Kultur | Salto Afternoon

Ort und Wort

Verflixt! Grübeln hilft nix. Wie ich zum ost west club est ovest kam und er zu mir, will mir einfach nicht einfallen. Es muss vor plus/minus 15 Jahren gewesen sein.
Titelbild
Foto: Salto.bz

Immer schon durchstreifte ich – die Literatur-Theater-Musik-Verrückte – nach den Vorstellungen oder davor, Altstadt und Lauben. Das Bild der hell erleuchteten großen Club-Fenster­scheibe in der abenddunklen Passeirergasse – damals stand noch Tauschhalle drauf und das Glas war dünn und lautdurchlässig – taucht jetzt plötzlich in meinem Kopf auf. Dahinter saßen einige der Meraner Künstler­persönlichkeiten, wie Franz Pichler und Jakob de Chi­rico, sonst kannte ich niemanden. Hinein getraut hab ich mich auch nicht so recht in den Austauschplatz für Meran und den Rest der Welt. Zuvor war dort der damals so genannte „Dritte Weltladen“ untergebracht, der heuer sein 25 jähriges Bestehen in eben jenen Räumen seiner Gründungsjahre, im Club, gefeiert hat. Wie das Eis dann brach? Vielleicht hat mich ja jemand mitgeschleppt – in den Club und dort begegnete mir Aufgeschlossenheit und jede Menge interessante und schräge Typen und Typinnen.
Bestimmt begann mein Einsatz für den Club mit Literatur, wohlmöglich hat mich Klaus Reider, der damalige Präsident, dazu animiert. Einen Sommer lang im Jahr 2001 genoss ich oder quälte mich – je nachdem – Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verloren Zeit“. Im Club gab es dann im Winter einen Proust-Abend mit dem „Best of“ aus 4.195 Seiten, im Schatten meiner damals so gefühlten jungen Mäd­chenblüte, mit imaginiertem Lindenblütentee-Duft und dem Madelaine-Geschmack auf der Zunge. Der erste Satz von „À la recherche du temps perdu“ – Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen – stimmte auch für mich, wenn man „früh“ als die Frühmorgenstunden interpretiert.
(Klammer auf. Zwischen den Seiten der lange nicht mehr hervorgeholten Bände der Recherche steckt eine Wattkarte. Genau, das Watten hat mir auch der Club beigebracht, genauer gesagt meine Clubfreun­de Eugenio und Maria und Günther und Simon und und und. Zur Könnerschaft hab ich es nie gebracht und inzwischen sind sogar die Spielregeln verblasst wie ein jahrelang in der Sonne liegen gelassener Weli. Klammer zu).
Im kleinen Clubraum mit Wohnzimmeratmosphäre vorzulesen und Bücher vorstellen zu dürfen ließ Ideen sprudeln. Meist als Duo mit Johannes Ortner, stellten wir so einiges Literarisches vor: Steinbeck und Rans­mayer, Arbeiterlyrik und Thomas Bernhard; szenische Lesungen aus Monsieur Ibrahim und der schönen Frau Seidenmann. Meine eigenen Bücher kamen spä­ter hinzu und eine weitere Druck-Sache, die mich nun­mehr seit 12 Jahren begleitet, bescherten ebenfalls der Club und Harry Reich: die Kunst- und Kulturzeit­schrift vissidarte, deren Herausgeberinnen Katharina Hohenstein und ich sind.

Der Club machte Mut zur Kunst und Lust aufs eigene Kreativsein. Das Aufeinandertreffen von „Jungtieren und Platzhirschen“ [so der Untertitel des 1. [un]defined Festivals im Meraner Pulverturm 2004, dessen Träger der Club war] bereicherte und bereichert die Unerfah­renen ebenso wie die alten Hasen. Bei der Nacht 2003 saß ich bei meiner Performance „Menschen(g)affen“ in einem Käfig aus Baustahlgittern, gebastelt von Ro­berto Morello, dem Mitinitiator des Emergency-Festes, der immer wieder im Club aktiv und eine Zeit lang Vi­zepräsident war. (Der von mir so genannten Emergen­cy-Gruppe verdankt der Club u. a. die Bühne und eine dezente Elektroanlage). In der Meraner Kreativszene scheint vieles miteinander verknüpft zu sein, und das ist es auch tatsächlich.
Ein Abstand von Aktivitäten im Club ergab sich für mich durch mein Mitwirken an den modular-t Projek­ten, wie der Stadtmöblierungsaktion „Parkbank“ und den [un]defined Festivals. Der Kontakt zum Club riss aber nie ab. Trotz Rückzug aus dem aktiv gestalteri­schen Tun blieb ich im Vorstand. In jenen Jahren er­lebte der Club eines seiner kulturellen Hochs – was impliziert, dass es auch Tiefs bzw. inaktivere Zeiten gab. Das Team Katharina (Katha) Walpoth, Daniel Mazza und Josef (Jo) Kössler bescherten dem Club drei kultur- und kommunikationsreiche Jahre (2004 – 2007). Dann machte Jo alleine weiter und hielt den Club somit am Leben. Über Jahrzehnte ist der Club ein Sammelbecken für Kreative geblieben, ein Verein, ein Ort, der DA war und ist, wenn Menschen sich finden, die das Vereinsgeschehen mit Leben erfüllen möchten.
Das Leben des Clubs in der Passeirergasse startete 1996 mit einer Gruppe Leuten u. a. Harry Reich, Os­wald Pertramer, Delia Aguiari e compagni, Christian Troger als Präsident des „Vereins für ein Jugend- und Kommunikationszentrum. Meran“, welcher der Trä­gerverein des Clubs war und später in „Kultur- und Kommunikationszentrum ost west club est ovest“ umbenannt wurde. Als ich in den 2000er Jahren mei­ne Fühler Richtung Club austreckte, motivierte mich Klaus Reiders Freundlichkeit und Intelligenz, selbst aktiv und Teil des Clubs zu werden, Günther stand hin­ter dem Budl, Maria, Isolde und Tatjana, Konrad und etliche andere leisteten einander gute Gesellschaft.

2010 stand ein neuerlicher Umschwung an. Als Im­mer-wieder-mal-Schriftführerin des Vereins wird wohl auch mein Unterbewusstsein mitgeschrieben haben und spuckt jetzt nach und nach, wild durcheinander­gemixt, Informationen aus:
An einem Sommernachmittag traf sich die Mitglieder­vollversammlung im Club, um einen Nachfolger für Jo zu finden. Es stellten sich gar etliche Interessierte vor. Heraus stach eine Gruppe Jugendlicher, junger Männer, auch sie im positiven Sinne schräge Vögel, Rastamen und reich an Tätowierungen, aber mit kla­ren, konkreten Vorstellungen und voller Tatendrang. Präsident Klaus Reider hatte, wie so oft, das richtige Gespür, denn Dank der Arbeit von Michael Schwalt und seiner Gruppe lebte der Club weiter. Michi über­nahm schließlich auch die Präsidentschaft. Das Kul­turprogramm kam wieder richtig in Schwung, als ein weiterer Kreativer sich einbrachte, Thomas Kobler, der jetzt der Verantwortliche für das Kulturprogramm, mit rund 170 Veranstaltungen jährlich, ist. Michi ge­lang es schließlich auch, Besay Mayer mit ins Boot zu holen, der drei Jahre lang Präsident war. Dank Besay gelang ein weiterer Qualitätssprung, in finan­zieller und bürokratischer Hinsicht. Die Mitglieder­zahlen schnellten in die Höhe, der Club wuchs und wuchs. Inzwischen sind ihm die alten Kleider, sprich Räume, zu eng geworden und auf den Schultern des neuen Präsidenten Erwin Seppi (seit 2015) liegen die Balken eines weiteren Entwicklungsschritts: das Su­chen, das Finden und schließlich die Übersiedlung an einen neuen Ort.

Buchvorstellung:
Meraner Ost West Club, Passeirergasse Nr. 29
21. Dezember ab 20 Uhr

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Markus Lobis Mi., 21.12.2016 - 16:53

Ceterum censeo: Und im übrigen bin ich der Meinung, dass jeder größere Ort in Südirol einen Ostwest-Club haben sollte!

Mi., 21.12.2016 - 16:53 Permalink