Nachdenken
Die Aktion „Bäume setzen für die Bienen“ soll den Bienen konkret helfen und zum Nachdenken anregen. Die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete am 8.8.2015 darüber.
Ich bohre nach, denn der Stand der Honig- und Wildbienen ist ein entscheidender Bioindikator für das Gleichgewicht der Kultur- und der Naturlandschaften. Der Schweizer Markus Imhof weist in seinem preisgekrönte Dokumentarfilm „More than Honey“ anschaulich nach, dass die Faktoren rund um das Bienensterben (das gilt für die Honigbienen und für die wilden Bestäuber genauso) mit dem menschlichen Wirtschaften zusammenhängen.
Die Honigbienen, wie wir sie heute kennen, sind hochgezüchtete Nutztiere. Sie werden massenhaft und in industriellen Verfahren vermehrt und vermarktet. Ihr Immunsystem ist geschwächt, wenn man sie mit den Wildbienen vergleicht. Durch Antibiotika-Gaben, ständiges Verändern der Standorte und die stark mit Pestiziden behandelten Pflanzen, die die Bienen bestäuben, wirken sich Krankheiten auf die Honigbienen noch stärker aus. Die aus Südostasien eingeschleppte Varroa- Milbe dezimierte die europäischen und nordamerikanischen Honigbienen-Bestände drastisch, diese Bienen haben dagegen noch keine Abwehrstoffe entwickelt. Die Imker können nicht mehr tun als von vorne beginnen. Mit Honigbienen ist das möglich, Bienenzuchtfarmen oder eher Bienenzuchtindustrien – mit Landleben hat das nur noch wenig zu tun – liefern laufend Honigbienen nach.
Imker klagten zunächst in den U.S.A., dann in Frankreich über den Verlust eines ganzen Volkes, bei 30.000 bis 60.000 Honigbienen pro Kolonie und bei Berufsimkern mit vielen Stöcken ist das ein sehr großer wirtschaftlicher Schaden. Dazu kommt der Ausfall für die Landwirtschaft, wenn die vorgesehenen Einsätze in der Obst- oder Gemüseanlage ausfallen oder viel geringer erfolgen als geplant.
Eine ganze Reihe nationaler und internationaler Studien führt auf Pestizide als Hauptverursacher zurück: Was Obst und Gemüse vor Insekten schützen sollte, tötet oder schwächt auch die Bestäuber-Insekten.
Das eigentliche Bienensterben betrifft aber die Wildbienen. Die meisten Arten leben nicht in Kolonien und stellen daher keinen Honig her, sondern ernähren ihre vergleichsweise wenigen Nachkommen allein. Im Vergleich zu den Honigbienen fliegen sie viel weniger weit. Sie leben „frei“, ohne künstliche Nahrung und künstliche Unterkunft und reagieren daher empfindlicher auf Änderungen in der Natur. 52% der Wildbienen-Arten standen 2014 in Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Wichtigster Faktor ist der Verlust von Lebensraum und die reduzierte Artenvielfalt der Pflanzen. Die landwirtschaftlichen Monokulturen sind daher denkbar ungünstig. Die Eliminierung der alten als Hochstämme gehaltenen Sorten wie „Kalterer Böhmer“ bedeutet auch das Verschwinden von Nistlöchern und Verstecken.
Das systematische Beseitigen der „Unkräuter“, der Hecken und Saumpflanzen heißt für die Wildbienen, die sich auf ihre Blüten spezialisiert haben, keine Nahrung und keine Nistplätze. Planierungen und Begradigungen schädigen die bodennistenden Wildbienen. Ausbringen der Jauche der Mast- und Milchbetriebe und der Einsatz von Mineraldünger verändern die Vegetation, nur die stickstoffresistenten Pflanzen überleben, die Vielfalt der Pflanzen nimmt sehr schnell und sehr drastisch ab. Auf Wiesenblüten angepasste Wildbienen verhungern. Manche Arten sind auf die Heumahd angewiesen, nachdem die Pflanzen einige Zeit blühen konnten. Erfolgt der Schnitt zu früh, blühen ihre Nahrungspflanzen noch nicht. Das kann eine ganze lokale Population vernichten.
Wildbienen bestäuben nicht nur Wildpflanzen. Der Tiroler Bienenexperte Timo Kopf erklärt, an einem weitgehend natürlich belassenen Abschnitt des Etschufers im Unterland habe er so große Bestände an Wildbienen feststellen können, dass sie getrost die Obstbäume auf der ganzen Breite des Etschtales bestäuben könnten – könnten! Gegen die Konkurrenz der viel größeren und gleichzeitig aus dem Stock entlassenen Honigbienen setzen sie sich nicht durch, nicht in einer Apfelplantage, aber auch nicht in einem Naturschutzgebiet. Daher sollten Honigbienenstände nicht in die Nähe von „wilder“ Vegetation gebracht werden, sie fressen den Wildbienen den Pollen unter der Nase weg.
„Trees4bees“, die Idee Bäume als Futter für die Bienen und als Hoffnung für uns zu setzen, kann die gewaltigen Schäden der Monokultur nicht effizient ausgleichen. Auch die „Wildbienenhotels“ oder Balkonblumen sind nur Tropfen, wenn wir nicht die Lebensräume der Wildbienen zu erhalten vermögen. Die Initiative „trees4bees“ ist wie viele andere wichtig, uns aufzurütteln, damit wir uns informieren und Entscheidungen für die Artenvielfalt unterstützen.
Hinweise:
Der Beitrag wurde in
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Johanna Platzgummer verfasst!