Wirtschaft | Landwirtschaft

Drei strapazierte Buchstaben - BIO

Nun öffne ich das dritte Fenster, um die Landwirtschaft aus dieser Sicht zu betrachten. Doch ich werde mich hüten, mich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen, denn die Absturzgefahr ist groß. Bio ist mittlerweile ein Begriff in vielen Bereichen, kann viel und auch gar nichts bedeuten. So edel die Pioniertaten auf diesem Sektor waren, so beschämend ist die Mogelpackung, die der Markt daraus gemacht hat.
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Die Herstellung gesunder Nahrungsmittel sollte das Ziel unseres Bestrebens sein. Dafür würde jeder Produzent belohnt werden und bräuchte sich um seinen Absatz keine Sorgen zu machen, denn das Bewusstsein für gesunde Ernährung ist enorm gestiegen. Da haben sich manche Bemühungen und beispielhafte Initiativen sicher gelohnt. Doch schon hier beginnen sich die Geister zu scheiden. Was sind für wen gesunde Lebensmittel?  Wieviel Mühe gibt sich der Konsument, diese zu finden? Wieviel ist er bereit, sofern er überhaupt noch Spielraum hat, dafür zu bezahlen?  Hat er noch Lust und Zeit, seinen eigenene Beitrag für seine gesunde Ernährung zu leisten und ist er sich beim Einkauf dessen immer bewusst? Hat er seine Lebenseinstellung auch dementsprechend gefeilt, dass er es versteht, ganzheitlich zu denken? Die Ernährung macht sicher einen wesentlichen Teil  in der Gesundheit eines Menschen aus, aber eben nicht die Gesamtheit. Morgen ist der Tag der Nichtraucher!  Ich frage so spontan: Gibt es auch Bio-Zigaretten?

Die Problematik wäre zu umfassend, würde ich alle Sektoren der biologischen Produktion beleuchten. Weil wir mit dem schönen Apfelbaum der Silvia Rier gestartet sind, konzentriere ich meine Gedanken in Folge nur auf den Apfelanbau.

Dort darf ich bewusst mit dem traditionellen Anbau beginnen, weil dieser doch der Ursprung war. Es ist schon erwähnt worden, dass die jämmerlichen Bäumchen nichts mehr zu tun haben mit einem majestätischen Streuobstbaum. Stimme ich zu, Streuobst war unsere Tradition, darunter wurde das Heu geerntet, die Marillenbäume standen in den Kornfeldern und gedeihten prächtig. Alles vorbei. Dass ein Apfel auf einem Bäumchen in der Engpflanzung nie das Aroma aufnehmen kann, das ihm ein ausgewachsener Apfelbaum bieten würde, liegt auf der Hand. Das gibt schon der Boden nicht mehr her, der eben kräftigen Nachschub an Dünger braucht, um überhaupt jedes Jahr die Leistung bringen zu können. Früher habe ich am Aroma der Äpfel von der selben Sorte die entsprechende Anlage erkennen können, das ist heute undenkbar, dazu hat auch die Sortenentwicklung ihren Teil beigetragen. Diese Nachteile in der Qualität sind in Kauf genommen worden und unterscheiden sich auch beim biologischen Anbau in keiner Weise. Die Leitplanken für die heutige Produktion der Spitzenqualität im Apfelsortiment sind sehr eng gesetzt und der Produktionszyklus genau kontrolliert. Es gibt nichts Einfacheres als die Kontrolle der Rückstände in den Früchten. Wer kann sich da noch Schwächen leisten, wenn man um jeden Großabnehmer kämpfen muss. Da sehe ich beim Abdrift in Heu und Gemüse größere Probleme, als bei den Rückständen im Apfel, weil nämlich die Abbaubarkeit ganz andere Auswirkungen haben kann. 

Um es kurz zu machen, ich wehre mich dagegen, daß man den Begriff "Bio" mit gesund und folglich  "nicht Bio" mit schädlich assoziiert, was das Produkt betrifft. Dem ist einfach nicht so. Der biologische Anbau hat riesige Vorteile aus der Sicht des Naturschutzes, wie es Andreas Hilpold richtig dargestellt hat. Das Wirtschaften mit der Natur ist Grundlage für jeden biologischen Anbau. Aber wie sollen Nützlinge bei der Schädlingsbekämpfung mithelfen, wenn keine mehr das sind, weil die Bio-Anlage sich mitten in der Monokultur des traditionellen Anbaues befindet. Die Natur kann vieles, sogar die schönsten Blümchen auf einem Stein wachsen lassen, aber Zerstörtes wieder herzaubern noch nicht ganz. Also müssen auch die Bio-Bauern einiges dazu erfinden, um diese Defizite im Umfeld ihrer Anlagen auszugleichen. Der viel höhere Auszahlungspreis für Bio-Äpfel hat den Anstoß gegeben, auf diese Anbauart umzusteigen, nicht unbedingt die Liebe zur Natur.  Dazu kommt noch die Tatsache, dass für einen Feriengast es nicht erkennbar ist, um welchen Anbau es sich handelt. Er sieht das Gerüst, die Hagelnetze und den Qualm hinter dem Sprühgerät. Das sagt ihm alles. Für empfindliche Nasen sind beide Spritzmittel nicht gut, doch das Nobelste kommt aus seinem Diesel ja auch nicht heraus.

Abschließend darf ich feststellen, dass wir alle sehr viel beitragen können für unsere gesunde Ernährung. Eigenproduktion soweit möglich, direkter Einkauf beim Bauern, Verarbeitung der Produkte in der Saison und Konservierung. Achtsamer und qualitätsbewusster Einkauf steuert den Markt und letztlich auch die Produktion. Dazu brauchen wir aber vor allem Zeit. Die hat kaum jemand mehr und deshalb werden wir zu Sklaven der Märkte, der Werbung und unserer eigenen Bequemlichkeit. Vieles wird uns als "Bio" angeboten, nur weil es drauf steht, aber was ist drinnen?

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Michael Bockhorni Do., 30.05.2013 - 22:39

und bei der meistverbeitesten Form (organisch-biologischen) steht der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit im Vordergrund, welche auch den Verzicht auf Spritzmittel unterstützt. (Leider) Nicht damit verbunden ist der Ort des Anbaus (Regionalität), die Auswahl der (alten) Sorten, die Art des Anbaus (Streuobstwiese), die Wahl des (erneuerbaren) Treibstoffs, die (faire) Entlohnung, die (traditionelle) Verarbeitung, die (umweltfreundliche) Verpackung usw., obwohl dies alles wichtige Aspekte einer nachhaltigen Landwirtschaft wären.

Do., 30.05.2013 - 22:39 Permalink
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no name Fr., 31.05.2013 - 07:46

Ich meine dazu: Etikettenschwindel gibt' s ja natürlich, wie überall. Und Bio ist nicht immer besser im Endprodukt, das hatten wir schon und das wurde recherchiert (auch da sollte man kontrollieren, wer die Recherchen finanziert). Da Bio aber auch eine Gesamthaltung ist, die erst langsam Fuß fasst, sehe ich den positiven, sanfteren Ansatz für die gesamte Umwelt und die Ökosystheme darin. Ich glaube Bio erfordert Konsequenz sonst wird's zur Mogelpackung und ist vielen einfach "zu streng", mir inbegriffen, wenn's fanatisch wird. Trotzdem bewundere ich von Herzen z.B. die Demeter - Bauern, denn die erlauben sich kein "ach, des tuatn nix" und das braucht Hartnäckigkeit, denn es ist nicht leicht. Wenn ich die Situation der armen Bienen betrachte, die Artenarmut auf den Wiesen, die Berichte von Bayer und Monsanto und wie sie ihre hier längst verbotenen Mittelen in ärmeren Weltregionen locker verschachern, an die Saatgutpatente, will ich eigentlich nur noch Bio kaufen, was jetzt inzwischen sogar in jedem Supermarkt möglich ist (und wenn nicht drin ist, was draufsteht, reagiert die konventionelle Lobby ganz sicher!) Übrigens: es gibt sogar Bio-Zigaretten hab ich gehört...

Fr., 31.05.2013 - 07:46 Permalink
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Sebastian Felderer Fr., 31.05.2013 - 17:08

Antwort auf von no name

Ich stelle klar, dass ich mich im Beitrag nur auf Äpfeln und ihrem Anbau beschränkt habe. Es wäre zu weitläufig geworden und zudem habe ich in andere Produktionszweige nicht den Einblick und die Erfahrung, obwohl das Muster überall dasselbe ist. Die Bienenbedrohung kann ich nicht ganz nachvollziehen, ihre Wichtigkeit ist erkannt und ihr Schutz geregelt. Die Kontrollen von Demeter und Agrios würde ich mal über den Daumen als gleichwertig ansehen. Ansonsten nicke ich dir zu.

Fr., 31.05.2013 - 17:08 Permalink