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Starkes Theater

Ohne viel Aufhebens hat sich in Bozen Italiens erstes professionelles Theater entwickelt, das von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gemacht wird.

„Was für eine tolle Anerkennung“, freut sich Antonio Viganò, „nun wurde unsere Arbeit auch von hochoffizieller Seite anerkannt, und das tut wirklich sehr gut!“ Seine Theatertruppe wurde mit einer Auszeichnung bedacht, die nicht vielen kulturellen Einrichtungen zugute kommt; vom Ministerium für kulturelle Tätigkeiten in Rom hat die Akademie Kunst der Vielfalt das Prädikat „besonders förderungswürdig“ erhalten. „Wir sind aus insgesamt 78 kulturellen Projekten italienweit ausgewählt worden und mit anderen fünf Einrichtungen haben wir diese Anerkennung für unsere Inklusionsarbeit erhalten,“ erzählt Viganò.

Der Mailänder Regisseur arbeitet bereits seit langem mit Schauspielern mit Beeinträchtigungen, in Südtirol hat er ohne viel Aufhebens und ziemlich unbemerkt von Öffentlichkeit und Medien eine Werkstatt mit Theaterensemble ins Leben gerufen, eben die Akademie Kunst der Vielfalt.

Die Anerkennung durch das Ministerium bedeutet verstärkte nationale Wahrnehmung und vor allem mehr Geld: aus dem FUS, dem Fondo unico per lo spettacolo, erwachsen dem Bozner Theaterverein nun erst einmal 50.000 Euro für den Zeitraum 2015 – 2017. Geld, das Antonio Viganò dringend braucht, so wie alle Theatermacher: Doch im Gegensatz zu anderen Theaterleitern im Land, hat er ein festes Ensemble zu unterhalten, acht Schauspieler mit Beeinträchtigungen  und vier weitere Personen sind bei seiner Akademie fix angestellt, mit regulären Arbeitsverträgen. Mittlerweile geht man in die 5. Spielzeit, mit Stücken wie Der Klang des Falls, Minotaurus, Spuren der Seele, Nessuno sa di noi, Theaterwerkstätten, Tourneen die nach Nizza, Berlin, Cardiff oder Zürich führten - Italiens erstes professionelles Theater, das von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gemacht wird.

Es war ein langer und manchmal harter Weg, Aufbauarbeit, die  Viganò gemeinsam mit anderen konsequent geleistet hat. Der aus der Provinz Lecco Gebürtige kommt vom „Teatro Sociale“, hat am Piccolo Theater in Mailand und an der Schule Lecoq in Paris gelernt und gearbeitet, später gründete er seine eigene kleine Truppe, das Teatro la Ribalta. Nach Südtirol ist er über das Schultheater Theatraki gekommen, als Regisseur für ein Stück mit Kindern und Jugendlichen, Jeux d’enfants im Jahr 2005. Diese erste Erfahrung mündete schließlich in eine nachhaltigere Zusammenarbeit mit der Südtiroler Lebenshilfe, jener Organisation die sich um die Wahrnehmung und Förderung von Menschen mit Beeinträchtigungen kümmert.

Antonio Viganò fordert Laiendarsteller auf dieselbe Weise wie Berufsschauspieler, Kinder, Jugendliche, alte Menschen oder eben Menschen mit Beeinträchtigungen. Er nennt das „teatro degli esseri“, weil sich hier Menschen ganz frei und ohne Druck der Verwandlung auf der Bühne hingeben können. „Es gefällt mir, wenn Schauspieler auf der Bühne nackt werden, quasi die Maske ablegen, die wir alle im normalen Leben tragen.“  Das Schwierige in der Erarbeitung einer Inszenierung sei, sich auf den kreativen Prozess einzulassen, ohne allzusehr auf bereits erprobte und bekannte Strukturen zurückzugreifen. „Ich glaube, es hat sich in mir selbst bereits so viel an Erfahrungen - sedimentazioni - angesammelt, dass ich immer wieder leer werden muss, um jener Regisseur zu sein, der ich gerne bin.“ Antonio Viganò will leer sein für jene Bilder, die sich ihm zu jeder neuen Inszenierung präsentieren.

Seine Arbeit sei wie die eines Bildhauers, sagt er, auch dieser nimmt dort weg und da etwas fort, meißelt ein Bild, eine Gestalt aus dem rohen Material heraus. Die Anekdote dazu: Ein Kind beobachtet wie ein Bildhauer nach und nach ein  Pferd aus einem Gesteinsblock herausmodelliert und fragt: „Aber warum wusstest du, das dort ein Pferd drinnen war?“ Das ist Viganòs Ansatz als Regisseur und Theatermann: Sich und andere einem Prozess auszusetzen, bei dem man nicht weiß, was am Ende rauskommt.

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Stereo Typ Mo., 24.08.2015 - 14:39

"... sind bei seiner Akademie fix angestellt, mit regulären Arbeitsverträgen." Das sollte ein Beispiel für andere Arbeitgeber sein. Arbeit ist Arbeit, Kunst ist Kunst - ohne Unterschiede. Alles Gute den Theatermachern!

Mo., 24.08.2015 - 14:39 Permalink