Politik | Vorschlag für Bedingtes Mindesteinkommen

M5S will Mindesteinkommen mit Parallelwährung

„Reddito di cittadinanza locale“ nennt der Trentiner M5S seine neue Idee, mit der bedürftigen Bürgern und gleichzeitig den Trentiner Unternehmen geholfen werden soll.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Das am 4. Juli in Trient vorgestellte Projekt (Landes-Gesetzentwurf) ist allerdings kein bedingungsloses Grundeinkommen, soviel vorweg. Vielmehr geht es um ein erweitertes Konzept von Mindestsicherung. Armut trifft auch in Trentino immer mehr Menschen, Arbeitslosigkeit nimmt zu, immer mehr Unternehmen geraten in Krise. Die Gegenmaßnahmen der Provinz Trient, so K.Abg. Riccardo Fraccaro bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs, seien unzureichende Palliativeingriffe.

Zielgruppen dieser neuen Mindestsicherung seien die Familien mit mindestens 5 Jahren Ansässigkeit im Trentino mit einem Icef von höchstens 0,15 Punkten (Indicatore della condizione economica familiare, entspricht unserer EEWE). Die Anspruchsberechtigten erhalten als Einzelpersonen einen Landesbeitrag von 625 Euro monatlich, als Familie mit einem Kind 1.333 Euro. Es gehe nicht um eine Fürsorgemaßnahme, so Fraccaro, weil mit dem Beitrag eine Reihe von Verpflichtungen verbunden seien: die Bezieher müssten aktiv Arbeit suchen, sozial nützliche Tätigkeiten übernehmen oder berufliche Weiterbildung betreiben. Lehnt ein Bezieher dieses Landesbeitrags zweimal ein zumutbares Arbeitsangebot ab, würde der Beitrag sofort gestrichen. Also weit weg von der Bedingungslosigkeit.

Die eigentliche Innovation bringt der M5S mit der Verbindung dieses Beitrag mit einer neu einzuführenden Parallelwährung, den „trentini“. Damit soll das Geld im Land bleiben und der regionale Wirtschaftskreislauf gestärkt werden. Der neue Landesbeitrag zur Mindestsicherung soll nämlich nicht in Euro ausbezahlt werden, sondern den Beziehern auf einem eigenen Konto in „trentini“ gutgeschrieben werden. Die „trentini“ sind ein ausschließlich elektronisches Geld, das auf die Gesundheitskarte geladen wird und wie mit dem Bancomat für alle möglichen Zahlungen verwendet werden kann. Das hätte zudem den Vorteil der Nachvollziehbarkeit der Zahlungsvorgänge: die Bezieher dürften es nicht für abträgliche Konsumarten vom Spielcasino bis zum Superalkohol verwenden. Die Unternehmen können die „trentini“ für ihre Zwecke als Tauschmittel verwenden, doch nur dann für die Zahlung von Steuern, wenn sie ihren Rechtssitz im Trentino haben. Und gerade mit diesem Kunstgriff schafft der M5S die Verbindung zur Stärkung der lokalen Wirtschaft. Die „trentini“ zirkulieren als Parallelwährung notwendigerweise fast nur im Trentino. Jedes beliebige Unternehmen kann zwar „trentini“ annehmen und weiterverwenden, von Vorteil wären sie wohl nur für Unternehmen mit Sitz und Tätigkeitsgebiet im Trentino.

Im Trentino sollen nach Berechnung des M5S 16.400 Familien mit sehr geringem Einkommen in den Genuss dieser Maßnahme kommen, was die Provinz Trient nicht mehr als 89 Mio. Euro kosten würde. Heute beziehen nur 2.317 Familien für höchstens acht Monate das Mindesteinkommen, während 7.500 weitere Armutsbetroffene ausgeschlossen bleiben. Diese Landesausgaben kämen allerdings auf der anderen Seite wieder herein. Weil nämlich durch die Beihilfe 87 Mio. Euro an zusätzlichem Umsatz für Trentiner Unternehmen geschaffen würden, stiege das BIP des Trentino um 0,47% und damit auch die Steuereinnahmen des Landes.

Dieses Projekt für ein Mindesteinkommen in Parallelwährung versteht Fraccaro als soziale Maßnahme, die die regionale Wirtschaft stärke und damit allen zugutekäme: mehr lokale Konsumausgaben, Wachstum, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen. Offen bleibt allerdings die große Frage, ob eine solche provinziale Parallelwährung im Rahmen der italienischen und europäischen Geldordnung überhaupt zulässig ist und nicht gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Spätestens wenn eine Währung auch als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet wird – das tut es, wenn damit Steuern bezahlt werden - und nicht mehr nur Gutscheine für einen lokalen Kreis von Nutzern bildet, könnte ein Konkurrenzverhältnis mit dem Euro aufbrechen. Der M5S will jetzt Unterschriften für diesen Vorschlag sammeln und ihn auch als Petition einbringen (petizione).

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gorgias Do., 07.07.2016 - 21:33

> Spätestens wenn eine Währung auch als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet wird – das tut es, wenn damit Steuern bezahlt werden <
Diese Definition von gesetzlichen Zahlungsmittel ist falsch. Für ein gesetzliches Zahlungsmittel besteht auch Annahmepflicht, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Provinz Trentino alle im Einzuggebiet befindlichen Gewerbe dazu verpflichten kann diese Parallelwerbung anzunehmen.

Do., 07.07.2016 - 21:33 Permalink
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gorgias Do., 07.07.2016 - 21:40

Hier werden zwei Ideen auf einmal verkackt:
1. Das BGE, das es im Grunde nicht ist, sondern bedingt auf eine Bedarfsermittlung. Außerdem ist es stigmatisierend, weil man sofort erkennt, wer dieses Armengeld bezieht.

2. Parallelwährungen, denn damit diese wirklich funktioniert, ist es notwendig die Menge an den Bedarf für den lokalen Kreislauf anzupassen. Außerdem wird dadurch dass es nur als soziale Unterstützung ausbezahlt wird, die Idee von Parallelwährungen als Armengeld stigmatisiert.

Hier wurden zwei tolle Ideen verkackt.

P.S. Vieleicht hat MA doch recht mit dem faschistoid und die wahren Faschisten des 3. Jahrtausend sind nicht Casa Pound sondern die Grillacci mit ihren Kack-Ideen.

Do., 07.07.2016 - 21:40 Permalink
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josef.kaufmann… Fr., 08.07.2016 - 09:30

Geld (Stoffliches Geld gleich wie Giralgeld) ist heute kein werthaltiges, materielles Ding mehr! Die landläufig gelehrten Geldfunktionen (Tauschmittel-, Wertaufbewahrungs-, Maßstabsfunktion) KÖNNEN somit schon aktuell NICHT erfüllt werden. Mittels Regeln privater Vereine (z.B.: IASP - International Accounting Standard Board) werden diese zum Dogma erhobenen Geldfunktionen von privater Hand (Banken, Börsen, Ratingargenturen....) lediglich virtuell simuliert, justiert und kontrolliert!

Die von M5S angedachte Idee einer Parallelwährung und diese amputierte Form eines BGE erscheint doch eher als letzter Versuch, die nach Alternativen suchende Bevölkerung mit Pseudolösungen zurück ins Boot zu holen.

Gott sein Dank haben die meisten kritischen Geister bereits begriffen, dass es sich dabei um das immer selbe Spiel in anderem Gewand handelt. Für diesen Erkenntnisgewinn sei der revolutionären (revolvere - wiederholen) M5S Bewegung und Thomas Benedikter herzlichst gedankt!

Fr., 08.07.2016 - 09:30 Permalink
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Emil George Ciuffo So., 10.07.2016 - 02:36

Lustig dieser Kommentar ... Als ob es Südtirol jemals etwas anderes gegeben hätte als "braunrote" Wasauchimmer ...
Wo lebst du denn, dass du dich darüber wunderst?

p.s.
Sag mal, wo lernt man so Wörter wie "Vulgär-Antielitarismus"? Klingt sehr intellektuell ...

So., 10.07.2016 - 02:36 Permalink
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Thomas Benedikter Di., 12.07.2016 - 16:35

Lieber Oliver, reichlich anachronistisch dein Verweis auf Frank Schäfflers Idee für einen freien Markt der Währungen. Dieser Hayek-Schüler, demnach bis auf die Knochen hinein marktgläubig, bringt uns da nicht weiter. Vermutlich hat er sich nie näher mit Informations- und Transaktionskosten befasst. Da halte ich es eher mit Ostrom und Felber, die Geld als öffentliches Gut betrachten und entsprechende Reformen anbieten.
Die Diskussion zum M5S-Vorstoß zur Mindestsicherung hat sich hier auf die regionale Komplementärwährung konzentriert, kein Wunder, das eigentliche Novum. Technisch machbar wäre eine solche Komplementärwährung schon, insbesondere wenn das Land dies organisiert. Vom "verzinsten Schuldgeldsystem" (Kircher) könnte man sich dadurch ein Stück weit abkoppeln. Doch lässt dies unsere allgemeine Rechtsordnung zu? Eine Komplementärwöhrung würde nicht nur den Abfluss von Kaufkraft aus dem Land bremsen und die lokalen Anbieter stärkern, sondern auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Staat, Zentralbank und EZB dulden derzeit zwar Regiogelder und ähnliche Komplementärwährungen, aber nur in kleinem Stil. Würde ein echter regionaler Geldkreislauf entstehen - und dies peilt der M5S-Vorschlag an - wäre der freie Wettbewerb mit gesetzlichem Zahlungsmittel verzerrt, und dann treten die strengen Wettberwebshüterr auf den Plan. Man braucht sich nur den EU-Wettbewerb vorstellen bei 278 regionalen Komplementärwährungen (Zahl der NUTS2-Regionen der EU, Südtirols ist eine davon).
Ich danke für den Hinweis zur Definition des "gesetzlichen Zahlungsmittels". Hauptkennzeichen: Anwendungsrecht und Annahmepflicht durch alle. Dies wäre auch bei den "trentini" im Konzept zur Mindestsicherung gegeben, sonst funktioniert das gar nicht. Doch damit sind wir auch schon beim Haupthindernis: ein provinziales gesetzliches Zahlungsmittel ist in Italien nicht vorgesehen.

https://www.bpb.de/dialog/netzdebatte/223286/das-bedingungslose-grundei…

Di., 12.07.2016 - 16:35 Permalink
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Christian Mair Do., 14.07.2016 - 14:28

Antwort auf von Thomas Benedikter

Abhilfe könnte die Software http://www.zart.org/index.php?id=184 schaffen.
Hyperlokale Währungen (Vinschger u.ä.) z.B. für alle Gemeinden mit Marktrecht innerhalb der Euregio könnten in einem Tauschsystem 1:1 gehandelt werden. Die Abkoppelung vom "verzinsten Schuldgeldsystem" könnte durch einen "Schwundzins" nach Vorbild eines in der Wirtschaftskrise der 30er JAhre in Wörgl stattgehabten Experiment kombiniert werden.

Do., 14.07.2016 - 14:28 Permalink