Prophet der Krise
Bernd Senf entspricht nicht gerade dem Klischee eines Volkswirtschaftsprofessors im Ruhestand. Weder in seinem spartanischen, leicht ätherisch anmutendem Aussehen noch in den Dingen, die er sagt. Mit Sätzen wie „Der Zinseszins ist ein problematisches Etwas“ bewegt sich der Anhänger des Psychoanalytikers und Sexualforschers Wilhelm Reich definitiv jenseits des wirtschaftstheoretischen Mainstreams. Werden Zinsen dort als segensreicher Regulator der Marktwirtschaft gesehen, warnte Senf in seinem Buch „Der Nebel um das Geld“ beispieslweise schon Mitte der Neunziger Jahre vor der langfristig destruktiven Wirkung des Zinseszinses, also der Verzinsung von in der Vergangenheit angehäuften Zinsen.
Denn, so seine Theorie, dieser Mechanismus, führe zu einem exponentiellen Wachstum von Vermögen – das wiederum nach ebenso exponentiell wachsenden Schulden sowie einem ähnlich rasanten Wirtschaftswachstum verlange. Da dies in einer Welt begrenzter Ressourcen und nicht beliebig ausdehnbarer Absatzmärkte unmöglich sei, werde es irgendwann eng. Und zwar spätestens dann, wenn das Sozialprodukt stagniere oder gar zurückgehe. „Denn dann beanspruchen die Zinslasten einen immer größeren Teil des Sozialproduktes und der Kampf um den immer kleineren Teil, der zu Verteilung übrig bleibt, verschärft sich“, sagt Senf.
Ein Ansatz, der bei der Veröffentlichung seine Buchs 1996 noch mehr oder weniger belächelt wurde. Spätestens mit dem Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise bestätigte die Realität jedoch viele seiner Prophezeiungen – und Bernd Senf wurde zum gefragten Autor und Vortragenden. Die Aufzeichnung und Veröffentlichung seiner Vorträge im Internet machte ihn vor allem zum Höhepunkt der Finanzkrise zu einer Art Internetstar, wie er selbst sagt. „Meine Vorlesungen zu den Ursachen der Weltfinanzkrise wurde teilweise über 100.000 Mal angeklickt.“ Mittlerweile finde sich auf seiner Homepage auch spanische oder gar russische Übersetzungen seiner Theorien zu Zinsen, Geldschöpfung oder der Verselbstständigung spekulativer Finanzmärkte.
Auch auf den Brixner Tagen der Nachhaltigkeiten werden seine Kritik am herrschenden Geldsystem sowie mögliche Alternativen am 25. Mai im Mittelpunkt eines ganztägigen Seminars zum Thema „Zinseszins, Geldschöpfung und Spekulation“ stehen. Doch wo sieht der unkonventionelle Ökonom überhaupt Auswege aus der derzeitigen wirtschaftlichen Sackgasse? Einer seiner Vorschläge: die Schaffung einer Monetative, die neben der Exekutive, Legislative und Judikative als vierte Säule der Staatsgewalt für die Geldschöpfung zuständig ist - und sich dabei nicht wie vor allem die US-amerikanische Zentralbank oder die Geschäftsbanken an privatwirtschaftlichen Interessen, sondern am Gemeinwohl orientiert, wie er meint. „Somit hätte man die Möglichkeit, Geld auf völlig andere Art als bisher in den Wirtschaftskreislauf zu bringen und beispielsweise dem Staat zinsfreies Geld zur Verfügung zu stellen.“
Unabhängig von solchen Vorschlägen geht es Bernd Senf aber vordergründig darum, immer mehr Menschen die Dynamik und Spielregeln des herrschenden Systems bewusst zu machen. „Denn hier gibt es schon viel zu lange eine kollektive Verdrängung, die es schwer macht, eine breite Diskussion über die notwendigen Alternativen anzuregen“, meint er.
Was die Massen und die
Was die Massen und die Wahrheit anbetrifft hier ein Zitat:
“Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.” (Gustave Le Bon)
Und wer jetzt noch nicht aufgewacht ist, sollte sich vielleicht dieses Zitat verinnerlichen:
Die Wenigen, die das System verstehen, werden dermaßen an seinen Profiten interessiert oder so abhängig von seinen Vorzügen sein, dass aus ihren Reihen niemals eine Opposition hervorgehen wird. Die große Masse der Leute aber, geistig unfähig zu begreifen, wird seine Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne je Verdacht zu schöpfen, dass das System gegen sie arbeitet.” (Gebrüder Rothschild, London, 28. Juni 1863 an US-Geschäftspartner)
“Man kann sich nicht darauf verlassen, daß das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt, und wir müssen damit rechnen, daß das in verschiedenen Weisen sich wiederholen kann.” (Angela Merkel)