Gesellschaft | Offener Brief

Gesundheit vor Glyphosat

So lange die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat wissenschaftlich umstritten sind, soll dessen Neuzulassung vorsorglich nicht genehmigt werden, sagt die VZS.

Als “inakzeptabel” bezeichnet die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), dass Konsumenten und Konsumentinnen “weiterhin einer Substanz ausgesetzt werden, die von der Weltgesundheitsorganisation als ‘wahrscheinlich krebserregend’ eingestuft wird”. Die Rede ist von Glyphosat. Darüber, ob die Zulassung des Pflanzenschutzmittels EU-weit verlängert wird, trifft, nach einigen Verschiebungen, die EU-Kommission voraussichtlich Mitte Mai. Inzwischen hat sich das EU-Parlament am 13. April für die Verlängerung (für sieben Jahre und ausschließlich professionellen Einsatz) ausgesprochen. Eine Tatsache, die die VZS nicht so einfach hinnehmen will und sich in einem offenen Brief an den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, den Litauer Vitenys Andriukaitis, wendet. “Die Verbraucherzentrale Südtirol fordert: keine Neuzulassung von Glyphosat! Wissenschaftsstreit nicht zum Schaden der Verbraucher austragen”, so der Titel des Schreibens:


Sehr geehrter Herr Kommissar Andriukaitis,

das EU-Parlament hat erst vor wenigen Tagen vorgeschlagen, Glyphosat wieder zuzulassen, und zwar für einen kürzeren Zeitraum (7 Jahre anstatt 15), NICHT vor der Ernte und NICHT für private Verwender (Hausgärten). Glyphosat ist das am meisten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel weltweit. Durch die Entwicklung von gentechnisch veränderten herbizidresistenten Pflanzen, die gegen den Wirkstoff resistent sind, ist der Einsatz von Glyphosat insbesondere in Nord- und Südamerika noch weiter angestiegen.

Der massive Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft – aber nicht nur dort, auch im öffentlichen Grün und in privaten Gärten – führt nachweislich zu einer Belastung beim Menschen. Untersuchungen des Deutschen Umweltbundesamtes weisen in bis zu 60% der untersuchten Urinproben Rückstände von Glyphosat nach, die Belastung der Bevölkerung ist im Untersuchungszeitraum 1996 bis 2013 mit hoher Wahrscheinlichkeit angestiegen (Umweltbundesamt, 2016). Zwar sind die nachgewiesenen Konzentrationen gering – doch ist zu befürchten, dass Glyphosat bei einer stetigen und länger andauernden Einwirkung bereits in kleinen Dosen gesundheitsgefährdende Effekte auslösen kann. Eine Untersuchung des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland in 18 europäischen Staaten zeigt, dass in neun Ländern mehr als die Hälfte der untersuchten Urinproben von Großstädtern Glyphosatrückstände enthalten (BUND, 2013). Auch der Nachweis von Glyphosatrückständen in den meistgetrunkenen Bieren Deutschlands beweist, dass Rückstände von Glyphosat mittlerweise weit verbreitet sind (Umweltinstitut München e. V., 2016).

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ (Kategorie 2A) eingestuft. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kommen dagegen zur Einschätzung, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgehe. Mit der WHO-Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ sollte sich eine Diskussion über Grenzwerte eigentlich erübrigen, denn bei erbgutschädigenden Substanzen können selbst winzige Mengen große Schäden anrichten. Die Empfehlung der EFSA, den ADI-Wert für Glyphosat (acceptable daily intake = unbedenkliche tägliche Aufnahme) von bisher 0,3 auf 0,5 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht anzuheben, ist vor dem Hintergrund der WHO-Einstufung mehr als unverständlich. Neben der möglichen kanzerogenen Wirkung gibt es Hinweise darauf, dass Glyphosat zu Fehlbildungen bei Embryonen führen und hormonell wirksam sein könnte.

Aus Sicht der Verbraucherzentrale darf ein solcher Wissenschaftsstreit nicht auf dem Rücken und zum Schaden der Verbraucher und Verbraucherinnen ausgetragen werden. Die Verbraucherzentrale Südtirol appelliert daran, in Bezug auf die Entscheidung über die Zulassung von Glyphosat das europäische Vorsorgeprinzip (laut EU-Basisverordnung 178/2002) konsequent anzuwenden: solange die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat wissenschaftlich umstritten sind, muss im Zweifel zum Schutze der Verbraucher und Verbraucherinnen gehandelt werden. Ein Wirkstoff wie Glyphosat, für den es substanzielle Hinweise auf gesundheitliche Risiken gibt, darf nicht neuerlich zugelassen werden!

Die Verbraucherzentrale Südtirol begrüßt die Vertagung der Entscheidung über die neue Zulassung von Glyphosat auf voraussichtlich Mitte Mai 2016. Diese Vertagung gibt der EU-Kommission die Gelegenheit für eine umfangreiche und ausgewogene Analyse der gesundheitlichen Risiken von Glyphosat. Pestizide wie Glyphosat gehören nicht in Lebensmittel und nicht in den menschlichen Körper! Es ist inakzeptabel, dass Konsumenten und Konsumentinnen weiterhin einer Substanz ausgesetzt werden, die von der Weltgesundheitsorganisation als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wird.

Die Verbraucherzentrale Südtirol fordert Sie als zuständigen Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf, die Zulassung für Glyphosat nicht zu erteilen und das Mittel künftig zu verbieten, wie es das europäische Vorsorgeprinzip gebietet. Ein Risiko für die Gesundheit der Menschen darf nicht eingegangen werden.

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kurt duschek Sa., 23.04.2016 - 09:57

Der Schritt des Bauern und Grundbesitzers in Kastelbell, das Durchgangsverbot am Waalweg durchzusetzen, dies ist meiner Meinung richtig. Es ist dies das Eingeständnis, dass der Bauer selbst nicht sicher ist, ob er dem Waalwegbenützer nicht doch mit seiner "Spritzerei" ungewollt Schaden zufügt. Gleichzeitig hoffe ich und alle "Gegner" von Glyphosatspritzungen im Obstanbau, dass jetzt auch die Hoteliers, Tourismusvereine und der HGV sich auch in dieser wichtigen Frage mit einer Stellungnahme positionieren. Welche Meinung wird hier wohl der Präsident des HGV vertreten? Öffnung aller Waalwege und eventuelle Gefährdung unserer Südtirolbesucher ?

Sa., 23.04.2016 - 09:57 Permalink