Dass man in Anbetracht eines verheerenden, aber hierzulande wenig beachteten Erdrutsches bei San Vito di Cadore, das vorletzte Woche mehrere Menschenleben gekostet hatte, eine sicherere Straßenverbindung durchs Val Boite fordert, ist nur zu logisch. Dass man in dem Zusammenhang gleich Sätze wie „sviluppare un’alternativa parallela al Brennero nel Bellunese è indispensabile“ zu hören bekommt, erinnert an zum jährlichen Sommerloch wiederkehrenden, untoten Urbedürfnis Venetiens, sich dem Bayrischen Raum wirtschaftlich anzunablen, wenn bloß diese Alpen samt Konvention nicht überall im Wege stünden.
Wesentlich konkreter und steter tropft aber die Valdastico Nord den Stein. „Puntuale come un treno svizzero“ zum jährlichen Sommerloch. Aber nicht nur. Stetig tropfen Luca Zaia und der in der Sachfrage auffallend gleichziehende Abtrünnling Fabio Tosi den Trentiner Widerstand mürbe. Sind beide für saloppe Sprüche bekannt, gewinnen die Details aber schon an Gewicht, wenn man sie offiziell auf der Homepage der Region Venetiens zu lesen bekommt:
Il Cipe prende atto dell’intesa tra Regione Veneto e Provincia autonoma di Trento sul prolungamento a Nord dell’autostrada Valdastico e dà il via alla costituzione del Comitato paritetico tra Stato, Regione Veneto e Provincia autonoma che dovrà analizzare le ipotesi progettuali e verificare tutte le condizioni per la fattibilità dell’opera. […] Il Comitato paritetico Stato-Regione-Provincia, una volta costituito, avrà 45 giorni di tempo per verificare le condizioni dell’intesa e la migliore soluzione per dare uno sbocco a nord alla viabilità veneta. La soluzione individuata sarà poi sottoposta all’esame del CIPE nei successivi 30 giorni.
Sowohl der Trentiner PD als auch LH Ugo Rossi haben nie an ihrem Kontra einen Zweifel aufkommen lassen, manchmal wortstark wie Gegenspieler Zaia, meist aber taktisch diplomatisch. Bei Rossi konnte man in letzter Zeit jedenfalls ein gewisses Nachlassen der Wortstärke beobachten. Konnte er sich noch gegen das Nordportal bei Besenello und auch gegen die Projektevariante bei Rovereto stemmen, scheint Rossi bei der Variante Trento Sud einzuknicken. Siehe Interview.
Als Mattia Frizzera neulich auf Salto nachhakte, was denn unser Arno Kompatscher zum Thema zu sagen hätte, ist seine rein rhetorische Frage völlig unbeantwortet geblieben. Verständlich. Die Südtiroler Opposition hat die Valdastico Nord noch nicht als Thema für sich entdeckt. Für die einen sind Trento Sud und Valsugana jenseits des geografischen Horizonts, die anderen, man könnte meinen, hätten höchst ökosozial Autobahnthemen generell an den guten Gurgiser Fritz im Norden delegiert, wohl wissend, dass man es sich anderenfalls mit unserem freie Fahrt liebenden Handelskammerpräsidenten verscherzen würde. Zum Thema befragt, stänkert man lieber in vollem Bewusstsein.
Aber nein, hier geht es nicht um ein Geplänkel auf Landesebene. Hier geht es um höhere Politik. Wenn in den Medien Verkehrs- und Infrastrukturminister höchstpersönlich als Mediator ins Spiel gebracht werden, dann geht es natürlich nicht primär um die A31, sondern um die A22 Konzession. Nach „gelungerer Mediation“ seitens Maurizio Lupis und Graziano Delrios verkündet das Landespresseamt euphorisch den Deal mit der In-House-Gesellschaft und liefert wohl als Antithese zur aktuellen Brennercom-Äffaire gleich die Zahlen mit, dass 83 Prozent der Brennerautobahn in der öffentlichen Hand liegen, und dass die verbleibenden knapp 17 Prozent der Privaten irgendwie enteignet werden müssen. Zwar wird es uns immer so verkauft, als wären Kompatscher und Rossi die unbegrenzten Herrscher über die A22, aber unsere Region und Provinzen halten zusammen gerade einmal 45 Prozent der Autobahngesellschaft. Zählt man die Gemeinden Bozen und Trient und die beiden Handelskammern mit, kommt man auf 54%. Der Rest gehört den Provinzen Verona, Mantua, Modena, Reggio Emilia bzw. deren Hauptorte und Handelskammern. Dass die Mediation um die A31 mit der Mediation um die A22 Konzession in unmittelbarem Zusammenhang steht, titelt der l’Adige:
Trento dice sì alla Valdastico per avere la concessione A22
Ein sehr lesenswertes Interview mit Flavio Tosi lässt so allerhand Beunruhigendes durchblicken. Tosi, der als Veronas Bürgermeister, Europaparlamentarier und Verwaltungsmitglied der A4 Holding seit den Regionalwahlen elf Prozent aller Venezianer hinter sich weiß, hat Einfluß auf fast 13 Prozent der A22-Aktien (Anteil der Provinz, Gemeinde und Handelskammer Verona). Als Wortführer der Poebene-Aktionäre erweitert sich der Einfluss auf 28 Prozent. Und 17 Prozent werden wie bekannt bald auf dem Markt sein. Tosi ist zutiefst gekränkt, dass sein Liebkind der Serenissma A4 an den spanischen Investor Abertis verhökert werden soll, und zwar bereits innerhalb der nächsten drei Monate. Wen wundert’s, dass er um sein Tafelsilber kämpft und zu Protokoll gibt:
L'A22 compri la A4 per evitare che la Serenissima diventi spagnola.
Angetoßen hatte die Debatte ursprünglich PD-Senator Giorgio Tonini in einem Tweet
Società A22-A4 e soldi alla ferrovia.
Dass daraus ein “Società A22-A4 e soldi alla A31” werden könnte, bestreitet Ugo Rossi zwar. “Lo Stato lo ha sempre detto che era un’opera strategica e addirittura prioritaria. Tonini si informi.”, aber die Geister wurden bereits gerufen.
Um den Kreis zu schließen, muss man wissen, dass die A4 Holding auch Eigentümer der A31 und somit Projektant der Valdastico Nord ist. Man möge sich vorstellen, die Konzession der A22 würde auf weitere 30 Jahre zur Querfinanzierung des Brennerbasistunnels verlängert, während ein Großteil des Schwerverkehrs via Valdastico in die Hände spanischer Investitoren gespült wird. Sollte die Valdastico Nord nicht verhinderbar sein, täten Rossi und Kompatscher also gut daran, die A31 unter die Fitiche zu bekommen. So entsteht der Eindruck, es gehe wohl nicht mehr ums ob sie gebaut wird, sondern nur noch ums wie teuer man sie sich zahlen lässt. Die Mediation wird es zeigen...