Politik | Griechenland

Mein Óχι der Versachlichung

Das vernünftige Europa ruft nach Versachlichung in der Griechenlanddebatte. Mein Ochi, mein Nein zu dieser Sichtweise.

Natürlich ist es mir ja auch lieber, wenn schwierige Themen sachlich angegangen werden. Varoufakis-Gestik ist genauso fehl am Platz wie die Botschaft des obigen Fotos. Aber Sachlichkeit hat eben auch mit Vertrauen zu tun, dass die Informationen, die Finanzakrobatiken, die wir und die zum Referendum gerufene Bevölkerung vorgesetzt bekommen erstens transparent und richtig sind und zweitens für Nicht-Experten nachvollziehbar sind. Beides sei dahingestellt. Vielmehr möchte ich auf die rhetorische Floskel hinweisen, oben kursiv geschrieben: „wir und die Griechen“. Diese Unterscheidung, diese renationalisierte Sichtweise ist das Resultat von x Jahren Troika, Institutionen und entsprechender Berichterstattung. Auf beiden Seiten übrigens. Aber wie mich diese polarisierte „auf beiden Seiten“-Rhetorik würgt. Wir und sie. Wir und die. Wir und jene. Solidarität mit jenen nur zu einem bestimmten Punkt. Genug ist genug. Wir können nicht ewig für jene unsere Opfer bringen. Grexit now. Welch großer Fehler es war, die jene Griechen überhaupt in den Euroraum mit aufzunehmen, diese Betrüger. Raus aus der EU mit jenen… STOP!

Nicht alles, was technisch nicht unwahr ist, ist deshalb gleich unsere Wahrheit.

Europa ist keine technische Wahrheit. Europa ist pure Romantik! Von Schillers schmalzigen Ode-Worten in Beethovens Neunter über den Post-War-Dream der Montanunion bis hin zu Helmut Kohls Euro-Vision.

Wir lieben die Griechen doch nicht für ihre preußischen Tugenden, sondern für ihren heruntergetakteten Alltagsstress. Lebensqualität kann auf unterschiedliche Weisen gemessen werden, und einen Mehrwert für eine Gemeinschaft gibt es auch außerhalb der Finanzlogik. Die Füße in den weißen Sand stecken, während sich in der Hektomatik-Welt alles nur um Macht und Geld dreht. Die Rechnung, die geht sowieso nie auf. Und irgendwann bleib i dann dort…

Griechenlands Problem ist nicht, ein nicht-funktionierender Staat zu sein. Griechenlands Problem ist überhaupt ein Staat zu sein. Der italienische Mezzogiorno funktioniert genauso wenig, hat aber das Glück dank der Romantik früherer Irredentisten von der restlichen Nation durchgefüttert zu werden, so wie die „neuen“ deutschen Bundesländer, so wie Stadtstaaten alà Bremen oder wie das von der Hypo-Alpe-Adria in die Zahlungsunfähigkeit getriebene Land Kärnten.  

Wenn ein Grexit die Antwort der Sachlichkeit ist, wenn sich Europa keinen finanziellen Klotz leisten kann/will, der gerade einmal 2.5%  der Substanz ausmacht, dann erklärt mir doch bitte, warum sich Italien nicht genauso schnell zentrifugaler Sachlichkeit hingeben sollte. Warum sollten die Wessis dann Soli zahlen? Wenn es für Tsipras so einfach sein soll, Steuern und Rundfunkgebühren ordentlich einzutreiben, warum macht es der Renzi nicht bis in den letzten Süden des Stiefels vor?

Nein, liebe Versachlicher, was euch stört, ist vielmehr die Symbolik. Varoufakis fehlende Krawatte und Stinkefinger. Tsipras, der der Anhebung des Renteneintrittsalters und der Mehrwertssteuerangleichung auf den Inseln mit dem Taschenrechner begegnet und dabei völlig unterschätzt hatte, wie schnell diese simplen und sekundären Punkte von den westlichen Versachlichern in populistische Argumente umgemünzt werden.   

Ja, und was mich stört, ist auch die Symbolik. Wie dieser jämmerliche Haufen der EU in der Welt verhöhnt wird, nicht einmal ein 2.5%-Problem schnell und entschlossen lösen zu können. Mich und die Börsen.

Deshalb bekenne ich mich öffentlich als Romantiker. Wenn unsere Vision von Europa stimmt und ehrlich ist, dann gehören unsere griechischen Mitbürger mitten in dessen Schoß. Ohne Wenn und Aber. Dafür mit Euro und was uns sonst noch als EU ausmacht. Und die sachlichen Probleme sind letztlich Peanuts.

Ganz sachlich zusammengefasst: Die Romantik ist Europas zentripetale Stärke!

 

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Hartmuth Staffler So., 05.07.2015 - 15:53

Im Sinne der Sachlichkeit wäre es auch von Vorteil, wenn man beim RAI-Sender Südtirol das griechische Wort Óχι, so wie es sich gehört, als "Ochi" aussprechen würde und nicht als "Oksi". So viel Respekt vor den Griechen und ihrer Sprache sollte schon sein. Óχι ist auch deswegen von besonderer Bedeutung, weil es dieses Wort war, mit dem General Metaxas 1941 auf das italienische Ultimatum antwortete, worauf Italien Griechenland den Krieg erklärte. Auf dieses Nein gegenüber dem italienischen Imperialismus sind die Griechen noch heute zu Recht stolz.

So., 05.07.2015 - 15:53 Permalink
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gorgias So., 05.07.2015 - 16:53

Ich möchte hier vehement widersprechen. Die Sache ist zu Ernst diese zu romantisieren. Days verschleiert nur die Wichtigkeit der Late und die Wichtigkeit der EU fur under aller Zukunft. Reding sagt bier dass das alte Narrative der Fried ends I cheering night mehr greift und es win neues braucht und das ist das der Globalisierung. Vielen ist night bewusst das dieser Lander in ihrer entwicklung aufholen und die in ihrer demografischen und wirtschaftlichen Grossed schneller Wachsen als wir und dass wir in wenigen Jahrzehnten am Rande gedrängt sein werden, wenn wir nicht auf basis unserer were.und kultur geeint auftreten.

Hier braucht es nüchternheit und besonnenheit um den Ernst der late zu verstehen. Das versagen an dieser late liegt being den politikern die such die letzten jahre durchgewurstelt haben anstatt die Probleme fundamental anzupacken.

http://m.srf.ch/sendungen/sternstunde-philosophie/ist-europa-noch-zu-re…

So., 05.07.2015 - 16:53 Permalink
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Benno Kusstatscher So., 05.07.2015 - 20:35

Antwort auf von gorgias

Gorgias, schwer zu entziffern Dein Kommentar. (ich weiß, am Handy Tippen ist halt so, und die fehlende Korrekturfunktion von Salto...) Ich konnte natürlich erwarten, dass Du alter Sachlicher :-) meinem Plädoyer zu mehr Romantik "vehement widersprichst". Prinzipiell. Ich kann nur leider nicht herauslesen, wo Du mir genau widersprichst. Solltest Du wie Reding meinen, das Europaprojekt diene primär der Sicherung der globalen Stellung des Kontinents, dann sehe ich das nicht im Widerspruch zu mir. Global Menschen-, Tier- und Umweltrechte einzufordern ist ja auch romantisch und unsere wirtschaftliche Interessen sind ja auch beileibe nichts Böses. Aber die *Versachlichung* der Problematik in Wirtschaftsverhandlungen mit China etwa, bringt uns Goethes Faust schnell näher. Die Schuld am Dilemma aber alleine den Politiekern in die Schuhe zu schieben, kann ein so sachliches Argument jetzt aber auch nicht sein.

So., 05.07.2015 - 20:35 Permalink
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Martin Daniel So., 05.07.2015 - 20:17

"Warum sollten die Wessis denn Soli zahlen?"
"...warum macht es der Renzi nicht bis in den letzten Süden des Stiefels vor?"
Weil die nationale Identität die unterschiedlichen Teile bindet und dadurch Bereitschaft zu Dauertransfers schafft. Nationle Identität kann durchaus als zutiefst romantische Eigenschaft erachtet werden: Geschichte, Sprache, Kultur, Traditionen, Selbstverständnisse sind alles nicht wissenschaftlich präzis greifbare Begriffe, sondern eher Ausdruck eines kollektiven psychologischen Verständnisses, ja vielleicht sogar der Seele eines Volkes. Romantik pur! Bis sich eine solche für eine Nationen-abstrahierende Europaidee durchsetzt, wird es leider nich etwas brauchen.

So., 05.07.2015 - 20:17 Permalink
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Benno Kusstatscher So., 05.07.2015 - 20:44

Antwort auf von Martin Daniel

Es wird etwas brauchen, ja leider. Aber man sollte bereits heute einem Südtiroler Sezessionisten erklären können, warum für Süditalien mehr Romantik aufgebracht werden soll, als den wenigen 10 Mio. in Griechenland. Dem Steuerzahler natürlich auch. Ich bitte alle Versachlicher hier nicht mit zweierlei Maß zu rechnen, oder sich wenigstens ihrer unsachlichen Argumente bewusst zu werden. Wehret der Nationalismusfalle!

So., 05.07.2015 - 20:44 Permalink
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ferdinand tessadri So., 05.07.2015 - 21:27

Mit Romantik aus dem 18. Jahrhundert ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Jeder der Schwierigkeiten hat mit seinem Lohn auszukommen wird sich fragen warum er für fremde Leute in einem anderen Staat zahlen soll.
Besonders nachdem sich diese besonders resistent zeigen, sich zu bemühen
selbst einen Teil ihrer Misere zu verbessern. Und wegen Nationalismusfalle. Da wundert es mich schon dass ihre linken griechischen Freunde mit nationalistischen Parolen nur so um sich werfen. Nationalistische Kommunisten ? Eine neue Spezies ?

So., 05.07.2015 - 21:27 Permalink
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ferdinand tessadri Mo., 06.07.2015 - 10:57

Antwort auf von Manfred Gasser

Wenn man ideoligisch verblendet ist, wie es ja den Xenophoben wie sie geht, dann sieht man nicht mehr die Realität.
Die Griechen haben uns italienischen Bürgern, jedem einzelnen, circa 600 Euro gekostet, die sie ja nicht , oder
nur zum Teil irgendwann mal, zurückzahlen möchten. Dieses Geld wurde zu einem Drittel den griechischen Banken gegeben, damit sie nicht Pleite gehen, zu einem Drittel ging es in den Konsum, und das andere Drittel wurde von den Griechen im Ausland gebunkert. Nun kommen wir zu den Flüchtlingen. Ein paar Hundertausend Flüchtlinge aufnehmen, in einem Staat von 60 Millionen, ist peanuts. Zehntausende Südtiroler sind 1940 nach Deutschland gewandert, und die
Tiroler hattenauch gar keine Freude daran. Die Flüchtlinge suchen ja Arbeit um ihre daheimgebliebenen Verwandten zu unerstützen, also zahlen sie auch Steuern . Und wenn man sich wegen ein paar Euro pro Kopf aufregt, dann gehört man
wahrscheinlich zu denen die in der Kirche einen Knopf in den Klingelbeutel werfen.

Mo., 06.07.2015 - 10:57 Permalink
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Manfred Gasser Mo., 06.07.2015 - 17:57

Antwort auf von ferdinand tessadri

Entschuldigung, Sie haben da was verstanden.
Fremd muss ich nicht gleich Ausländer sein, oder? Ist ihnen ein Kalabrese oder ein Sizilianer weniger fremd als ein Grieche, oder ein Spanier, Portugiese?
Mir nicht!
Ich bin sicher nicht xenophob. Sie machen einen Unterschied zwischen Griechen uns Sizilianern, nicht ich! Also bitte!

Mo., 06.07.2015 - 17:57 Permalink
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ferdinand tessadri Di., 07.07.2015 - 11:14

Antwort auf von Manfred Gasser

Ich habe mir nicht gedacht dass für Sie alle Leute die nicht aus dem eigenen Dorf kommen Fremde sind.
Na ja diese Einstellung ist leider in Südtirol weit verbreitet und heisst Xenophopie (Furcht vor den Fremden).
Sie behaupten ich mache eine Unterschied zwischen verschieden Fremden. Das Gegenteil stimmt. Wie ich geschrieben
habe helfe ich auch den für Sie wahrscheinlich "ganz Fremden" den Zuwanderern. Und selbstverstädlich unseren
Mitbürgern in Sizilien und den Griechen. Jeder von uns hat ihnen 600 € geliehen, aber sie wollen es nicht zurückzahlen
und wollen noch mehr. Und dazu noch in einer präpotenten Art und Weise. So geht es nicht.

Di., 07.07.2015 - 11:14 Permalink
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Manfred Gasser Di., 07.07.2015 - 11:57

Antwort auf von ferdinand tessadri

Schon wieder falsch. für mich sind sogar einige Leute aus dem eigenen Dorf Fremde. Aber nicht die pakistanische Familie, nicht der nigerianische Hilfsarbeiter! Da wird man freundlich gegrüsst, da wird mal ein wenig geratscht, nomale Menschen eben.
Natürlich helfen wir den ganzen "Fremden", aber wer macht das freiwillig? Sie? Ich?
Ich weiss es nicht, ich spende gern, ich war schon am Bahnhof Bozen ein paar Dinge zu verschenken. Aber soll man wirklich einem Nimmersatt immer gleich Fressen ins Maul stopfen?

Di., 07.07.2015 - 11:57 Permalink
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Manfred Gasser Di., 07.07.2015 - 14:38

Antwort auf von ferdinand tessadri

Und ich denke und denke und denke nach, aber es will mir nichts einfallen.
Ah, jetzt doch, ich mache es nicht freiwillig, bisher jedenfalls nicht. Sie aber auch nicht, oder wurden Sie gefragt?
Und bitte unterlassen Sie es, mich xenophob zu nennen, ich beleidige Sie ja auch nicht nur weil mir nichts besseres einfällt.
Danke und Tschüss

Di., 07.07.2015 - 14:38 Permalink
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Michael Bockhorni Mo., 06.07.2015 - 08:02

ja, ja , ja - danke Benno. schön langsam kommt die Diskussion auch in den Mainstream Medien auf den Punkt. Welches Europa wollen wir? Gibt es neben dem neoliberalen Austeritätskurs noch Alternativen oder leiden wir alle (auch die Sozialdemokraten) an Thatchers TINA Syndrom (There Is No Alternative). Das glaube ich zu verstehen, wenn die Griechen sagen "wir wollen in der EU und im Euro bleiben", aber in einem demokratisch und politisch gestalteten und nicht von den Finanzmärkten/Institutionen als alternativlos diktierten.

Mo., 06.07.2015 - 08:02 Permalink
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Hartwig Heine Mi., 08.07.2015 - 11:30

Es geht nicht um Sachlichkeit. Es geht darum, was Sache ist. Und Sache ist, was herauskommt, wenn Angela Merkel sich umfassend abgestimmt hat. Zuerst mit Seehofer, der ein hartes Brett ist, dessen Vorstellung von Romantik sich jedoch auf den bayrischen Raum beschränkt. Dann mit Gabriel, der zum Glück ein ausgesprochen weiches Brett ist. Schließlich mit Hollande, der in Sachen Europa ein wenig als Merkels Antipode gilt, was dem Abstimmungsergebnis eine höhere Weihe und somit Unantastbarkeit verleiht. Um zur Sache zu kommen, ist das alles schon hart genug, da bedarf es keiner zusätzlichen Demokratie mehr, die auch nur in die Schublade Romantik gehört. Deshalb sind die europäischen Institutionen ja auch so in Ordnung, wie sie sind.

Mi., 08.07.2015 - 11:30 Permalink
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Benno Kusstatscher Mi., 22.07.2015 - 10:25

Ich weiß nicht, ob ihn jemand von euch gesehen hat, den (Zischtig-)Club gestern, 21. Juli, im SRF1 mit Karin Frei. Wenn Romantiker wie Robert Menasse und Versachlicher wie Dieter Freiburghaus aufeinandertreffen, wird man schon irgendwie darin bestätigt, dass einem mit reiner Sachlichkeit der Blick für das Licht am Ende des Tunnels verwehrt bleibt. Was soll daran konstruktiv sein?

http://www.srf.ch/sendungen/club/wie-angeschlagen-ist-die-eu

Mi., 22.07.2015 - 10:25 Permalink