Stunk an der A22
Die schlechte Luftqualität und die hohe Schadstoffbelastung entlang der A22 sorgt für immer mehr Stunk. Harsch war die Reaktion des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz auf die Ankündigung des Amtes für Luft und Lärm, der jährliche Grenzmittelwert für die Stickoxid-Belastung werde auch heuer wieder an beiden Messstationen an der Brennerautobahn überschritten werden. Die politischen Vertreter Südtirols in Rom seien mit Schuld für die anhaltende Schadstoffbelastung, sie hätten “bis dato noch nicht mit einem Einsatz für bessere Luft entlang der A22 auf sich aufmerksam gemacht”. Stimmt nicht, konterte Umweltlandesrat Richard Theiner noch am selben Tag. Man habe sehr wohl in Rom interveniert und habe unter anderem Maßnahmen zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene und ein dynamisches Tempolimit entlang der A22 vorgeschlagen. Dieses solle greifen, falls die Stickoxid-Grenzwerte überschritten werden.
“90 km/h bringt nichts”
Ein solches fordern etwa Natur- und Umweltschützer sowie Grüne schon seit Längerem für die Brennerautobahn. Ganz nach Nordtiroler Vorbild. Einer, der dieser Idee wenig abgewinnen kann, ist Herbert Dorfmann. Mit einer Stellungnahme zum Thema läutete der EU-Parlamentarier und Eisacktaler SVP-Bezirksobmann vor wenigen Tagen eine weitere Runde in der Diskussion um das dynamische Tempolimit ein. Er ist überzeugt: “Eine Reduzierung des Tempolimits ist nicht die Lösung der Stickoxid-Belastung längs der A22.” Der Vorschlag des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, eine dynamische Reduzierung der Geschwindigkeit auf der Brennerautobahn auf 90 km/h würden laut Dorfmann “wenig Erfolg bringen”. Im Gegenteil, die Kapazität der Autobahn würde verringert werden, was besonders an Tagen, an denen sie bereits heute verstopft sei, zu weiteren Staus führen würde – “die Luftbelastung wird dadurch erhöht und nicht verringert”, glaubt Dorfmann. Für ihn seien effizientere Geschwindigkeitskontrollen sowie die Einführung der Eurovignette für Lkws wichtige Schritte, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Wer auch immer die Konzession bekommt, die Anrainergemeinden müssen entschädigt werden. (Peter Faistnauer, Bürgermeister Freienfeld)
“Weinerliche Diskussion”
“Die Luftbelastung an der Autobahn hängt eindeutig mit der Geschwindigkeit zusammen. Dafür liefert die Stauforschung im Verkehrswesen genug Beweise.” Der Konter des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz kommt prompt. “Herr Dorfmann sollte bei seinen Prognosen zur Verkehrsbelastung berücksichtigen”, schreiben Klauspeter Dissinger und Andreas Riedl, “dass grundlegende Erkenntnisse aus der Stauforschung eindeutig zeigen, dass der größte Verkehrsfluss wenn alle Fahrzeuge maximal 100 km/h, idealerweise aber zwischen 80 und 90 km/h fahren.” Sie erklären, warum: “Bei dieser Geschwindigkeit ist das Verhältnis von Sicherheitsabstand und Reisegeschwindigkeit ideal. Bei höherer Geschwindigkeit nimmt nicht nur der Sicherheitsabstand zu (und damit die Verkehrsdichte ab), sondern auch das häufige Spurwechseln erhöht die Staugefahr.” Somit steige laut Dissinger und Riedl die Umweltbelastung nicht nur durch den erhöhten Benzinverbrauch bei höheren Geschwindigkeiten sondern auch durch den vermehrt stehenden Verkehr.
EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann outet sich als “Transitlobbyist ersten Ranges”. (Fritz Gurgiser)
“Was aber hat Herr Dorfmann als Bezirksobmann und EU-Parlamentarier bisher getan, um die Lärm- und Luftbelastung entlang der Brennerachse wirkungsvoll zu verbessern?”, fragt man sich bei den Natur- und Umweltschützern. Diesseits und jenseits des Brenners. Denn mittlerweile ist auch Franz Gurgiser vom Transitforum Austria-Tirol in den Ring gestiegen. “Jetzt eine weinerliche Diskussion über Tempo 90 anzetteln ist peinlich und absurd”, schreibt der bekennende Transitgegner am Freitag Früh. Es sei der Versuch Dorfmanns, “von einer längst überfälligen politischen Entscheidung auch südlich des Brennerpasses abzulenken.” Denn nach wie vor gebe es vom Brenner abwärts Richtung Verona keine einzige Maßnahme, die den Lkw-Transit reduzieren oder verdrängen würde, so Gurgiser. “Dafür ist auch politische Verantwortung zu übernehmen”. Die Äußerungen Herbert Dorfmanns hätten den EU-Abgeordneten als “Transitlobbyist ersten Ranges” entlarvt, wettert er.
Geld für schlechte Luft
Doch Dorfmann hat nicht nur an die Wirtschaft, sondern auch an die Menschen, die entlang der Brennerautobahn leben, gedacht. “In der Tat müssen die Anrainer der Brennerstrecke seit Jahren mit der zu hohen Stickoxid-Belastung leben”, gibt er zu bedenken. Eine Chance sieht Dorfmann dabei in der Übertragung der Konzession für die A22 an eine In-House-Gesellschaft: “Die neue EU-Konzessionsrichtline beinhaltet die Auflage, dass die öffentlichen Träger, in diesem Fall also die In-House-Gesellschaft, ausschließlich für den öffentlichen Nutzen arbeiten. Und nicht dafür, möglichst hohe Dividenden ausgeschüttet zu bekommmen.” Daraus ergebe sich die Chance, vor allem die von der Luft- und Lärmverschmutzung betroffenen Menschen entlang der Brennerroute endlich besser davor zu schützen. Herbert Dorfmann wüsste auch schon, wie das konkret ausschauen könnte: “Mit der neuen Konzession braucht es einen ambitionierten Umweltplan, mittels welchem die Anrainergemeinden an den Gewinnen der Autobahn beteiligt werden und diesen damit die Möglichkeit gegeben wird, Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität für die Menschen zu setzen.” Sein Vorschlag scheint bereits unter den Gemeindevertretern entlang der Brennerstrecke Schule gemacht zu haben.
Bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h ist das Verhältnis von Sicherheitsabstand und Reisegeschwindigkeit ideal. (Dachverband Natur- und Umweltschutz)
Noch ist die Konzessionsvergabe nicht unter Dach und Fach. Doch für Peter Faistnauer, Bürgermeister der Gemeinde Freienfeld, steht bereits heute fest: “Wer auch immer die Konzession bekommt, die Anrainergemeinden müssen aufgrund der hohen Schadstoffbelastungen entschädigt werden.” Er will eine verbriefte Garantie von den Betreibern der A22, egal ob die nun aus Südtirol, Italien oder sonstwo kommen. “Meine Forderung ist nachvollziehbar”, erklärt Faistnauer, “denn die Messungen der Luftqualität belegen eindeutig, dass die Gemeinden entlang der A22 höheren Belastungen ausgesetzt sind.” Dafür will er finanzielle Entschädigungen für alle Gemeinden entlang der A22, und zwar vom Brenner bis nach Modena.
Das Rätsel der maximalen
Das Rätsel der maximalen Kapazität einer Verkehrsstrecke haben die zahlreichen Lehrstühle für Verkehrswesen schon längst gelöst: die höchste Kapazität einer PKW/LKW Verkehrsstrecke liegt bei ziemlich genau 80 km/h. Das ist nun wirklich lange bekannt - und kann nicht mit Bauchgefühlen, sondern mit ganz rationalen mathematischen Modellen nachgewiesen werden.
Warum das so ist? Weil dann die Abstände der Autos zueinander optimal sind: Wenn man schneller fährt, brauchen die Fahrzeuge mehr Platz, um die Sicherheitsabstände einzuhalten. Auch Verkehrsplaner wissen das, darum gibt es auch viele hoch belastete Straßen, die grundsätzlich! auf Tempo 80 begrenzt sind.
Für mich: unverständlich, dass unserer mit Schadstoffen und Lärm transitgeplagten Bevölkerung statt mit Maßnahmen zur sofortigen Entlastung immer nur mit Lösungen in ferner Zukunft gedient wird.
Schade, wenn dann zur Argumentation der maximalen Kapazität einer Verkehrsstrecke auf die eigenen Bauchgefühle vertraut wird, statt wissenschaftlich fundiert zu argumentieren.
Nun, bei allem Respekt, aber
Nun, bei allem Respekt, aber der Herr LR Theiner ist halt 10 Jahre "hinten" - denn das "dynamische Tempolimit" ist der größte Unfug, der einem einfallen kann. Schadstoffgrenzwertüberschreitungen lassen sich nicht "dynamisch" reduzieren, dass wurde im Norden Tirols ja schon erfolglos praktiziert und hat nichts gebracht. Die einzigen, die ein Interesse daran haben, sind die, die dann sündteure Anlagen errichten und die, die dann irgendwo "dynamisch" herumschalten. Im vollen Wissen, dass das ein Quatsch ist. Im Übrigen war das ein wesentlicher Grund, warum der EuGH das sektorale Lkw-Fahrverbot für den Transport von Müll, Schrott etc. kippen konnte.
Die Narren sind wieder einmal die, die an der Transitstrecke seit Jahrzehnten wohnen, leben und wirtschaften und die mit dem Verlust ihrer Lebens-, Gesundheits- und Wirtschaftsqualität büßen. Nicht "dynamisch", sondern dauerhaft. Tag und Nacht, Stunde um Stunde, während sich Politgaukler mit solchen Narreteien öffentlich herumstreiten, statt zu handeln.
LG
Fritz Gurgiser