Heute ist es gleich ein ganzer Hennenstall.
Am vergangenen Dienstag haben die Südtiroler Freiheitlichen zur Pressekonferenz geladen. Walter Blaas, Ulli Mair, Pius Leitner, Sigmar Stocker und Tamara Oberhofer und Roland Tinkhauser, (beide auf der Pressekonferenz nicht anwesend) machen sich ernsthafte Sorgen um Südtirols Volksgesundheit.
Originalton aus der freiheitlichen Pressekonferenz:
„Südtirol hat mit einem ausufernden Drogensumpf zu kämpfen. Fast täglich werden Verletzungen oder Übertretungen im Bereich Suchtmittel festgestellt. Die Folgen sind gravierend, die Kosten für die Allgemeinheit hoch und die persönlichen Schicksale ergreifend. Ein wesentliches Problem ist die derzeit herrschende Verharmlosung der Drogen und die angestoßene Legalisierungsdebatte. Zudem hat die massive Massenzuwanderung neue Drogenmärkte erschlossen.“
Die Forderung des freiheitlichen Quintetts: Die Landesregierung soll im Dringlichkeitswege einen Drogengipfel einberufen.
Die freiheitliche Landtagsfraktion legt auf der Pressekonferenz auch Zahlen vor. Sie stammen aus einer Landtagsanfrage, die Arno Kompatscher vor kurzem beantwortet hat. Zitat aus der freiheitlichen Pressemitteilung:
„Die Zahlen des Regierungskommissariats sind erschreckend, denn fast täglich werden in Südtirol Drogendelikte verzeichnet. Im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2015 wurden jährlich zwischen 205 und 303 Verletzungen oder Übertretungen im Bereich Suchtmittel festgestellt. Meldungen von sogenannten Drogenlandwirten mit Marihuana-Plantagen oder Drogenhändlern und Drogenkonsumenten überschlagen sich. Südtirol hat ein Drogenproblem, das verharmlost wird.“
Die Gründe für den Todesmarsch der guten alten Südtiroler Wein- und Sektwirtschaft liegen für die Freiheitlichen jedenfalls auf der Hand. „Die sorglosen, relativierenden Diskussionen senken die Hemmschwelle, dass Drogen in Südtirols Feldern kultiviert werden und der Konsum zum Alltag gehört“, heißt es auf der Pressekonferenz. Und weiter: „ Durch die massive Einwanderung kommen auch vermehrt Drogen nach Südtirol. Zu denken sei beispielsweise an Afghanistan, wo der Anbau und Konsum von Drogen zum Alltag gehören.“
Zwei Tage später: Der freiheitliche Beschlussantrag mit dem martialischen Titel „Drogen den Kampf ansagen“ wird im Südtiroler Landtag behandelt. Die blauen Tugendwächter werden deutlicher wer die Verharmloser in Südtirol sind.
Pius Leitner: „Vor allem bei linken Regierungen bemerkt man immer wieder eine Tendenz zur Liberalisierung, letzthin wieder in Amerika. In Südtirol stehen sich die Meinungen des Leiters des Forum Prävention Peter Koler (für die Liberalisierung) und des Leiters des Zentrums Bad Bachgart Helmuth Zingerle (dagegen) gegenüber.“
Ulli Mair wird am Donnerstag im Landtag ganz ihrem Charakter nach noch deutlicher: „Bei den elitären Intellektuellen hat man oft den Verdacht, sie sind im eigenen Interesse für die Liberalisierung.“
Elitäre Spinellari, Drogenlandwirte und Marihuana-Plantagen! Jetzt fehlt nur noch, dass die Linken Verharmloser auch noch den Haschermittwoch einführen.
„Bei den elitären Intellektuellen hat man oft den Verdacht, sie sind im eigenen Interesse für die Liberalisierung.“
Der freiheitliche Alarmruf, die Gleichsetzung von Einwanderung und Drogenkriminalität und die Forderung nach einem Drogengipfel sind nichts als aller billigster Populismus. Der Beschlussantrag ist die Blaupause einer Kampagne mit der die FPÖ Wien und ganz Österreich seit langem bombardiert.
Anfang September war in der FPÖ-Parteizeitung „Neue Freie Zeitung“ der Kampf gegen Drogen das Thema der Woche. Der freiheitliche Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz dekretierte, dass die „Drogenpolitik der SPÖ und der ÖVP gescheitert sei“. Gleichzeitig stand zu lesen: „Der Suchtmittelbericht des Innenministeriums (BMI) für das Vorjahr zeigt die höchste Zahl an Anzeigen in den vergangenen zehn Jahren. Vor allem Täter aus Afrika beherrschen die Szene etwa im Bereich Cannabis oder Kokain.“
Vor fünf Wochen brachte die FPÖ-Steiermark einen Beschlussantrag im Landtag eingebracht, mit dem die Abhaltung eines steirischen „Anti-Drogen-Gipfels“ gefordert wird. Der Titel: „Der Drogenproblematik den Kampf ansagen“. Auch in diesem Antrag heißt es: „Ohne entsprechende Maßnahmen drohen die Steiermark und ganz Österreich in den kommenden Jahren im Drogensumpf zu versinken.“
Die Angstmache vor dem Südtiroler Drogensumpf ist nur eine letzte Spielart xenophober Politik. Damit ihr fremdenfeindliches Kalkül aufgeht, müssen die Freiheitlichen bewusst Tatsachen verschweigen. In der Mitteilung des Regierungskommissariats und der Antwort des Landeshauptmannes steht auch: „Die angeführten Straftaten in den Jahren 2011 bis 2015 wurden mit Ausnahme des Jahres 2013 vorwiegend von Personen begangen, die die italienische Staatsbürgerschaft besitzen."
Also weder Massenzuwanderung noch Asylbewerber.
„Elitäre Spinellari, Drogenlandwirte und Marihuana-Plantagen! Jetzt fehlt nur noch, dass die Linken Verharmloser auch noch den Haschermittwoch einführen.“
Die Wirklichkeit sieht in Südtirol aber ein klein wenig anders aus.
Der Anstieg der drogenbedingten Delikte in den letzten Jahren hat ganz konkrete Gründe. Jahrzehntelang waren Drogendelikte vor allem im Zusammenhang mit Beschaffungskriminalität von Seiten der Konsumenten ein Thema. Durch die ständig sich verbessernde Betreuung und die Substitutionsprogramme ist diese Phänomen inzwischen marginal.
Bei den angeführten Straftaten geht es vor allem um kleine Dealereien, die meistens in der Hand Personen liegen, die ansonsten über keine Einkommensmöglichkeiten verfügen. Wie zum Beispiel illegale Migranten. Diese werden von den lokalen Ordnungskräften streng verfolgt: je mehr Kontrollen, desto mehr Anzeigen.
Vor allem aber zeigen alle Statistiken das genaue Gegenteil dessen, was die Blauen jetzt behaupten. Wennschon gibt es eine Abnahme des Phänomens. Vor allem bei den Opiaten. Der Gebrauch ist keineswegs vergleichbar mit den Szenen der 80er und 90er Jahre.
Die Freiheitlichen greifen mit ihrer Kampagne bewusst und gezielt frontal alle jene Fachleute an, die für einen liberalen, selbstbestimmten und legalisierten Umgang mit Drogen eintreten. Tatsache ist, dass das jetzige System aufbauend auf Kontrolle, Repression und völlig überzogen Strafen vollkommen gescheiter ist und eine Menge von negativen Begleiterscheinungen produziert hat. Leitner & Co vergessen, dass es auch in Südtirol über den Schwarzmarkt einen fast unbeschränkten Zugang zu allen Substanzen gibt.
Der größte Erfolg der Präventionsstellen ist auch in Südtirol eine Versachlichung der Debatte. Die blauen Afghanen wollen jetzt das Rad zurückdrehen.
Dämonisierung, Kriminalisierung und Alarmstimmung sind angesagt. Drogenhändler und Konsumenten werden gleichgestellt. Emotionalisierung und Sensationalisierung setzen sich über alle wissenschaftliche Erkenntnisse hinweg.
Law & Order sind gefragt. Nicht das Hirn und die Verantwortung.
Genau das ist aber jene Verharmlosung, die am gefährlichsten ist.