Gesellschaft | Sensibilisierung

Billig um jeden Preis?

Am Stegener Markt gab es am letzten Tag unschlagbar günstige Angebote, "dank Ausbeutung und Pestizideinsatz". Eine Aufrüttel-Aktion. Die Reaktionen? "Schockierend."

Eine 6er-Packung Eier um 50 Cent, 200 Gramm Kaffee um 1,50 Euro oder eine Keckspackung um 25 Cent? Dazu Mineralwasser, Bananen und Schokolade – alles zu unschlagbar günstigen Preisen. Das gab es am dritten Tag des Stegener Markts, der am heutigen Mittwoch zu Ende geht. Doch das, was sich nach wahren Schnäppchen anhört, war in Wirklichkeit eine Aktion von oew, Weltläden und youngCaritas. Mit ihrem “Cheaper Shop” wollten die drei Organisationen testen, wie leicht sich die Marktbesucher von Billigangeboten locken lassen und bedenkenlos zugreifen, obwohl sie auf ironische Weise von den VerkäuferInnen eigentlich davon abgehalten werden sollten.


Billig um jeden Preis?

Denn die Marktstandbetreiber waren in Wirklichkeit MitarbeiterInnen der oew, Weltläden und youngCaritas. Sie machten den vorbeigehenden Menschen Mut zum Kauf der Billigstprodukte, mit Versprechungen wie: “so günstig im Angebot mit Hilfe von Kinderarbeit und unfairen Produktionsbedingungen”. Dazu wurden den potentiellen KäuferInnen Bilder von arbeitenden Kinder gezeigt, von großflächigen Landenteignungen in Afrika, vom billigen Wasserquellenkauf und sinkendem Grundwasserspiegel berichtet. Dafür würden sie “den armen Menschen” ein bisschen Arbeit geben, auch die Kinder bekämen ein paar Cent im Monat und einige Flaschen Wasser alle paar Tage. Weiters sagten die VerkäuferInnen, sie seien froh, die Menschen in der “Dritten Welt” ausbeuten und bedenkenlos Pestizide einsetzen zu können, was in Europa längst verboten sei. Schließlich ginge es einzig darum, die Produkte in Südtirol so günstig wie möglich anzubieten.

“So billig dank Ausbeutung und Umweltzerstörung.” Der Cheaper-Shop-Stand am Stegener Markt. Foto: oew

Was die Marktbesucher nicht wussten: Die Produkte wurden eigens für den Cheaper-Shop am Stegener Markt von lokalen Produzenten kostenlos zur Verfügung gestellt. Ziel der Aktion war es eigentlich, auf den fairen Handel als respektvolle und gerechte Handelsalternative hinzuweisen – mit einem Schuss Ironie. Doch die Rechnung ging nicht ganz auf.


Kaum Sensibilität

Denn die Ironie wurde nicht immer verstanden, wie die Initiatoren nach der Aktion resümieren. Verena Gschnell von der oew zeigt sich überrascht und schockiert zugleich von den Reaktionen der Menschen: “Viele waren einfach nur froh, günstig und viel einkaufen zu können”, berichtet sie. Den Kaufenden seien die Fotos von ausgebeuteten Kindern egal gewesen, die Erzählungen über die Produktentstehung hätten sie nicht interessiert. “Einzig bei den Eiern, die die VerkäuferInnen als von rumänischen Legehennen stammend und auf engstem Raum lebend anpriesen, zeigten sich die Leute sensibel und lehnten den Kauf oft ab”, sagt Gschnell. “Bei den Produkten, bei denen die Menschen keinen Bezug zu Anbau und Produktion haben, griffen sie hingegen bedenkenlos zu.”

Vor allem bei älteren Leuten hat man wenig Bedenken beim Kauf der billigen Lebensmittel gespürt: “Junge Menschen sind aufmerksamer”, meint Sabrina Ebhöfer von der youngCaritas. So hätten einige gesagt, sie ließen sich nicht auf den Arm nehmen, obwohl die VerkäuferInnen mit den Werten “ehrlich” und “transparent” warben. “Schließlich bieten auch andere Händler Produkte an, die unter ausbeuterischen Bedingungen entstanden sind, allein der Cheaper-Shop steht dazu”, erklären die AktivistInnen. Allerdings habe es auch Besucher gegeben, die den Marktstandbetreibern das Konzept der Weltläden erklärt und gemeint hätten, eine solche Art von Handel zerstöre die Welt.


“Wir haben noch viel zu tun”

“Nachdem die Menschen ihren Einkauf getätigt hatten, klärten MitarbeiterInnen der Südtiroler Weltläden über die Absicht hinter dem Cheaper-Shop auf”, erläutern die AktivistInnen. Die Reaktion? “Manche schämten sich, andere verwiesen darauf, dass auch andere billig eingekauft hätten.” Die Koordinatorin Brigitte Gritsch ist trotz der Überraschung über die Skrupellosigkeit mancher Menschen über die Erfahrung am Stegener Markt froh. Sie sagt: “Wir haben noch viel zu tun, um den Menschen verständlich zu machen, dass sie mit jeder Kaufentscheidung darüber bestimmen, wie Anbauer leben und überleben können.”

Etwas tun will auch das Land Südtirol. Am Freitag, 30. und Samstag, 31. Oktober, lädt das Amt für Weiterbildung zu einer Aktion, die gut zu jener am Stegener Markt passt. Unter dem Motto “von Mensch zu Mensch” startet man am kommenden Freitag und Samstag zu einem “Bildungsüberfall” am Bozner Kornplatz ein (Uhrzeit: jeweils von 10 bis 16 Uhr). “Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, der Konfrontation mit neuen Herausforderungen wie Migration, Wirtschaftskrisen, Datenüberwachung, Rassismus und Klimawandel, sind die Menschenrechte ein wichtiger Anker einer demokratischen und lebendigen Zivilgesellschaft”, erklärt man die Aktion. Und auch wenn sie häufig kritisiert werden, böten sie doch einen Rahmen für die Bewusstseinsbildung zu aktuellen menschenrechtlichen Problemlagen. Man lernt nie aus.

Tolle Aktion, kenne ähnliche Aktionen aus Deutschland.
Der Konsument hat eben mehr macht als er glaubt, einfach nur Forderungen an die Produzenten stellen (Landwirtschaft und Handel) ist zu wenig, nur wer als Konsument gewissenhaft entscheidet trägt dazu bei eine bessere Welt zu machen.
Mit der "geiz ist geil" Mentalität anderen Vorwürfe machen bringt uns nur zerstörte Umwelt und ausgenützte Menschen.
Unsere Welt ist wertvoll deshalb kostet es etwas sie zu erhalten, sollten alle dran denken wenn sie Lebensmittel (Mittel zum Leben) kaufen.

Fr., 30.10.2015 - 07:58 Permalink