Politik | Volksabstimmung Flughafen

Ohne Quorum geht’s besser

Die Volksbefragung zum Flughafen Bozen am 12. Juni zeigt es klar: wenn kein Beteiligungsquorum gilt, kann sich direkte Demokratie entfalten. Das könnte Gesetz werden.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Zum Boykott aufzurufen, wie es zuletzt Renzi beim italienischen Referendum vom 17. April getan hat, bringt nichts. Im Gegenteil: Gegner und Befürworter müssen alles mobilisieren, es gibt eine echte Auseinandersetzung, alle Medien befassen sich mit dem Thema, es gibt eine breite, offene Debatte, für manche schon eher zu viel des Guten. Doch das jetzt veröffentlichte Abstimmungsheft erfüllt die Erwartungen nicht.

Doch streng genommen gilt auch bei dieser Volksabstimmung, die laut Gesetz nur eine vom Landtag angesetzte Befragung (L.G. Nr.11/2005, Art. 16 Fakultative beratende Volksbefragung) das Quorum von 40%. LH Kompatscher hatte nur die Gnade, vorab anzukündigen, dass er das Ergebnis unabhängig vom Quorum anerkennen will. Im Übrigen hatte die SVP schon ihrem Landesgesetz vom Juni 2013 aufs Beteiligungsquorum ganz verzichtet. Warum also nicht definitiv diese demokratiefeindliche Regel ad acta legen? Warum spricht sich Kompatscher nicht generell für Volksabstimmungen ohne Quorum aus, nachdem diese Kampagne exemplarisch zeigt, wie kontraproduktiv ein Quorum ist?

Gelegenheit dafür hätte der Landeshauptmann und die ganze SVP noch vor der Sommerpause des Landtags bei der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur direkten Demokratie. Dort steckt nämlich ein Quorum wieder drin, muss aber nicht sein. Nicht vorgesehen ist hingegen das bestätigende Referendum auf weitreichende Beschlüsse der Landesregierung von Landesinteresse. Wiederum kann der Flughafen als Beispiel dienen, denn typischerweise werden solche Großprojekte von der Landesregierung entschieden. Demnächst steht ein neues Projekt mit dem Neubau der Jenesiener Seilbahn an. 2009 mussten die Bürger zum Umweg der Volksinitiative greifen, um eine Volksabstimmung über die Subventionierung des Flughafens zu erwirken. 2016 ist es nur dem guten Willen der Landtagsmehrheit zu verdanken, dass diese Volksbefragung am 12. Juni abgehalten wird. Um direkte Demokratie in Gang zu setzen und zu halten, braucht es aber nur geregelte Rechte, die die Bürgerinnen selbst in Anspruch nehmen können. Vor allem das bestätigende Referendum, sowohl auf Landesgesetze wie auch Landesregierungsbeschlüsse. Sonst können bei unsinnigen Großprojekten die Bürger von sich aus kein Veto einlegen. Darauf kommt es aber an.

Auch das amtliche Informationsheft für alle Abstimmungsberechtigten ist von der Landesregierung versprochen worden, im Schweizer Stil, also kurzgefasste Darstellung der anstehenden Sachfrage, Pro und Contra laut Positionen der Befürworter und Gegner, sowie Erläuterungen zum Verfahren der Volksabstimmung. Jetzt ist das Heft online, doch ohne den sachbezogenen Teil, also ohne die Argumente für und gegen den Flughafen. Nur das zur Debatte stehende Landesgesetz wird in eher positivem Licht dargestellt. Das ist kein faires Abstimmungsheft, und genau deshalb gehört auch dieser nicht unwichtige Aspekt im Landesgesetz zur direkten Demokratie genau geregelt, auch für Volksbefragungen. Wenn schon ein Abstimmungsheft, dann ein echtes.

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Benno Kusstatscher So., 15.05.2016 - 08:00

Wie zuletzt in den Niederlanden beobachtet verhelfen Gegner durch demonstrative Abgabe ihrer Gegenstimme den Befürworten zum Erreichen des Quorums und somit zum Erfolg. Das ist paradox. Wenn schon müsste das Quorum auf die Dafür-Stimmen angewandt werden, nicht auf die Beteiligung. Dann hätte es aber sehr wohl eine Funktion.

So., 15.05.2016 - 08:00 Permalink
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Franz Linter Do., 19.05.2016 - 15:46

Antwort auf von gorgias

Interessant sicher, aber eher in der Kategorie Verhinderung der direkten Demokratie. Als einer, der an der vermutlich italienweit einzigen Volksabstimmung mit Zustimmungsquorum in Brixen teilgenommen hat, erlaube ich mir dieses Urteil.

Zwar gibt es kein negatives Stimmgewicht, aber da nur die JA-Stimmen für das Quorum (=Gültigkeit der Abstimmung) gezählt werden, kann man die Vorlage nicht bindend ablehnen. Also ein KO-Kriterium für Bürgerinitiativen mit kleineren Themen, weil sie das Quorum nicht erreichen werden und ein Freibrief für Verwaltungen, wenn sie eine Abstimmung initiieren. Man braucht sich nur die erfolgreichen Abstimmungen in den Ländern ansehen, die ein Zustimmungsquorum verwenden.
Am besten als Gedankenspiel die Befragung zum Flughafen als eine Volksabstimmung mit Zustimmungsquorum auffassen.
Annahme 400.000 Wahlberechtigte. Bei 20% müssen 80.000 mit Ja stimmen und gleichzeitig müssen mehr Ja- als Nein-Stimmen sein. Stimmen weniger als 80.000 mit Ja, ist die Abstimmung ungültig und die Landesregierung kann tun was sie will, unabhängig wie viele Nein-Stimmen abgegeben wurden.
Ich glaube nicht, dass LH Komaptscher sich darauf einlassen würde. Übrigens das Quorum ist in Ländern, die ien Zustimmungsquorum einsetzen generell viel höher.

Do., 19.05.2016 - 15:46 Permalink
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Franz Linter Do., 19.05.2016 - 15:02

Wer kann mir den Sinn eines Quorums bei einer Volksbefragung erklären? Von vorne herein für die Verwaltung nicht bindend, wird sie dennoch mit einem Quorum bewehrt. Doppelt sich nicht an des Volkes Votum halten zu müssen?

Ist es wirklich eine Volksbefragung?
Da sich der LH klar positioniert hat, stellt er eine Frage, die er schon beantwortet hat und diese Frage ist eher eine Überzeugungsarbeit das Wählervolk auf seinen Seite zu ziehen, damit es bei einer Bestätigung der Flufhafenfinanzierung neben der Finanzierung selbst auch die Verantwortung für die Entscheidung übertragen bekommt.
Aus diesem Grund ist es schwierig ein neutrales Informationsheft zu erstellen. Besonders schlimm wird es am Beispiel "Was geschieht bei einem Nein?". Da geht es nicht um Meßwerte und Meßverfahren (LVA-Index vs. SEL-Index), sondern was die Landesregierung und die Parlamentarier in Rom tun werden, wenn das Wahlvolk nicht wie gewünscht entscheidet.
Ohne eine unabhängige (also nicht weisungsgebunden) Instanz wird es nicht gehen.

Do., 19.05.2016 - 15:02 Permalink
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Thomas Benedikter Mo., 23.05.2016 - 08:45

Der Sinn des Quorums, lieber Franz, ist die Erschwerung der Ausübung eines Bürgerrechts (Volksabstimmung) und die Beschränkung seiner Wirksamkeit. Es kommt der Einführung einer Beschlussfähigkeitsregel gleich, dort wo sie nicht hingehört, nämlich wenn das Volk entscheidet. Beschlussfähigkeit (z.B. 50% der Mitglieder eines repräsentativen Organ) braucht es bei Vertretungsorganen, die im Auftrag der Wähler oder der Basis handeln. Beschlussfähigkeit braucht es nicht, wenn der Souverän insgesamt selbstverantwortlich entscheiden kann. Deshalb gibt es auch kein Quorum bei Wahlen (fast nie). Es muss nämlich eine Vertretung am Ende des Wahltags gewählt sein und das Amt übernehmen.
Mit dem Quorum funktioniert direkte Demokratie immer nur beschränkt. Auch das Zustimmungsquorum weist dieselben Nachteile wie das Beteiligungsquorum auf: so z.B. können die Gegner zum Boykott aufrufen. Damit verbinden sich echte Gegenstimmen mit den üblichen 20-30% Nicht-Interessierten und Enthaltungen. Zum Glück wird beim derzeitigen Landes-DD-Gesetz nicht über diese unnütze Variante des Quorums diskutiert.
Du weist auch auf die Fragwürdigkeit des Instruments der Volksbefragung zu Recht hin, Franz, es gehört in einer gut geregelten Demokratie zu den weniger wichtigen Verfahren (wird in der Schweiz fast nie eingesetzt). Direkte Demokratie soll vom Bürger ausgehen, mit bestätigendem Referendum (Veto) odr Volksinitiative (Anregung). In diesem Sinn soll die Landesregierung bzw. der Landtag den Mut haben, eine Sachfrage mit Beschluss oder Gesetz zu regeln, und sie dann dem bestätigenden Referendum zu unterwerfen. Darum geht es: der Bürgerschaft die Möglichkeit zu geben, mit fairen Verfahren sein Veto einlegen zu können (nicht, wie du sagst, dem Volk einen Vorschlag zu unterbreiten, den man selbst schon beantwortet hat, und seine Umsetzung im Unklaren zu lassen).

Mo., 23.05.2016 - 08:45 Permalink