Politik | Gesetzgebung

Private Rechtssubjekte

Beim neuen Verwaltungsgesetz haben wir über Sprache diskutiert. Und sind dabei an die Grenzen des "Bestimmbaren" gestoßen. Für wen verwaltet und "vereinfacht" wird.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Kürzlich wurde im Gesetzgebungsausschuss der Gesetzentwurf  mit dem handlichen Titel "Regelung des Verwaltungsverfahrens und des Rechts auf Zugang zu den Verwaltungsunterlagen sowie Bestimmungen im Sachbereich der Publizität, der Transparenz, der digitalen Verwaltung, der Verwaltungsdokumente, der Veröffentlichung von Verwaltungs- und normativen Akten sowie zur Einrichtung des Schalters für die Beziehungen zur Öffentlichkeit (Allgemeines Verwaltungsgesetz)" genehmigt.

Das Gesetz ist eine Anpassung an staatliche Vorgaben und soll einige Verbesserungen für die BürgerInnen im Zugang zur öffentlichen Verwaltung bieten.

Neben Fristen und Abläufen, neu eingeführtem Bürgerschalter (gut!) und Regelung des Interessenskonfliktes (ebenfalls gut, wenn auch mit Einschränkung für Kleingemeinden), Organisationseinheiten und Ersatzbefugnissen, Transparenz und Sachverhaltsermittlungen drehte sich die zähe, titelgerecht sperrige Debatte zu Recht um die Sprache. Mit einer guten Dosis Arroganz versteifte sich die Mehrheit darauf, einen schwer verständlichen  Text abzusegnen und Unlesbarkeit als juristische Notwendigkeit auszulegen.

Da wurde ganz schön gelehrmeistert. So wies ich etwa darauf hin, dass Rechte wie "Die Einleitung des Verfahrens wird allen Personen mitgeteilt, gegenüber denen die abschließende Maßnahme direkte Wirkungen erzeugt und allen, die kraft Gesetzes beitreten müssen. Die Eröffnung des Verfahrens wird weiters jenen bestimmten oder leicht bestimmbaren Personen mitgeteilt, denen aus der abschließenden Maßnahme ein Nachteil erwachsen kann.“ von den gemeinten Personen wohl kaum wahrgenommen werden könnten, weil sie vielleicht gar nicht wissen, dass sie "bestimmt oder bestimmbar" sind. Sonnenklar sei das, hieß es. Man müsse halt wissen, dass es eine Fachsprache gebe, von der man nicht abgehen könne.

Dabei gibt es nichts Veränderlicheres und Veränderbares als die Sprache. Und Verwaltung wird erst "offen", wenn sie auch in einer Sprache spricht und schreibt, die alle verstehen (Übrigens war das einer der Grundsätze im Amt für Weiterbildung, in dem ich 10 Jahre lang gearbeitet habe und das diesbezüglilch immer schon besonders sensibel war). Beginnend bei den Gesetzestexten. Dass sich Präzision und Verständlichkeit nicht ausschließen, sondern nur eine geistige Öffnung und Bereitschaft zur Arbeit an Sprache benötigen, wurde als Argument vom Tisch gefegt.

Entsprechend war es nicht möglich, die von öffentlichen Verwaltungsakten Betroffenen als "Nutzerinnen und Nutzer" oder "Nutzende" zu bezeichnen, anstelle sie mit der im Text gängigen Benennung "private Rechtssubjekte" (!) zu apostrophieren.

Auch der Vorschlag, die Grundsätze des Gesetzes in eine allgemein verständliche Sprache im Sinne der Nutzerfreundlichkeit (pardon: der Freundlichkeit gegenüber privaten Rechtssubjekten!) zu übertragen, erhielt nur eine einzige Stimme: meine eigene.

Die oft gehörten Bekenntnisse zu Demut und Bürgernähe sind verhallt, verblasst die Versprechen der Erneuerung. 

Politik erweist sich wieder einmal als tragisch innovationsresistentes Feld, bürokratisch überdüngt und vom alten Geist der Machtmonotonie durchzogen. Manchmal habe ich Sehnsucht nach den fruchtbaren und kreativen Stätten, die ich vom Leben vor der Politik kannte und in denen Neues definitiv mehr Raum fand.

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Werner Wallnöfer Sa., 05.03.2016 - 16:44

Ich glaube, die Formulierungsvorschläge von Frau Foppa würden zum Gegenteil von dem führen, was sie selbst will.

Ich greife nur kurz den Vorschlag auf, nachdem immer "Nutzer" zu verwenden sein soll statt anderer Formulierungen (heute im Gesetz meist "Betroffene" und "Gegenbetroffene").

Nämlich vermag "Nutzer" ausschließlich dann zuzutreffen, wenn jemand einen Antrag an die Verwaltung stellt: zum Beispiel, wenn jemand ein Stipendium beantragt.

Immer dann aber, wenn die Verwaltung von Amts wegen tätig wird - und das ist häufig der Fall - oder auf Antrag einer gegeninteressierten Privatperson, dann wäre die Verwendung des Wortes "Nutzer" ein wahrer Hohn für den - eben - Betroffenen. Ein Beispiel: Eine Bar in der Fußgängerzone hat die Bewilligung erreicht, auf Gemeindegrund Gartentische aufzustellen. Aus Sicht der Bar nebenan zuviel; sie beantragt deshalb eine teilweise Rücknahme der Bewilligung, um selbst mehr Tische aufstellen zu können. Beide privaten Rechtssubjekte sind in diesem Fall nicht ernsthaft als "Nutzer" zu bezeichnen, schon gar nicht die Bar, die riskiert in ihren Rechten beschnitten zu werden. Es wäre zynisch, sie als "Nutzer" zu bezeichnen, sie hat ja eigentlich jedes Interesse, dass es kein Verfahren gibt, das sie alles andere als "nutzen" will, sondern zu Fall. Das selbe gilt für eine Menge anderer Verfahren, die darin münden, dass den Betroffenen nicht Rechte verliehen werden, sondern genommen (Bsp. Enteignung).

Auch das Wort "Bürger" mag einfach klingen, schafft aber relevante Probleme, die nur zu lösen wären, wenn man über Aufruf verschiedener anderer Bestimmungen ordentlich interpretiert. "Private Rechtssubjekte" schließt alle Personen ein, die nicht zur öffentlichen Verwaltung gehören. Alle. "Bürger" hingegen verlangt, zu fragen: Auch Vereinigungen von Bürgern? Auch Unternehmen? Auch andere als Staatsbürger? Auch Staatenlose? Auch nicht anerkannte Vereine?
Sicherlich, über dem Interpretationsweg wäre das leicht lösbar, aber eben nicht einfach.

Die einfache Sprache wird in Gesetzen niemals der Vielfalt des Lebens gerecht werden. Das Gesetz hat aber den Anspruch, lückenlos zu formulieren, auch wenn es damit gleich kompliziert wird, wie das Leben selbst.

Sa., 05.03.2016 - 16:44 Permalink
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Albert Hofer Sa., 05.03.2016 - 18:30

Ein grundsätzlich sehr richtiges und wichtiges Anliegen, nur konzentriert sich Frau Foppa (ebenso wie der den Artikel kommentierende Herr Wallnöfer) auf das falsche Sachgebiet. Der wahre Knackpunkt bei Gesetzestexten, der Laien verständnislos zurücklässt, ist im Normalfall gar nicht die Terminologie, sondern die Syntax. Anders gesagt: Die Texte sind einfach fürchterlich schlecht geschrieben.

Ich nehme an, es geht bei der Debatte um folgenden Gesetzesvorschlag: http://www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_391259.pdf

Ich greif dort mal ein beliebiges Beispiel heraus:

"Ist angesichts der Dauer des Verwaltungsverfahrens, der Art der geschützten öffentlichen Interessen oder der besonderen Komplexität des Verfahrens eine längere Frist für den Abschluss des Verfahrens unabdingbar, wird mit Beschluss der Landesregierung, der auf der digitalen Amtstafel des Landes zu veröffentlichen ist, eine andere Frist festgelegt."

Wer findet, dass das nach Latein-Übersetzungsdeutsch klingt, der liegt damit nicht ganz falsch. Rechtshistorisch sind solche syntaktisch verschachtelten Sätze auf das Ideal der Ciceronianische Periode zurückführbar. Mit dem Problem halt, dass Latein und Deutsch anders funktionieren, und dass Cicero für Eliten schrieb, Gesetzestexte in Theorie aber auch für einfache Bürger verständlich sein sollten. Ich versuch jetzt einfach mal obigen Text in normales, verständliches Deutsch rüberzukriegen:

"Es gibt Fälle, in denen eine längere Frist für den Abschluss des Verfahrens gewährt werden kann:

a) bei einer länger als üblichen Dauer des Verwaltungsverfahrens,
b) wenn bestimmte öffentliche Interessen geschützt werden müssen,
c) bei einer besonderen Komplexität des Verfahrens.

Wenn sich die Landesregierung für eine Verlängerung der Frist entscheidet, muss sie den entsprechenden Beschluss auf der digitalen Amtstafel des Landes veröffentlichen."

Ich glaube nicht, dass hier terminologisch irgendetwas verloren ginge. Es geht nur darum, Informationseinheiten richtig zu verpacken. Anderes Beispiel aus dem Originaltext:

"Für Sachverhalte, Status und persönliche Eigenschaften, die für ein Verfahren erforderlich sind sowie für Sachverhalte, die die betroffene Person direkt kennt, ausgenommen nur jene laut Absatz 8, müssen die Organisationseinheiten der Körperschaften laut Artikel 1/ter Absatz 1 an Stelle
der vorgeschriebenen Unterlagen eine von der betroffenen Person unterschriebene Erklärung akzeptieren."

Wäre es wirklich so ein Drama, wenn sich die Juristen dazu herabließen, das ein bisschen weniger verdreht zu formulieren? Etwa:

"Bei manchen Angaben ist anstatt der vorgeschriebenen Unterlagen eine von der betroffenen Person unterschrieben Erklärung ausreichend. Dazu zählen:

a) Sachverhalte, Status und persönliche Eigenschaften, die für ein Verfahren erforderlich sind,
b) Sachverhalte, die die betroffene Person direkt kennt.

Prinzipiell müssen die Organisationseinheiten der Körperschaften laut Artikel 1/ter Absatz 1 bei solchen Angaben Eigenerklärungen akzeptieren. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in Absatz 8 aufgezählt."

Ohne Anspruch auf 1000%ige Korrektheit, nur mal so als Idee, wohin die Reise gehen sollte. Dafür gibt es übrigens schöne Präzedenzfälle. Die niederösterreichische Bauordnung wurde in weiten Teilen "diskursiv" entwickelt, nämlich im Gespräch zwischen Juristen und Nicht-Juristen, und gilt daher als Musterbeispiel eines allgemeinverständlichen Gesetzestextes.

Sa., 05.03.2016 - 18:30 Permalink
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Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. So., 06.03.2016 - 03:48

Antwort auf von Albert Hofer

Gute Ideen, gute Vorschläge. Ich bin überzeugt von folgenden leider nie durchgezogenenen Verbesserungen der über-justifizierten Verwaltung:
a) Nicht-Juristen (ohne zu lange Erfahrung in dieser Tätigkeit) müssen Gesetzestexte vor Inkrafttreten revidieren und freigeben
b) Die Gesamt-Menge an Gesetzestexten muß ein (überschaubares) Limit haben, d.h. wenn neue Gesetze kommen, brauch es eine Bereinigung von alten obsoleten Gesetzen

So., 06.03.2016 - 03:48 Permalink