Duell der 2 Prozent
“Zum ersten Mal passiert es, dass ich bei einer öffentlichen Veranstaltung zu 98 Prozent mit dem Landeshauptmann überein stimme.” Als das Geständnis aus dem Mund von Riccardo Dello Sbarba fällt, geht der Diskussionsabend bereits seinem Ende zu. In einem gut gefüllten großen Festsaal der Gemeinde Bozen sitzt neben dem Grünen Oppositionspolitiker der erwähnte Landeshauptmann Arno Kompatscher. Zwischen den beiden, Gabriele Di Luca, der die Veranstaltung am Dienstag Abend moderiert. Es ist nicht schwer zu erraten, worüber Kompatscher und Dello Sbarba diskutieren: den Flughafen Bozen. Organisiert hat die zweistündige Diskussion der SGBCisl. “Als Gewerkschaft geben wir keine Abstimmungs-Empfehlung ab, sondern wollen unseren Mitgliedern die Möglichkeit bieten, sich gut über die Konsequenzen bei einem Sieg des Ja beziehungsweise des Nein zu informieren”, erklärt SGBCisl-Sekretär Michele Buonerba eingangs.
Sinnbildhaft stehen der Landeshauptmann und der Grüne für die beiden Fronten, die sich im Vorfeld der Flughafen-Befragung am 12. Juni formiert haben: der eine ein überzeugter Befürworter des Ausbaus, der andere ein entschiedener Gegner. Und dennoch herrscht am Dienstag Abend seltene Einigkeit. Etwa über die zusätzliche Belastung, die der Ausbau des Flughafens auf ein eh schon von Lärm- und Luftverschmutzung geplagtes Gebiet haben würde. “Kaum einen Grund zu widersprechen” hat Arno Kompatscher in dieser Sache den Bedenken der Grünen. Er habe aus diesem Grund bereits vor einem Jahr bei der Landesumweltagentur angefragt, um eine freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in die Wege zu leiten. Die Nachricht, die er damals erhalten hat: Eine vorsorgliche UVP ist vom Gesetz nicht vorgesehen, die Prüfung kann erst gemacht werden, sobald ein Projekt eingereicht wurde. An das nun eingeleitete UVP-Verfahren “haben wir uns zu halten, egal wie es ausgeht”, versichert Kompatscher.
Ein Blick nach Rom
Übereinstimmung gibt es zwischen ihm und Dello Sbarba auch darin, dass der Flughafen im besten Fall in öffentlicher Hand bleiben soll. “Das Land hat die Spielregeln festzulegen, für jeglichen Betreiber”, zeigt sich Dello Sbarba überzeugt. Ein zustimmendes Nicken beim Landeshauptmann. Der jedoch zu bedenken gibt, dass zwar auch ein privater Betreiber, der im Falle eines Ausstiegs des Landes den Flughafen übernehmen könnte, “nicht tun und lassen kann, was er will”. “Allerdings würde es dann nicht zu einer Selbstlimitierung, etwa im Hinblick auf Passagierzahlen und Umweltbelastung, kommen, wie wir sie als Land wollen”, so Kompatscher.
Dobbiamo sentirci liberi di votare sì o no, con la fiducia in una politica che farà il meglio della nostra volontà.
(Riccardo Dello Sbarba)
Doch während Dello Sbarba betont, dass im Falle eines Neins am 12. Juni das Land bestimmen könne, was mit dem Flughafen passiert – mit Verweis auf die Landesgesetzgebung und die Tatsache, dass der Flughafen Bozen als einer “von regionalem Interesse” in absehbarer Zukunft an das Land übertragen werde –, bremst Kompatscher: “Herr Dello Sbarba überschätzt unsere Gesetzgebungskompetenzen.” Die Konzession für den Flugbetrieb bleibe auch bei einer allfälligen Übertragung in den Händen des Staates, die Zweckbindung des Flughafenareals bestehen. “Rom wird die Dinge nicht so schnell aus der Hand geben”, ist der Landeshauptmann überzeugt. Im Gegensatz zum Land, das sich komplett aus dem Flughafenbetrieb zurückziehen will, sollte das Nein am 12. Juni gewinnen, wie Kompatscher mehrmals wiederholt. So weiterführen wie bisher, wie es Dello Sbarba in den Raum stellt, will der Landeshauptmann den Flughafen auf keinen Fall: “Wir werden nicht weiter Geld für etwas ausgeben, das nichts bringt.” Aktuell würden 5 Millionen Euro jährlich in einen Flughafen investiert, den zu Spitzenzeiten kaum 58.000 Passagiere im Jahr benutzen.
Wenn wir den Flughafen nicht weiter entwickeln, geht die Welt nicht unter.
(Arno Kompatscher)
Zahlen und die Frage der Verhältnismäigkeit
Mit 2,5 Millionen “und keinem Cent mehr” soll der Flughafen jährlich für fünf Jahre mit öffentlichen Geldern finanziert werden, sollte das Ja gewinnen. Eine verkraftbare Summe für den Landeshauptmann (“Wir sprechen hier von einer Ausgaben, die ein Prozent der öffentlichen Gelder für die Mobilität ausmachen”), auch angesichts der 120 Millionen Euro, die bisher in den Flughafen investiert wurden. Es ist nicht das einzige Mal, dass Kompatscher dazu anhält, bei der ganzen Flughafen-Debatte die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Zum Beispiel bei der relativ geringen zusätzlichen Luftverschmutzung, die der Ausbau mit sich bringe (“Nur rund ein Prozent der aktuellen Schadstoffbelastung im Bozner Talkessel”). Oder in Hinblick auf die Milliarden an Euro, die in Eisenbahnprojekte wie den BBT oder die überregionalen Zuganbindungen von öffentlicher Seite (Land, Staat, EU), investiert werden.
Gewinnt das Nein, ist die Politik in der Verantwortung, gemeinsam zu diskutieren, wie sie den Wählerwillen deutet und welche die beste Lösung ist.
(Riccardo Dello Sbarba)
Werden nach fünf Jahren, also bis 1. Jänner 2022 im Jahr 170.000 Passagiere erreicht, gibt es weitere 1,5 Millionen Euro in den Folgejahren. Daher brauche es die Verlängerung der Start- und Landebahn um 30 Meter auf 1.462 Meter (die Verlängerung um 138 Meter von aktuell 1.294 auf 1.432 Meter ist bereits genehmigt), erklärt Kompatscher – um größeren Flugzeugen zu erlauben, diese zu benutzen. Und um die angepeilten 170.000 Flugpassagiere im Jahr zu erreichen. “Wir gehen davon aus, dass die Bereitschaft der Fluggesellschaften, Bozen anzufliegen, nach der Pistenverlängerung steigt”, ist der Landeshauptmann überzeugt.
Tür zu?
Falls die 170.000er-Marke bis 2022 nicht erreicht, wird der Geldhahn bekanntlich zugedreht. “Wir haben im Gesetzentwurf, über den am 12. Juni abgestimmt wird, einen Notausgang geschaffen”, meint der Landeshauptmann. Doch diese Tür hofft er, nicht öffnen zu müssen. Denn er ist unbeirrbar davon überzeugt, dass der Nutzen eines erweiterten Flughafens gegenüber den Kosten überwiege. Vor allem, wenn man an die größere Erreichbarkeit denke, und den Mehrwert und die Vorteile, die diese für Wirtschaft, Tourismus, Kultur und auch die einheimische Bevölkerung schaffe. Im Gegensatz dazu wirft Riccardo Dello Sbarba die Frage auf, ob Südtirol wirklich diese Erreichbarkeit braucht. Im Bereich Tourismus gehöre das Land bereits zu den Spitzenreitern in Italien, ihm schwebt ein Modell nach dem Vorbild von Zermatt vor. In der erfolgreichen Schweizer Tourismusdestination gebe es keinen Flughafen und auch keine Autos. Ein Auflachen und Kopfschütteln beim Landeshauptmann: “Ein Vergleich zwischen Südtirol und Zermatt ist Demagogie und nicht seriös.”
In der SVP hätte es keine Mehrheit für eine Volksbefragung zum Flughafen gegeben, dass diese stattfindet, ist mir zu verdanken.
(Arno Kompatscher)
Dann kehrt wieder Einigkeit zwischen den zwei Kontrahenten ein. Beide rufen die Bevölkerung auf, am 12. Juni ihre Stimme abzugeben, “ohne schlechtes Gewissen”, fügt Dello Sbarba hinzu. Bevor er sein eingangs zitiertes Geständnis ablegt, mit den im Laufe des Abends vom Landeshauptmann getätigten Aussagen zu 98 Prozent übereinzustimmen. “Bei den restlichen 2 Prozent”, sagt Dello Sbarba, “geht es um die Frage ‘Ja oder Nein?’”.
Wer sind eigentlich die
Wer sind eigentlich die beiden Männer neben Gabriele di Luca?