Gesellschaft | Interview

Besinnung im Hanffeld

Am Samstag findet Südtirols 1. Hanftag statt. Gastgeberin ist Martina Schullian. In ihrer Gärtnerei baut sie Hanf an. Und ist begeistert von der “ganz tollen Pflanze”.

salto.bz: Frau Schullian, was haben Sie mit Hanf am Hut?
Martina Schullian: Die Idee, Hanf zu pflanzen, hatte unser Gärtner Max Feichter. In der Gärtnerei gab es rund 3.000 Quadratmeter Grund, auf dem jahrelang Apfelbäume wuchsen. Heuer wollten wir den Boden dort verbessern. Und Hanf ist dazu hervorragend geeignet, denn er hat die Eigenschaft, dass er den Boden, auf dem er wächst, aufwertet – das war der ursprüngliche Zweck für den Anbau.

Woher haben Sie die Hanfpflanzen?
Von Ecopassion, einem Unternehmen, das sich ganz dem Hanf verschrieben hat. Max Feichter kennt den Mitinhaber Christoph Kirchler. Von ihm haben wir den Hanf bezogen und auch Informationen über die Pflanze. Mir war vorher gar nicht klar, dass es sich bei Hanf eigentlich um eine alteingesessene Pflanze handelt und wie vielfältig sie ist. Es gibt einiges, was über Hanf vielen gar nicht bekannt ist.

Schlagzeilen macht Hanf ja vor allem, weil immer wieder Pflanzen beschlagnahmt werden, die zur Herstellung von – noch – illegalen Substanzen dienen. Was unterscheidet die Gewächse, die Sie anbauen von diesen Pflanzen?
Der THC-Gehalt. Unsere ist eine Nutzsorte mit einem ganz niedrigen THC-, sprich Cannabinol-Gehalt.

Gärtnerei-Besitzerin Martina Schullian: “Viele wissen einfach zu wenig über Hanf.” Foto: Klaus Egger

Aus Ihren Pflanzen könnte man also keinerlei bewusstseinsverändernden Substanzen gewinnen – auch wenn man wollte?
Nein. Aber das wissen viele nicht. Es gibt immer wieder welche, die bei unserer Gärtnerei vorbeifahren, sich denken, das ist die “andere” Pflanze und versuchen, die eine oder andere abzuschneiden (lacht).

Optisch gibt es keinerlei Unterschiede?
Ausschauen tut die Pflanze ganz gleich, erst an der Blüte erkennt man den Unterschied.

Wie einfach war es, an die Pflanzen zu kommen?
Ecopassion hat uns alle notwendigen Unterlagen vorbereitet. Ich musste dann zu den Carabinieri gehen, um den Anbau zu melden. Ich war ganz erstaunt, als ich merkte, wie neugierig viele sind und wie gut manche die Pflanze kennen (lacht).

Aufklärung tut Not?
Hanf ist eigentlich eine ganz alte Pflanze. Früher hat jeder Bauernhof in Südtirol Nutzhanf angebaut. Im Winter wurde der Hanf in den Stuben zu Stoffen und anderen Textilien gesponnen. Vor 70, 80 Jahren war Italien übrigens in der Hanfproduktion weltweit an zweiter Stelle. Dieser Nutzhanf wurde vor allem zur Herstellung von Kleidung und Nahrung verwendet. Danach ist die Baumwolle aus China ganz billig importiert worden und der Hanf ist in Vergessenheit geraten.

Mit der Veranstaltung am Samstag, 3. September, soll auch für den vielfältigen Einsatz von Hanf sensibilisiert werden?
Im Grunde ist es eine Rückbesinnung auf eine alte Kulturpflanze. Es gibt ganz allgemein ein großes Interesse und Neugierde auf alte Sorten, die wiederentdeckt werden, ob es nun alte Tomaten- oder sonstige Gemüsesorten sind. Aber nicht nur das: Auch in der Öko-Bilanz steht Hanf sehr gut da. Er braucht wesentlich weniger als zum Beispiel Baumwolle. Und darüber hinaus ist er eine ganz tolle Naturfaser – im Sommer sehr angenehm zu tragen.

Eine wahre Wunderpflanze?
Eine ganz tolle Pflanze, ja. Nachdem wir sie ausgesät haben, ist sie innerhalb kürzester Zeit wirklich schnell gewachsen. Sie muss weder gegossen noch gedüngt werden. Auch das Unkrautjäten entfällt, weil sie so groß wird und sich ausbreitet. Und der Boden ist jetzt richtig weich.

Wie schaut es mit dem Einsatz von Pestiziden aus?
Die sind überhaupt nicht nötig. Christoph Kirchler hat mir das erklärt: Die Pflanze besitzt die Eigenart, Insekten abzuhalten.

Die Stadt Bozen hat beschlossen, die Schirmherrschaft für den 1. Hanftag zu übernehmen. Wie ist es dazu gekommen?
Das hat Peter Grünfelder in die Wege geleitet. Er war in der Gemeinde und hat Gespräche geführt. Mit dem Ergebnis, dass Bürgermeister Caramaschi die Schirmherrschaft zugesichert hat.

Was bedeutet das für eine solche Veranstaltung?
Ich finde es ein schönes, tolles Zeichen. Insofern als es bei dem Event um eine alte Pflanze geht, die einst sehr verbreitet war und dann vergessen wurde.

Können Sie sich vorstellen, eines Tages Ihre Hanf-Anbauflächen zu vergrößern, sprich mehr Hanf anzubauen?
Wir werden jetzt einmal schauen, wie sich das Ganze weiter entwickelt. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich mich dazu entschlossen habe und meine Gärtner diese tolle Idee gehabt haben.

Wofür wird der Hanf verwendet, den Sie kultivieren?
In Südtirol gibt es leider keine Maschinen, die den Hanf verarbeiten können. Deshalb werden wir den Hanf einfach bis zum ersten Frost stehen lassen.

Das heißt, er wird nicht weiterverarbeitet?
Nein, leider nicht. Wir werden vielleicht ein paar Samen für den Eigengebrauch, zum Beispiel fürs Müsli hernehmen. Ansonsten gibt es, wie gesagt, bei uns leider noch keine Maschinen wie etwa in Frankreich. Aber es würde sich nicht auszahlen, unsere Pflanzen dorthin zu bringen.

Wie sind Ihre Erwartungen für Samstag?
Erstmal finde ich es toll, dass es so großes Interesse gibt.

Wird es einen 2. Hanftag und vielleicht weitere geben?
Wir lassen uns überraschen, wie es sich weiterentwickelt.

Bild
Profil für Benutzer Bernhard Oberrauch
Bernhard Oberrauch Fr., 02.09.2016 - 11:51

In Italien gibt es 2 Anlagen zur Verarbeitung von Hanf, eine davon in Norditalien und die andere in Apulien www.southemp.it
Hanf ist eine große Chance für eine regionale Wirtschaft weil ausgesprochen vielfältig (Bauwesen/Textilien/Ernährung/Medizin)

Fr., 02.09.2016 - 11:51 Permalink