Dass sie polarisieren, ist sattsam bekannt. Die Meinungen über Südtirols erfolgreichste Rockband Frei.Wild gehen weit auseinander. Vor zwei Jahren wurde sie von der Teilnahme am Musikpreis Echo ausgeschlossen. In zahlreichen Städten gab es Proteste gegen ihre Konzerte . Nun hat ein unverdächtiger Experte der umstrittenen Rockband die Absolution erteilt: Klaus Farin, bis 2011 Leiter des "Archivs der Jugendkulturen" und intimer Kenner der Szene wertet die Mitglieder der Band überraschend als "konservative Antifaschisten".
Farin hat die Gruppe um Philipp Burger zwei Jahre lang begleitet, unzählige Fans interviewt und ein unfangreiches Buch über sie verfasst, das vor wenigen Tagen in Brixen anlässlich des Open Air-Festivals in Natz Schabs vorgestellt wurde. Titel: Südtirols konservative Antifaschisten.
Fazit:
"Frei.Wild sind keine kleine Südtiroler Band mehr, sie sind durch die hysterische Ausgrenzung zum Mainstream-Phänomen geworden".
Farins Urteil über die Musik und die Mitglieder der Band fällt ausgesprochen positiv aus: "Ihre Musik ist okay. Ich bin Rockfan, da liegt mir auch Frei.Wild nicht fern. Die Musiker sind sehr nett, im Vergleich zu anderen Bands.Sie sind immer gesprächsbereit und offen. Ich mag deutsche Texte. Schauen Sie sich doch den Mainstream an. Alles einerlei, schlimm sexistisch. Da darf man sich über jeden Deutschrocksong freuen, in dem die Texte einen Sinn haben. Aber das reicht für mich noch nicht, um zum Fan von Frei.Wild zu werden. Sie sind nun mal eine konservative Band, und ich bin kein konservativer Mensch. Persönlich mag ich auch ihr Pathos nicht.
Ich bin ein politischer Autor, mir geht es um gesellschaftliche Relevanz. Mich interessieren Kontroversen, Mythen und Tabus, an denen sich Vorurteile entzünden und in denen aus Unwissenheit gängige Klischees erwachsen, besonders bei Leuten, von denen man mehr erwarten sollte. Bei Lehrern und Politikern, Linken und Liberalen. Für viele sind die Böhsen Onkelz heute noch eine Rechtsrockband und Frei.Wild sowieso. Wer das behauptet, macht sich nicht gerade als Sachkundiger verdächtig" meint Farin.
Was ist laut Farin nun das Konservative an Frei.Wild ?
"Sie sagen ja selbst von sich, konservativ zu sein. Vier Jungs eines kleinen Bergvolks. Handwerksburschen und Familienmenschen, die ihre Traditionen und ihren Glauben pflegen. Politisch würde ich sie irgendwo zwischen CDU und CSU ansiedeln".
Ist die Band bisher also nur politisch vereinnahmt worden? "Da gab es nur die Geschichte von Philipp Burger, dem Sänger, und der Partei Die Freiheitlichen. Die Band hatte sich zu einer lokalen Veranstaltung einladen lassen. Das war naiv. Was nicht heißen soll, dass sie nicht in manchem auch so dachten wie Die Freiheitlichen in Südtirol. Der Weg von konservativ dahin, wo rechts anfängt, ist ja nicht so weit. Es wurde Frei.Wild immer vorgeworfen, sie würden ihre wahren Ansichten tarnen. Wären sie politisch wirklich so clever, wie es ihnen unterstellt wird, hätten sie sich nie von den Freiheitlichen einladen lassen. Ein überzeugter Rechter macht so was schon aus strategischen Gründen nicht. Dass Frei.Wild ihre angeblich wahre Meinung verheimlichten, um ihre Karriere voranzutreiben, ist absurd. Wenn Philipp Burger von einem deutschen Nachrichtenmagazin gefragt wird, was er von Pegida halte, und er antwortet, dass er dazu nichts sagen könne, heißt das nur, dass er zu wenig über Pegida weiß, weil es so was nicht gibt in Südtirol. Er hat sich dazu noch keine Meinung bilden können. Als ernsthafter Rechtsaußen würde er sich in Interviews geschickter äußern: Man müsse mit allen reden oder so.
Frei.Wild als missverstandene Antifaschisten? Farin: "Ein Grund, warum ich dieses Buch gemacht habe, ist, dass mich Mythen, Vorurteile und Klischees interessieren. Irgendjemand bringt etwas in Umlauf, dann sind alle empört, wollen dagegen unterschreiben - und keiner hat sich mit der Band beschäftigt. Eigentlich gibt es keinen objektiven Grund, Frei.Wild als Rechtsrock-Band zu bezeichnen. Das ist eine absolute Verharmlosung der neonazistischen Musikszene. Eine gewisse Gefahr ortet der Autor beim Thema Nationalismus:
"Ich musste lernen, dass Heimatliebe und Regionalpatriotismus groß im Kommen sind. Das habe ich in meinen Gesprächen mit der Band, aber auch mit den Fans gemerkt. Trotzdem sind das keine Nationalisten. Nach wie vor sehe ich da ein Risikopotential - denn der Weg vom Patriotismus zum Nationalismus und Rassismus ist nicht so weit. Das finde ich persönlich nicht sympathisch. Bei der überwiegenden Mehrheit der Frei.Wild-Fans wird dieser Weg aber nicht gegangen, sie distanzieren sich glaubwürdig vom Rechtsextremismus und begreifen sich dennoch als Patrioten."
Die Rockband begründet auf ihrer webseite ihre Entscheidung, das Buchprojekt von Farin zu unterstützen:"Ohne Frage, es ist uns durchaus bewusst, dass ein solches Unterfangen durchaus mit Risiken für uns verbunden sein kann, aber es war die transparente, vor allem tiefgründige Arbeitsweise des Autors, die uns zu diesem Schritt der Zusammenarbeit getrieben hat, von anderen großartigen Werken aus seiner Feder mal ganz abgesehen.
Keine Frage, wir sind es leid, dass wir als Band und ebenso Ihr als Fans immer wieder mit den immer gleichen Vorwürfen und Fragen konfrontiert werden. Wir hoffen, und auch wenn wir wissen, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, dass irgendwann Schluss ist und wir uns wieder auf das konzentrieren können, was wir eigentlich wollen: Musik machen und Menschen durch unsere Musik verbinden – mit voller Leidenschaft, Liebe und Ausdruckskraft!"