Ebners Angriff
Es kommt durchaus vor, dass ein Südtiroler Unternehmer an die SVP schreibt. Aus Protest, aus Genugtuung oder als Dankesbekundung. In der Geschichte der Volkspartei ist es aber noch nie vorgekommen, dass ein Unternehmer den SVP-Parteiobmann und jedes Mitglied der Parteileitung an seiner Privatadresse anschreibt, um ihnen verbal die Rute ins Fenster zu stellen.
Bis jetzt. Denn in den vergangenen Tagen ging bei SVP-Obmann Philipp Achammer und den rund 20 Mitgliedern der SVP-Parteileitung ein Schreiben ein, das einer Briefbombe gleichkommt. Absender der undiplomatischen Depesche ist einer, der selbst ein Vierteljahrhundert lang Mandatar der SVP war und lange auch in der SVP-Parteileitung saß: Athesia-Direktor Michl Ebner.
In der SVP ist man ob der unerfreulichen Post des amtierenden Handelskammerpräsidenten sichtlich überrascht. Die Botschaft ist aber angekommen.
„Ich weiß nicht, ob ich den Brief als Hilferuf deuten soll oder als offene Drohung“, resümiert einer der Adressaten des Briefs.
„Knebelung der Pressefreiheit“Ich weiß nicht, ob ich den Brief als Hilferuf deuten soll oder als offene Drohung
Das Schreiben, verfasst auf dem Direktionspapier der Athesia AG, trägt das Datum „Bozen, im August 2015“.
Bereits in den ersten Zeilen geht Michl Ebner dabei in die Vollen:
„Am Sonntag 2. August 2015, bin ich informiert worden, dass SVP-Senator Zeller gegenüber gut informierten Personen erklärt hat, dass er in Rom dafür sorgen werde, das staatliche Verlagsförderungsgesetz so abzuändern, dass künftig die Dolomiten von der Förderung für Tageszeitungen in Minderheitensprache ausgeschlossen und die Neue Tageszeitung weiterhin gefördert werde“.
Ebner verweist in seinem Schreiben darauf, dass alle Regierungen, selbst die Regierung Berlusconi, bisher die Förderung von Minderheitenzeitungen unterstützt hätten. Es folgt ein mehr als klarer Wink mit dem Zaunpfahl:
„Sollte der SVP-Senator Zeller und SVP-Parteileitungsmitglieder eine Initiative für eine solche Änderung in die Wege leiten, so wäre das als Aktion im Parlament eine Initiative der gesamten Südtiroler Volkspartei“.
Irgendwann wechselt Michl Ebner im Schreiben dann in den Pluralis Majestatis:
„Wir empfinden die Äußerungen des SVP-Senator Zeller nicht nur völlig unpassend und gegen die bisherige Haltung von allen Regierungen und eines Großteils der Opposition. Aber auch als eine Form der Knebelung der Pressefreiheit sowie eine eindeutige Maßnahme, die dem Artikel 6 der italienischen Verfassung sowie dem Sprach- und Minderheitenschutz in unserem Land widerspricht.“
Wir, das sind die Familie Ebner, deren Verlag Athesia und die Tageszeitung Dolomiten. Und damit es auch verstanden wird, nochmals:
„Sollte eine solche Maßnahme, von wem auch immer, in Zukunft in die Wege geleitet werden, wissen wir, welcher Urheberpartei die Dolomiten und die Athesia dies zu verdanken haben. Dem SVP-Bezirksobmann Karl Zeller und mit ihm, der gesamten Volkspartei.“
Es ist nicht die Tonart für freundliche Grüße. Deshalb steht am Ende nur:
„Dies zu Ihrer Kenntnisnahme. Michl Ebner, Athesia AG.“
Ebners-Brief: Sogar die Verfassung wird bemüht.
Der HintergrundDas einzige Mitglied in der SVP-Parteileitung, das den geharnischten Ebner-Brief noch nicht erhalten hat, ist derjenige, um den sich die ganze Aufregung dreht: Karl Zeller. „Ich habe diese Sätze so nie gesagt“, dementiert der Meraner SVP-Senator gegenüber salto.bz die Aussagen, die ihm von Michl Ebner unterstellt werden. Und fügt dann hinzu: „Sehr wohl habe ich aber gesagt, dass in Rom derzeit die Überarbeitung der Zeitungsförderung ansteht und dass sich damit einiges verändern dürfte.“
Die Medienförderung und vor allem die großzügige Förderung großer Verlagskolosse aber auch der verschiedenen Parteizeitungen sind seit langem ein politischer Zankapfel. Schon Premier Enrico Letta hat eine Kürzung der Beiträge angekündigt. Die Regierung Renzi will jetzt die Materie überarbeiten.
SVP-Senator Karl Zeller: „Ich habe diese Sätze so nie gesagt“.
Bereits im August sollte das Thema ins Parlament kommen. In den nächsten Wochen wird es jetzt soweit sein. Das Ziel: Kammer und Senat sollen ein Ermächtigungsgesetz erlassen, in dem die großen Richtlinien für eine Reform enthalten sind. Die Regierung erarbeitet daraus einen Gesetzesvorschlag, der dann vom Parlament abgesegnet wird. „Wir werden uns im Herbst damit befassen, bis die neue Regelung aber in Kraft tritt, vergeht sicher noch ein Jahr“, meint Karl Zeller.
Das ist der politische Hintergrund, auf dem das Ebner-Schreiben an die SVP-Pateileitung fußt. Daneben gibt es aber auch einen finanziellen, wirtschaftlichen Hintergrund, der die Athesia und Michl Ebner bei diesem Thema besonders nervös macht.
Die Medienförderung wird in Italien direkt vom Ministerratspräsidium vergeben. Dort gibt es das „Dipartimento per l'informazione e l'editoria“, das jährlich staatliche Beiträge anhand verschiedener gesetzlicher Vorgaben verteilt. So werden Zeitungen, die von Journalisten-Genossenschaften herausgegeben werden und Zeitungen, die für Italiener im Ausland gemacht werden, genauso gefördert, wie Parteizeitungen. Jahrelang hat so die SVP-Parteizeitung „ZiS“ aus Rom bis zu einer Million Euro jährlich erhalten.
Das für Südtirol relevante Gesetz fußt auf der Unterstützung von Zeitungen in Minderheitensprachen. Es ist eine Förderung, die der Tageszeitung der Slowenen in Triest, dem „Primorski dnevnik“ und der Dolomiten sowie der Neuen Südtiroler Tageszeitung in Südtirol zu Gute kommt.
Jahrzehntelang bekam die „Athesia Druck GmbH“ so jährlich rund 1,6 Millionen Euro für die Tageszeitung Dolomiten. Weil die Beiträge nach Auflage und Kosten gestaffelt sind, bekam die Neue Südtiroler Tageszeitung nicht einmal die Hälfte davon. Was Ebner besonders bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass die staatliche Förderung im Laufe der Jahre nicht nur gekürzt wurde, sondern sich auch das Verhältnis zur Tageszeitung verschoben hat. Und das nicht zu seinen Gunsten.
Im Jahr 2011 bekamen die Dolomiten 1.641.066,11 Euro an Förderung. Die Tageszeitung 619.528,26 Euro. 2012 waren es für die Dolomiten nur mehr 1.163.922,91 Euro und für die Tageszeitung 642.845,83 Euro.
Die letzten veröffentlichten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2013. Die Dolomiten bekamen 2013 908.640,84 Euro an staatlicher Zuwendung und die Tageszeitung 501.851,09 Euro.
Athesia-Direktor Michl Ebner: Ohne Staatsbeitrag wird es für die Dolomiten eng.
Dass Michl Ebner wegen der Gelder aus Rom so nervös ist, liegt auch am fragilen Geschäftsgang der Athesia Druck GmbH. Schaut man sich die Bilanzen der letzten Jahre an, so wird deutlich, dass dieser Staatsbeitrag das Unternehmen mehrmals knapp in die Gewinnzone geführt hat.
Ohne Staatsbeitrag wird es durch die Krise auf dem Inseratenmarkt auch für die Dolomiten eng.
Die Ironie der Geschichte und die größte Anmaßung Michl Ebners ist aber, wenn der Athesia-Direktor in seinem Schreiben „die Knebelung der Pressefreiheit“ anführt. Verständlich wird das, wenn man zwei Jahrzehnte zurückblendet. 1996 entstand aus dem damaligen Wochenmagazin „südtirol profil“ die Neue Südtiroler Tageszeitung (anfänglich als Tagesprofil). Es ist von Anfang an klar, dass die Zeitung nur dann überleben kann, wenn auch sie die staatliche Presseförderung bekommt.
Kaum jemand in der SVP traute sich damals in Rom, etwas dafür zu tun. Im Gegenteil, Michl Ebner und seine Parteikollegen versuchten alles, damit das Konkurrenzblatt nicht in den Genuss der staatlichen Förderung kommt. Man wollte einen Passus einführen, der die Förderung auf die auflagenstärkste Minderheitenzeitung beschränkt.
Es war am Ende der grüne Trentiner Kammerabgeordnete Marco Boato, der in direkten Verhandlungen mit dem damals zuständigen Staatsekretär Arturo Parisi die Förderung für die Tageszeitung im Alleingang durchsetzte.
Grüner Parlamentarier Marco Boato: Gegen Ebner und die SVP die Förderung der Tageszeitung durchgesetzt.
Sehr zum Missfallen von Michl Ebner. Auch später versuchte die Athesia mehrmals mit Eingabe die Staatsförderung für die Tageszeitung zu kippen.
Doch daran denkt der Athesia-Direktor nicht mehr, wenn er jetzt die Pressefreiheit bemüht.
Dass Michl Ebner im Schreiben so frontal Karl Zeller angeht, dürfte aber auch mit den Ereignissen rund um die Brennercom AG zusammenhängen. Karl Zeller hat mit der authentischen Interpretation im Senat dem Athesia-Boss und seinen Mitstreitern einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht.
Offiziell will sich niemand in der Partei zum Ebner-Brief äußern. Zwar schüttelt der Großteil der Empfänger des Schreibens auf Nachfrage nur den Kopf, doch offen zu reden, getraut sich (fast) niemand. Die Macht des Medienhauses Athesia ist immer noch zu groß. Kein SVP-Politiker will sich das Tagblatt der Südtirol zum Feind machen.
Dennoch hat man Michl Ebner mit der größten Strafe belegt. Auf der Sitzung der SVP-Parteileitung an diesem Montag war das Schreiben kein Thema. Die SVP-Führung denkt auch anscheinend nicht daran, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen.
Für einen, der glaubt, immer noch die wichtigste Personen in diesem Land und in der SVP zu sein und der seine persönlichen Interessen als Unternehmer mit dem Schutz der Minderheit verwechselt, gibt es nur eine Höchststrafe.
Und das ist die Nichtbeachtung.
Wie gut, dass es zu den
Wie gut, dass es zu den staatlichen Förderungen auch noch all die Mittel vom Land ... gibt.
Höchste Zeit dieses System (auch auf der Grundlage einer veränderten Medienlandschaft mit "salto" .... ) mal grundsätzlich auf dem Prüfstand zu stellen. Das könnte man als "Auftrag" aus dem Brief dieses Herrn ja auch herauslesen - oder?
Antwort auf Wie gut, dass es zu den von △rtim post
Meines Wissens (lasse mich
Meines Wissens (lasse mich gerne eines Besseren belehren) ist auch Salto auf direkte und indirekte Finanzspritzen der öffentlichen Hand angewiesen.
Große A-Löcher verbreiten
Große A-Löcher verbreiten Scheiße, kleine hingegen sagen: "MAHLZEIT!"
Liebe SVP, der Andi hat
Liebe SVP, der Andi hat gesagt das der Karl was schlimmes gesagt hat. Ihr seit alle gemein.
Stilsicher und effektiv. Darf so ein Dolm weiter Handelskammerprese sein? Zum schamen.
Antwort auf Liebe SVP, der Andi hat von Dr. Streiter
Indeed.
Indeed.
Bei dieser Geschichte sollten
Bei dieser Geschichte sollten doch ausnahmsweise mal alle Medien, ob online oder nicht, doch auf Ebners Seite sein. Selbst di Luca hat kürzlich in einer Diskussion mit mir das Abschaffen der öffentlichen Förderungen für Medien angeprangert.
So ganz scheinen sich die Journalisten da nicht einig zu sein.
Il finanziamento pubblico
Il finanziamento pubblico tiene a galla molti giornali, non solo quello di Mr. Ebner. Toglierlo significherebbe sfoltire il "boschetto mediatico" di molte piante, non sempre quelle che danno i frutti peggiori, anzi. Che una completa liberalizzazione del campo dell'informazione porti - per magia o selezione naturale - al silenzio dei mediocri e a un potenziamento della voce degli eccelsi (categorie evidentemente soggettive e quindi inutilizzabili) è un pio desiderio, un mito, una fandonia.
Gli altri giornalisti di
Gli altri giornalisti di salto.bz si rallegrano molto di questo commento e hanno deciso di prendersi un anno di vacanze. Tanto... ;)
Antwort auf Gli altri giornalisti di von Gabriele Di Luca
Ma veramente al momento chi
Ma veramente al momento chi fa giornalismo del personale salariato su salto tranne Franceschini? Il resto è poco più che riciclaggio da altri giornali locali.
Das einzige was die Dolomiten
Das einzige was die Dolomiten noch mehr fürchten muss als die Kürzung von öffentlichen Förderungen wäre eine Steuer auf Todesanzeigen.
Antwort auf Das einzige was die Dolomiten von gorgias
Viel einfacher: per Gesetz
Viel einfacher: per Gesetz verfügen das Todesanzeigen kostenlos geschalten werden müssen ;-)
Ich bin nicht immer einer
Ich bin nicht immer einer Meinung von Christoph Franceschini, aber es ist schade wenn er in Südtirol als professioneller Investigativjournalist fast alleine dasteht.
Konsequentes Handeln möchte
Konsequentes Handeln möchte ich Dr. mag. iur. Michl Ebners Vorpreschen bezeichnen. Zum besseren Verständnis dieser meiner Auffassung möchte ich die vom ehemaligen österreichischen Nationalratspräsidenten, Andreas Khol, öffentlich gemachte Aussage erinnern, wonach sich in Südtirol eine Zeitung eine Partei hält, während andern Orts das Gegenteil in der Regel der Fall sei. Wenn nun dem so wäre, dann hätte der Athesia-Chef selbstverständlich auch der Partei gegenüber ein Weisungsrecht. Und das hat er wahrgenommen. Laut einer früheren Beurteilung Christoph Pans, ist Michl Ebner eine der schillerndsten Unternehmerpersönlichkeiten der provinz.bz.it. Gleichsam als politisches Gegengewicht stand ihm über viele Jahre hinweg ein alles überstrahlender Stern am Himmel gegenüber. Zwei Pole, die sich gegenseitig abwechslungsweise abstiessen und anzogen. Ein Phänomen das unter Dr. mag. iur. Kompatscher eine erkennbare Fortsetzung erfährt. Daher sehe ich die staatliche Minderheiten-Medienförserung überhaupt nicht in Gefahr, insofern die SVP diesbezüglich überhaupt etwas zu sagen haben wird.