Über das Impfen
1. Was sind Impfungen?
Die erste Impfung erfolgte durch Zufall. Personen, die viel mit Kühen zu tun hatten, erkrankten selten bis nie an Pocken. Man fand heraus, dass der Kontakt mit Kuhpocken zu einer Immunität gegen "Menschenpocken" führte. Findige Ärzte machten sich das zunutze und verfeinerten diese Impfung. Grundlage dafür ist die Funktionsweise unseres Immunsystems: Unser Körper erkennt körperfremde Stoffe und hält diese zuerst in Schach, um Zeit für die Antikörperproduktion zu gewinnen. Dabei werden Millionen von Kombinationen ausprobiert bis ein Antikörpertyp gefunden wird, der den Erreger neutralisieren kann. Dieser muss nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zum Erreger passen. Da der Erreger von Kuhpocken ähnliche Andockstellen aufweist wie der Erreger der "Menschenpocken" kann der menschliche Körper nach Kontakt mit den Kuhpocken auch schneller auf die „Menschenpocken“ reagieren, da er bereits passende Antikörper parat hat. Insofern ist eine Impfung nichts anderes als ein Fahndungsbrief für den menschlichen Körper, mit dessen Hilfe er wesentlich schneller auf Erkrankungen reagieren kann.
2. Welche Impfstoffe gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Lebend-Impfstoffen, Tot-Impfstoffen und Toxoid-Impfstoffen. Lebend-Impfstoffe bestehen aus dem Erreger einer Krankheit, der abgeschwächt wurde und somit dem Körper kaum mehr was anhaben kann. Es besteht jedoch das Risiko, dass der Erreger stark genug ist, um die Erkrankung in vollem Maße auszulösen. Dies ist eine mögliche Komplikation von Lebendimpfstoffen. Ein Beispiel dafür wäre die Impfpolio, welche bei einem Kind von einer bis zwei Millionen Geimpften auftritt. Inzwischen gibt es auch gegen Polio einen Tot-Impfstoff. Tot-Impfstoffe bestehen meist aus komplett abgetöteten oder zerstückelten Erregern, die dem Menschen nichts mehr anhaben können. Sie haben den Nachteil, dass die Immunisierung meist aufgefrischt werden muss. Man erklärt sich das damit, dass die Impfstoffe "unnatürlicher" sind und der Körper deshalb auch eine etwas andere Immunreaktion zeigt. Hier werden auch oft sogennante Adjuvantien verwendet, um die Immunreaktion zu verstärken. Wie diese wirken, ist auch in Forscherkreisen umstritten. Zuletzt bekam man diese Diskussion in Zusammenhang mit der Schweinegrippe öffentlich mit. Toxoid-Impfungen beinhalten nicht die Merkmale des Erregers selbst, sondern die Merkmale der vom Erreger produzierten Gifte (Toxin => Toxoid). Lehrbuchbeispiel dafür ist der Tetanus-Impfstoff. Das Problem bei Tetanus ist nicht der Erreger -ein im Boden lebendes Bakterium- sondern die von ihm produzierten Gifte. Der Impfstoff hilft dem Körper, Antikörper gegen diese Gifte zu bilden und diese somit umgehend zu neutralisieren.
3. Wann sind Impfkampagnen sinnvoll?
Das ist die wohl wichtigste Frage. Nicht jede Impfung ist überall sinnvoll. Grundsätzlich hat die Ausrottung der Pocken gezeigt, welche Tragweite großangelegte Impfaktionen haben können. Es gibt Erkrankungen, die kann man mit guten Impfkampagnen ausrotten. Masern und Hepatitis B zählen dazu. Prinzipiell kann man jene Krankheiten ausrotten, die nur beim Menschen vorkommen. Bei Erkrankungen, die auch bei Tieren vorkommen können, geht das nicht. Man spricht von einem "Tierreservoir". Man müsste auch alle Tiere impfen, was unmöglich ist. Ich würde deshalb sagen, eine Impfpflicht bei Erkrankungen wie Masern und Hepatitis B macht Sinn, da man so künftigen Generationen eine Impfung erspart. Die Überlegungen für den Impfplan sind meist statistischer Natur. Nehmen wir als Beispiel die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (kurz MMR) her: Masern ist eine relativ gefährliche Erkrankung. Masern zeichnen sich durch eine sehr hohe Ansteckungsgefahr aus. Ohne Impfung würden 99% der Kinder erkranken. Etwa eines von 1000 Kindern mit Masern, bekommt eine Encephalitis (Hirnentzündung) und etwa ein Kind aus 20.000 erkrankten Kindern bekommt in Folge der Masern eine sogenannte "Slow Virus Infection". Diese führt etwa sieben Jahre nach Erstkontakt mit Masern unweigerlich zum Tod. Man kann also sagen, die Vorteile der Masernimpfung überwiegen eindeutig die Nachteile. Dasselbe gilt für Mumps: die klassische Komplikation ist Unfruchtbarkeit. Röteln können bei Frauen in der Schwangerschaft zu Problemen führen. Bei Erkrankungen wie FSME (Hirnhautentzündung in Folge von Zeckenbissen) oder Gebärmutterhalskrebs (HPV-Impfung) sieht es etwas anders aus. Bei diesen und einigen anderen Impfungen gibt es zusätzliche Faktoren, wie etwa die Verbreitung, die betroffenen Altersgruppen, oder Eigenschaften der Krankheit selbst, welche auch in sinnvolle Überlegungen einkalkuliert werden müssen.
4. HPV-Impfung - Paradebeispiel für die kontroverse Diskussion um Impfungen
Humanes Papilloma Virus ist häufig Ursache von Gebärmutterhalskrebs und Genitalwarzen. Die Impfung gegen HPV wurde in den letzten Jahren öffentlich sehr stark beworben. Zum Vergleich: In Österreich sterben jährlich 150 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, ca 1500 Frauen sterben an Brustkrebs. 2011 starben in Österreich insgesamt 9400 Frauen an Krebs. Studien konnten bisher belegen, dass man Genitalwarzen mit einem der zugelassenen Impfstoffen eindämmen kann. Für Gebärmutterhalskrebs gibt es jedoch noch keine Zahlen, da dieser erst 10-40 Jahre nach Erstinfektion mit HPV auftritt. Allerdings konnte bereits nachgewiesen werden, dass die Anzahl der Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses zurückgegangen sind. Diese Vorstufen werden durch den PAP-Test gefunden und bei Bedarf operativ entfernt. Die Anzahl dieser Eingriffe (Konisationen) ist bereits zurückgegangen. Diesbezüglich gibt es Daten aus Australien. In Australien wurde massiv für die HPV-Impfung geworben, da eine Verwandte des damaligen Präsidenten an Gebärmutterhalskrebs verstarb. Welche Überlegungen sollte ein junger Mensch (Männer können sich auch impfen lassen) machen? In erster Linie geht es um eine Risikoabschätzung: Wenn ich viele wechselnde Sexualpartner habe, steigt die Wahrscheinlichkeit mit HPV in Kontakt zu kommen. Kinder sind in der Regel noch nicht infiziert, weshalb die Impfung für Kinder empfohlen wird. Wie schaut es jedoch für Menschen aus, die bereits sexuelle Kontakte hatten? Studien zeigten, dass auch Mädchen, welche bereits mit einem Subtyp von HPV infiziert wurden, einen Nutzen von der Impfung hatten, da sie so vor den anderen Subtypen geschützt sind, wenngleich die Wirkung auch nicht so hoch ist, wie bei Kindern ohne Infektion. Das heißt also, wenn ich viele wechselnde Sexualpartner habe, profitiere ich eher von einer Impfung als wenn ich monogam lebe - gesetzt der Partner lebt auch monogam. Wenn ich mit Kondomen verhüte sinkt mein Risiko ebenfalls. Im Endeffekt muss jeder sein eigenes Risiko selbst einschätzen und entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Von polemischen Formulierungen wie "If you don't like the vaccine, try the desease!" halte ich nicht viel. Wichtig ist, die Menschen richtig zu informieren.
5. "Impffaulheit"
Durch die Impfungen wurden Krankheiten wie Masern etc. sehr stark dezimiert. Kurioserweise treten in letzter Zeit Masern und andere Kinderkrankheiten etwas häufiger bei älteren Menschen auf. Letzten Sommer wurde in einem Südtiroler Krankenhaus ein Patient mit Masern zu drei Konsiliarvisiten geschickt, bis die Masern richtig diagnostiziert wurden! Dadurch dass diese Krankheiten nun sehr selten geworden sind, haben Ärzte auch weniger Erfahrung damit. Zusätzlich wird die Diagnose durch das höhere Alter der Patienten erschwert, da man bei Erwachsenen nicht an "Kinderkrankheiten" denkt. Aus diesem Grund sind Auffrisch-Impfungen wichtig.
Ein zusätzlicher Faktor, den ich erwähnen möchte: Mit der Muttermilch bekommt ein Säugling auch Antikörper der Mutter, die ihm einen sogenannten Nestschutz bieten. Deshalb sagt man gemeinhin, Kinder bis ca. ein Jahr bekommen keine Kinderkrankheiten. Man stelle sich eine junge Frau vor, die nie geimpft wurde und nie an einer entsprechenden Krankheit erkrankte. Ihr Neugeborenes erhält dann bei der Geburt und während der Stillzeit keine Antikörper und ist somit in den ersten Lebensmonaten schutzlos. Man kann also sagen dass eine geimpfte Mutter ihren Schutz temporär an ihr Kind weitergibt, während die Kinder von nicht erkrankten und nicht geimpften Frauen in dieser sensiblen Phase keine Abwehr haben.
6. Welche Nebenwirkungen können Impfungen haben?
In der Fachliteratur wird zwischen leichten, zeitlich begrenzten und zwischen schweren Nebenwirkungen unterschieden. Zu den leichten Nebenwirkungen zählen leichte Schmerzen an der geimpften Stelle sowie evt. eine Rötung und Schwellung. Auch leichtes Fieber kann durchaus auftreten, was aber nicht weiter beunruhigen sollte. Das Immunsystem wird durch die Impfung einfach zum arbeiten angeregt. Es gibt leider auch schwerere Nebenwirkungen. Beispielsweise kann ein Arzt, der nicht weiß wo er hinsticht, einen Nerv verletzen. Es besteht auch die Gefahr einer Infektion, wie bei jeder Verletzung der Haut. Im Unterschied zu Verletzungen bei der Gartenarbeit oder beim Spielen im Gebüsch wird die Einstichstelle desinfiziert, wodurch das Risiko minimiert wird. Auch beinhalten Impfstoffe Substanzen, die zu allergischen Reaktionen führen können, im schlimmsten Fall zum anaphylaktischem Schock. Aus diesem Grund werden Impfungen von Ärzten durchgeführt, damit im Fall der Fälle schnell reagiert werden kann. Einen solchen allergischen Schock erleidet laut Studien ein Geimpfter von zwei Millionen.
7. Was ist mit anderen Nebenwirkungen?
Im Internet geistern sehr viele andere Nebenwirkungen herum. Diese reichen von banalem Heuschnupfen bis hin zu Erkrankungen wie Multiple Sklerose und HIV. Man muss sich hier vor Augen führen, dass wir alle nur subjektive Beobachter sind und Kausalitäten lieben. Aktion => Reaktion. Seit jeher sucht der Mensch Erklärungen. Aus Donner wird so der Hammerschlag des Thor. Aus der Krankheit des Kindes die Strafe Gottes. Ich vermute auch bei den Impfungen ist es so. Wir müssen zwischen Kausalität und Koinzidenz unterscheiden. Stichwort Storch und Neugeborene. Wenn man den klinischen Studien und Beobachtungen der Fachgesellschaften glaubt, konnten die meisten vermuteten Nebenwirkungen ausgeschlossen werden.
8. Adjuvantien
Während der Schweinegrippe wurde sehr kontrovers über Adjuvantien diskutiert. Adjuvantien sind Stoffe, die meist Totimpfstoffen beigemengt werden, um die Immunreaktion zu verstärken. Diese erhöhen aber auch das Risiko für Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen. Auf diesem Gebiet wird zur Zeit intensiv geforscht, da sich die Wissenschaft nicht einig ist. Besonders strittig sind zur Zeit die Aluminiumoxide sowie das mit dem Schweinegrippeimpfstoff verwendete Squalen.
Abschließend möchte ich noch ein paar Sachen sagen: Die Impfthematik wird meist sehr emotional und dogmatisch diskutiert. Ironischerweise habe ich die Impfnebenwirkungen nachgeschlagen und in meinem Lehrbuch keine richtige Auflistung gefunden. Es gab nur diffuse Hinweise, dass es zu Rötungen etc. kommen kann. Auch verstehe ich die Angst davor, irgendwelche Cocktails gespritzt zu bekommen. Wichtig ist ein offener Umgang mit Impfungen. Impfungen sind ein Segen. Es muss aber garantiert werden, dass die Impfstoffe geprüft werden und regelmäßigen qualitativen Kontrollen unterliegen. Impfkritiker dürfen nicht als Spinner abgetan werden. Nur Verwaltungsstrafen zu kassieren, wie es in manchen Bezirken Südtirols Usus ist, bringt nichts. Man muss das Gespräch mit den Menschen suchen. Gerade bei Familien ausländischer Herkunft mangelt es oft einfach an Informationen -nicht nur fachlicher Natur, auch organisatorischer. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Ausländer ihre Kinder eigentlich impfen lassen würden, aber nicht wissen, wann sie wohin gehen sollen. Irgendwann trudelt der Brief mit der Verwaltungsstrafe ein und die Betroffenen fallen aus allen Wolken. Das darf nicht unser Anspruch sein.
Dogmantische Impfgegener
Als erstes möchte ich dir zu diesem Artikel gratulieren. Er ist sehr informativ und ich habe eine Menge neues erfrahren.
Was den Impfkritikern angeht, so ist das eine Frage der Abwegung der Risiken, ob eine bestimmte Impfung sinnvoll ist und oder nicht. Sind die Chancen für gravierende Folgen aber 1 zu 2.000.000 so würde ich aus gesundheitspolitischen Erwägungen Impfzwang vorsehen und bei zuwiederhandeln mehr als eine einmalige Verwaltungsstrafe vorsehen.
Es gibt aber neben Impfkritiern, die zurecht nicht jede Impfung in allen Fällen für sinnvoll halten, auch fanatische Impfgegner, die da eine Verschwörung der Pharmaindustrie wittern und Imfungen kategorisch ablehnen. Bei dieser Gruppe von Personen befürchte ich dass sie beratungsresistent ist.
Quecksilber in Impfstoffen?
Oliver, Kompliment zum Artikel!
Kannst du mir sagen was an den Behauptungen dran ist, dass den Impfstoffen auch Quecksilber u.ä. beigemengt wird?
Ich glaube gerade bei dem Grippeimpfstoffen soll das der Fall gewesen sein.
Ich bin grundsätzlich fürs Impfen, die Vorteile sind unbestreitbar. Nur diese Zusatzstoffe beunruhigen mich (und viele andere).
Wütend machen mich diese fanatischen Impfgegner, die ihre Kinder absichtlich nicht impfen und dadurch vor allem die Gesundheit der Kinder anderer Familien gefährden.
Oliver recherchiert gut, wie
Oliver recherchiert gut, wie üblich. Von einer Verschwörungstheorie seitens der Impfgegner zu sprechen, halte ich allerdings wieder einmal für eine "den Yeti gibts doch"-Überlegung. Denn schon allein der Wahnsinn der Schweinegrippenimpfung sollte einen eines Besseren belehren. Die Pharmakonzerne beeinflussen Ärzte, Politik, Wissenschaft, Bildung ecc., das kann man nicht mit dem Hinweis auf die "Verschwörungstheorie" abtun. Die Skrupellosigkeit der Vorgehensweise macht skeptisch, in allen Bereichen inzwischen und verunsichert.
Antwort auf Oliver recherchiert gut, wie von no name
Verunsicherung
vor allem, und die gründet wohl in dem Wissen um die (skrupellose) Beeinflussung. Man weiß einfach nicht mehr, wem man was glauben kann.
Masern mit 18
Jetzt aber: Seit Tagen laufe ich der Lektüre dieses Beitrages hinterher, jetzt habe ich’s endlich geschafft. Ich gehörte nie zu den militanten Impfgegnern, gegen Masern, Röteln, Mumps habe ich meine Tochter aber seinerzeit nicht impfen lassen ("hatten wir ja alle auch"). Die Risiken einer Ansteckung samt Folgen schienen mir überschaubar. Jedenfalls wurde meine Tochter letztes Jahr und 18jährig von den Masern befallen (man wird da übrigens ziemlich allein gelassen), und ich habe mich erst da einigermaßen intensiv mit der Krankheit auseinander gesetzt inkl. Komplikationen und Langzeitfolgen... da bleibt nur noch ein Häufchen Elend und Angst übrig von dir: Die Selbstvorwürfe, die ich mir machte, reichen für die nächsten 300 Jahre, und noch heute schüttelt’s mich beim Gedanken, auch an die beiden Krankheits-Höhepunkt-Tage-und-Nächte, als meine Tochter wegen des Fiebers mehr weg gesunken als präsent war, ich hätte mich gegeißelt und gesteinigt gleichzeitig, wenn’s gegangen wäre, und wünschte nichts sehnlicher, als dass ich sie hätte impfen lassen. Wir haben’s gut überstanden, und ich hoffe, dass wir von Langzeitfolgen wie der von dir erwähnten slow virus infection verschont bleiben, allerdings weiß ich immer noch und trotz allem nicht, ob die Impfung der bessere Weg gewesen wäre, auch oder vielleicht hauptsächlich, weil man nie genau weiß, ob man jetzt manipuliert oder informiert wird.