Athesia-Direktor Michl Ebner (links): Zwei Jahre diskrete Vorbereitung. (Foto Sarner Group)

Am 20. August 2008 wechselt die Nordtiroler Manfredi-Firma KM Invest GmbH offiziell den Besitzer. Der Käufer ist die „Athesia-Tyrolia-Druck GmbH“, eine der vielen Athesia-Töchter. Der Kaufpreis: 4.164.300 Euro. Damit hat Karl Manfredi innerhalb von fünf Jahren seinen Einsatz fast verdoppelt.
Am 2. September 2008 endet die Ausschreibungsfrist für den Kauf der 25 Prozent. Ende August 2008 stellte die Athesia über ihre neugekaufte Firma KM Invest ein Kaufangebot. Der Ebner-Verlag würde so über 33 Prozent an der Brennercom bekommen.

Die erste Klage

Das Angebot der Athesia ist das Einzige, das bis zum Ablauf der Ausschreibungs-Frist beim Land eingeht.
Am 1. September 2008 erklärt Landeshauptmann Luis Durnwalder dann überraschend: „Nachdem es nun aber Klagen gegeben hat, die Frist sei zu kurz bemessen, um die Bilanzdaten der Brennercom auszuwerten und seriöse Angebote zu stellen, haben wir heute beschlossen, die Einreichfrist für die Angebote zu verlängern". Die Frist wurde deshalb auf den 2. November 2008 verlängert.
Es ist eine Aktion aus politischer Verlegenheit. Am 26. Oktober 2008 finden in Südtirol Landtagswahlen statt und die SVP befürchtet, dass im Wahlkampf das „Geschenk“ an den Ebner-Verlag von der Opposition thematisiert werden könnte.
Michl Ebner damals bereits Präsident der Handelskammer spielt aber nicht mit. Die Athesia klagt gegen die Verlängerung der Ausschreibungsfrist. Sowohl die Gemeinde Bozen wie auch das Land lassen sich mit insgesamt sieben Anwälten in das Verfahren ein. Am 21. Oktober 2008 gibt das Verwaltungsgericht dem Dringlichkeitsantrag der KM Invest GmbH recht und setzte die Verlängerung der Ausschreibung aus.
Eine Woche nach den Landtagswahlen am 5. November 2008 kauft die KM Invest GmbH, sprich: die Athesia, dann um insgesamt 12.076.600 Euro 25 Prozent der Brennercom.

Ebners Plan

Weil sich das Ebner-Unternehmen aber auch die Anteile anderer ehemaliger Aktionäre sichert, wird die Athesia-Gruppe schon bald zum größten Brennercom-Aktionär. Heute halten die KM Invest 30,76 Prozent und die Athesia Druck GmbH 17,58 Prozent an der Brennercom. Damit kommt die Athesia-Gruppe insgesamt auf 48,34 Prozent. Während das Land Südtirol nur mehr 42,35 Prozent an der Gesellschaft hält.
Bereits beim Einstieg der Athesia ist klar, dass das Ziel des Ebner-Verlages die absolute Mehrheit in der Telekommunikationsgesellschaft ist, die inzwischen beachtliche Gewinne einfährt. Da das Land die Mehrheit abtreten will, geht alles in die richtige Richtung. Im Mai 2010 beschließt die Landesregierung den Verkauf des gesamten Aktienpaketes um rund 21 Millionen Euro.
Michl Ebner und die Athesia wollen aber nicht soviel Geld ausgeben. Sie setzen auf einen Plan, der weit billiger ist als der Kauf der Landesanteile. Rein statutarisch und rechtlich gibt es in der Brennercom keinen Unterschied, ob jemand 80 Prozent der Aktien hält, oder 50,1 Prozent. Wer die absolute Mehrheit hält, bestimmt auch.
Ebner nimmt deshalb bereits 2011 Kontakt mit den Kleinaktionären auf. Der Athesia-Direktor bietet rund das Doppelte des Marktpreises der Brennercom-Aktie.
Es ist damals Landeshauptmann Luis Durnwalder, der die geplante feindliche Übernahme vorerst politisch stoppt.
Mit Arno Kompatscher als Landeshauptmann ändert sich die Ausgangslage aber grundlegend. Kompatscher will die feindliche Übernahme ein für allemal unmöglich machen. Dazu will er die öffentlichen Brennercom-Aktionäre in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenführen. Ein entsprechender Artikel wird im Spätsommer 2014 in einem Omnibus-Gesetz vom Landtag genehmigt. Nachgebessert soll der Gesetzespassus in den nächsten Wochen erneut vom Landtag verabschiedet werden.
Damit aber wäre der Athesia-Traum geplatzt, billig an die Brennercom-Mehrheit zu kommen

Kamikaze oder Harakiri?

Arno Kompatschers Strategiewechsel geht aber noch weiter. Der Landeshauptmann ist überzeugt, dass das Breitbandnetz und die Datenleitungen in der öffentlichen Hand bleiben müssen. Das Land soll das gesamte Südtiroler Glasfaserkabelnetz der Brennercom abkaufen. Die Infrastrukturen wurden zum größten Teil auch mit Landesgeldern errichtet.
Mit einer Schätzung soll der endgültige Kaufpreis ermittelt werden. Danach soll das Breitbandnetz in die neue Südtiroler Energiegesellschaft eingebracht werden, die die gesamte Infrastruktur dann im Sinne der öffentlichen Eigentümer verwaltet.
Als Arno Kompatscher vor zwei Wochen den Brennercom-Gesellschaftern diesen Plan vorstellt, kommt es zum Eklat. „Wir sehen uns vor Gericht“, droht Michl Ebner im Palais Widmann. Dann steht der Athesia-Direktor auf und verlässt die Sitzung.
Am vergangenen Freitag folgt dann Ebners-Reaktion. Man kann sie nur in Sinne japanischer Kampftaktik irgendwo zwischen Kamikaze oder Harakiri ansiedeln. Die drei Verwaltungsräte der ehemalige SVP-Parlamentarier Ferdinand Willeit (Präsident), Karl Manfredi und Michl Ebner bestimmen mit ihren drei Stimmen, den Verfall des Aktionäres Land Südtirol. Nach einem Staatsgesetz hätte das Land seine Anteil innerhalb 1. Jänner 2015 verkaufen müssen.


Brennercom-Präsident Ferdinand Willeit: Handaufheber für Ebner?

Es ist die größte Volksenteignungs-Aktion der Südtiroler Wirtschaftsgeschichte. Dekretiert vom Präsidenten der Südtiroler Handelskammer und mitbeschlossen von zwei fleißigen Mitstreiten, die seit Jahren alles tun, damit der Ebner-Verlag den Südtirols Kommunikationsriesen in die Hand bekommt.
Das ganze ist rechtlich absolut nicht haltbar“, sind sich gleich mehrere Fachleute in Gesellschaftsrecht einig, die von salto.bz kontaktiert wurden.

Ebners-Reaktion kann man nur in Sinne japanischer Kampftaktik irgendwo zwischen Kamikaze oder Harakiri ansiedeln.

Das Syndikat

Dass die Aktion kaum haltbar ist, dürften auch die drei Herren im Nadelstreif wissen. Denn in Wirklichkeit spielt man mit dieser Aktion und einer Gegenklage vor allem auf Zeit. Man will noch soviel Sahne wie möglich abschöpfen, bevor das Land die Kaffeetasse an sich zieht.
Aber auch dieser Plan wird nicht aufgehen. Obwohl Arno Kompatscher zum weiteren Vorgehen des Landes noch nicht Stellung nimmt, steht nach Informationen von salto.bz die Gangart der Landeshauptmannes fest.
Die Landesregierung wird am Dienstag beschließen, dass das Land mit den anderen öffentlichen Brennercom-Aktionären einen Syndikatsvertrag abschließen kann. Der Vertrag verpflichtet die Partner gemeinsam vorzugehen und Entscheidungen einstimmig zu fassen. Weil es dafür keine Gesetzesänderung braucht, kann der Vertrag in wenigen Tagen unterzeichnet werden.
Danach gibt es mehrere Optionen, die man in der Landesregierung am Dienstag und in der Syndikatsgruppe diskutieren wird. Die Punkte:

  • Klage gegen den Verwaltungsratsbeschluss zum Verfall des Landes als Gesellschafter

  • Abberufung des gesamten Verwaltungsrates durch die Gesellschafterversammlung.

  • Einbringung einer Haftungsklage gegen die drei Verwaltungsräte Ebner, Willeit und Manfredi.

  • Nominierung zweier Koryphäen im Gesellschaftsrecht, die die öffentlichen Aktionäre in diesen Verfahren vertreten.

Setzen die Landesregierung und die Syndikatsgruppe diese Schritte wirklich um, dann wird es vor allem für Michl Ebner eng.
Denn bereits jetzt stellt sich die Frage ob Michl Ebner nach dieser Aktion als Präsident der Handelskammer noch tragbar ist. Kommt es zur Haftungsklage ist die Antwort klar.
Dann aber würde der Herr der Athesia sein liebstes Spielzeug verlieren: Die Handelskammer.
Und damit auch seine letzte politische Bedeutung in diesem Land.

Bild
Profil für Benutzer Waltraud Astner
Waltraud Astner Mo., 22.06.2015 - 08:17

Also soweit ich den Artikel interpretiere, ist es so, dass wenn die Athesia Gruppe im Jahr 2010 als das Land beschloss die gesamten Aktie zu verkaufen, zugegriffen hätte, würde sie jetzt bei 80 % der Anteile halten und das auf Wunsch und Beschluss des Landes. Weil sich Ebner aber die Mehrheit auf anderem Wege, nämlich über den Kauf der Aktien der Kleinaktionäre sichern wollte, indem er Kaufgespräche mit ihnen aufnahm, ist man plötzlich dagegen und man spricht von feindlicher Übernahme. Vorher hätte man aber alles verkauft und die gesamte Brennercom wäre zu 80% bei der Athesia Gruppe gelandet. Anders gesagt, hätte Ebner die Landesaktien gekauft, wäre jetzt alles bei Athesia, auf Wunsch und Beschluss des Landes. Also ich sehe, dass das Land selber nicht weiß, was es will.

Mo., 22.06.2015 - 08:17 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Mo., 22.06.2015 - 09:07

Antwort auf von Waltraud Astner

Sie haben richtig erkannt, dass das Land zumindest seit Gründung der Brennercom AG im Jahre 2001 kaum eine gute Entscheidung im Imformatikbereich gemacht hat. Der damals zuständige LR Berger hat wie Vor- und Nachfolger, sowie Spitzenbeamte genausowenig erkannt wie wichtig in ländlichen Gebieten die öffentliche Forcierung von Breitbandanschlüssen bis zur letzten Meile ist. Wird dies privaten Unternehmen überlassen geschieht nichts für "unrentable" Gebiete; siehe auch Deutschland. Eine frühe Spaltung der AG in "Bennercom Infrastrukturen" und "Brennercom Provider" hätte die jetztigen Probleme vermieden. Umso wichtiger dass der LH sich persönlich diesem Thema widmet und endlich im Sinne des Bürgers (auch im hintersten Tal) agiert. Darin wünsche ich ihm Erfolg!

Mo., 22.06.2015 - 09:07 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Dr. Streiter
Dr. Streiter Mo., 22.06.2015 - 09:22

Antwort auf von Waltraud Astner

Mir scheint das im Artikel eine Behauptung für ihre Interpretation verantwortlich ist, Francescini meint dass Hans Berger gesagt habe "was hat das land darin [in der Brennercom] noch zu suchen". Dies wird durch die Tatsacher konterkariert dass das Land und Gemeinden nur 25% zum Verkauf angeboten hatten, nicht ihren vollen Anteil. Es geht wohl darum dass man nicht Mehrheitseigentümer sein möchte.
Natürlich entscheidet das Land gar nichts, sondern Menschen die sich im Land verantwortlich zeichnen. Hoffentlich ausgehend davon, was für uns alle das Beste ist: Internetinfrastruktur in öffentlicher Hand, da ein natürliches Monopol.

Mo., 22.06.2015 - 09:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Dr. Streiter
Dr. Streiter Mo., 22.06.2015 - 10:37

Antwort auf von Greta Karlegger

Meine Annahme ist tatsächlich spekulativ. Der Grund scheint mir jedoch weiterhin der selbe: Manfredi hat sich ins Endkundengeschäft gestellt. Wie kann eine "Landesgesellschaft" an ihre Bürger Telefonie verkaufen? Das ist heutzutage nicht mehr zeitgemäss bzw verstösst gegen EU Wettbewerbsrichtlinien. Das Problem dass der "Glasfaser-Hub Mailand München" von der selben Firma betrieben wird, scheint zu dieser Entscheidung geführt zu haben. Wie oben diskutiert wäre eine Trennung der Geschäftszweige in zwei Firmen wohl die bessere Lösung.

Mo., 22.06.2015 - 10:37 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin Daniel
Martin Daniel Mo., 22.06.2015 - 17:27

Antwort auf von Waltraud Astner

es hat eine grundlegende Änderung in der Position der Landesregierung gegeben, die nun nach einem epochalen Wechsel an ihrer Spitze dem öffentlichen Interesse dienlicher erscheint. Und schließlich hätte das Land unter der alten Führung für den Verkauf eine satte Summe von 25 Mio. für seine Investitionen eingefahren.

Mo., 22.06.2015 - 17:27 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Alfonse Zanardi
Alfonse Zanardi Mo., 22.06.2015 - 10:07

Dass einer wie Willeit hier gegen das Land auftritt kann nur auf vollständiger Charakterlosigkeit fussen: gefühlte 100 Jahre hat dieser als Autobahnpräsident von Durnwalders Gnaden sechsspurige Gehälter eingefahren – und jetzt das. Widerlich.

Mo., 22.06.2015 - 10:07 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Harry Dierstein
Harry Dierstein Mo., 22.06.2015 - 11:18

Das ist mal wieder einer dieser brillanten Franceschini-Artikel, nach dessen Lektüre man wie selbstverständlich den "Dafür zahl' ich"- Button, wie bei der deutschen TAZ, drücken möchte. Schade, dass es diesen bei salto.bz (noch?) nicht gibt. Der Text hätte es allemal verdient, extra bezahlt zu werden. Danke dafür.

Mo., 22.06.2015 - 11:18 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Josef Ruffa
Josef Ruffa Mo., 22.06.2015 - 15:51

"Nominierung zweier Koryphäen im Gesellschaftsrecht, die die öffentlichen Aktionäre in diesen Verfahren vertreten."
...ein Schelm der dabei nicht schon gewisse Namen im Kopf hat.

Mo., 22.06.2015 - 15:51 Permalink
Bild
Profil für Benutzer G G
G G Mo., 22.06.2015 - 16:36

Unglaublich, was die Politiker der vergangenen 15 Jahre da zum Nachteil des gesamten Volkes verschlafen und verbockt haben... und dabei wurde immer von der ach so großen Verantwortung und den damit gerechtfertigten hohen Löhnen geredet... Ist zu hoffen, dass Kompatscher und CO es schaffen, zumindest jetzt noch die Kartoffeln aus der heißen Glut herauszuholen und das Schlamassel ihrer Vorgänger in Grenzen halten können, wobei die Rechnungen für die zwei Koryphäen an die Politiker, die ihrer hochbezahlten Verantwortung damals nicht gerecht geworden sind, gesendet werden müssten.

Im Werteentwicklungsmodell von Spiral Dynamics sind ein Ebner und seine Konsorten die klassische Manifestation der orangen 5. Ebene und wird dadurch überwunden, dass ein ausreichender Teil der Masse sich in die übergeordneten Wertesysteme hineinentwickelt. Möge dies der Südtiroler Bevölkerung gelingen.

http://www.evolve-magazin.de/archiv/evolve-das-neue-interesse-an-politi…

Mo., 22.06.2015 - 16:36 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Dietmar Malojer
Dietmar Malojer Mo., 22.06.2015 - 20:00

Die Artikel von C. Franceschini lesen sich wie ein Krimi! Ich bin immer wieder erstaunt von seiner Recherchen die bin ins kleinste Detail gehen. Daumen hoch!

Mo., 22.06.2015 - 20:00 Permalink