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Walter Bernard spricht seit sechs Jahren „Esperanto“, eine vor 130 Jahren geschaffene Plansprache. Wie zeitgemäß ist Esperanto in Zeiten von „fejsbuko“ und „postelefono“?
Walter Bernard
Foto: Privat

salto.bz: Herr Bernard, 130 Jahre nach der Erfindung  der Plansprache Eperanto wird es immer noch gesprochen. Was ist der Reiz dieser Sprache?
Walter Bernard: Der Reiz der Sprache liegt in ihrer Grundidee. Esperanto ermöglicht eine gleichberechtigte Kommunikation zwischen Menschen mit verschiedenen Muttersprachen. Wenn diese miteinander reden, dann sind im Normalfall jene benachteiligt, welche die Sprache des jeweils anderen verwenden. Eine neutrale Sprache wie Esperanto, die niemandem gehört, ermöglicht eine Begegnung auf derselben Ebene.

Seit wann gibt es Esperanto in Südtirol?
Wahrscheinlich schon seit etwa 1900. Genau weiß ich nur, dass ein gewisser Robert Auerbach in einem Artikel in der Zeitschrift „BritaEsperantisto“ vom April 1906 schreibt, dass es in Eppan 30 Esperantisten gibt. Im Jahr 1908 scheint ein gewisser Stefan Kunerth aus Meran-Gratsch im Adressbuch der Esperantisten auf.
Wie man der Zeitschrift „Der Tiroler“ entnehmen kann, wurden in Bozen in den Jahren 1913 und 1914 Esperanto Kurse abgehalten.

Esperanto ist überhaupt nicht überholt, sondern durchaus aktuell. 

Esperanto war im 1. Weltkrieg unter anderem die Sprache auf dem Schlachtfeld und wurde gefördert. Heute ist Esperanto beinahe verschwunden… Oder nicht?
Durch die neuen Medien hat die Verwendung von Esperanto in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen. Es ist jetzt einfach über große Distanzen hinweg zu kommunizieren und es gibt viele Möglichkeiten sich mitzuteilen. So hatte ich selber in der Anfangszeit einen Tutor aus Finnland und einen zweiten aus Taiwan, die meine Aufgaben verbessert haben. Außerdem kann ein geschickter Videofilmer wie Evildea auch in Esperanto in relativ kurzer Zeit eine beachtliche Fan-Gemeinde finden. Im Übrigen liegt Esperanto unter den ca. 290 Sprachen in Wikipedia mit 237.000 Einträgen gegenwärtig an 39. Stelle. Da kann von „verschwunden“ wohl nicht die Rede sein.

Esperanto ist also nicht ein überholte Plansprache?
Sie ist überhaupt nicht überholt, sondern durchaus aktuell. Das beweist auch die Tatsache, dass der Sender „Cina Radio Internacia“ seine tägliche Sendezeit in Esperanto im letzten Jahr von 10 Minuten auf eine ganze Stunde erhöht hat. Ein weiteres Beispiel ist die App Amikumu welche in den nächsten Wochen zunächst nur für Esperantisten erprobt wird.

Wie viele Menschen kommen zu den von Ihnen angebotenen Esperanto-Kursen?
An den Kursen haben vier bis sechs Leute teilgenommen. Bei den Treffen im OstWest-Club sind meist auch etwa so viele Leute dabei. Insgesamt habe ich den Eindruck dass die Menschen in Südtirol Esperanto momentan noch eher zurückhaltend gegenüberstehen. Dabei ist es eine Sprache, deren Wörter zu 90% aus Wortstämmen der Landessprachen gebildet werden.

Wie geht Esperanto mit Worten um, die der jüngsten Zeit entstammen, etwa Handy, Computer, Facebook…?
Es wird für jeden neuen Begriff ein Wort, manchmal auch mehrere Wörter, nach den geltenden Regeln der Wortbildung eingeführt. Das Wort das sich durchsetzt, wird dann nach einiger Zeit von der Akademio de Esperanto in den Wortschatz aufgenommen. Ein Handy ist somit ein poŝtelefono (Taschentelefon), ein Computer ist ein komputilo, für Berechnungsgerät, facebook wird zu fejsbuko (jedes Hauptwort endet auf o und alles wird so geschrieben wie es gesprochen wird). Eine App wie Amikumu wird dann zu einer apo, das ist eine Abkürzung von aplikaĵo.

Wo kann man in Südtirol derzeit Esperanto erlernen?
Die Esperanto-Treffen im Meraner OstWest-Club, die ab Ende Februar, Anfang März, wieder vierzehntägig stattfinden, sind für alle Interessierten - auch absolute Anfänger - offen. Wenn sich ein paar Leute finden, dann machen wir auch gerne einen eigenen Anfängerkurs. Nähere Infos auf unserer fejsbuko-Seite schauen.

Morgen bei SALTO WEEKEND über erste Esperanto-Treffen in Südtirol und zu den historischen Projekten „Amikejo“ und „Isola delle Rose“.

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Christoph Moar Sa., 21.01.2017 - 18:03

Über die Präsenz von Esperanto in Südtirol zu Beginn des Jahrhunderts kann man hier gut einen Überblick gewinnen:
http://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Suche?page=1&query=esperanto

Man liest etliche Kriegsberichte/Interviews, Esperanto war ja wohl Feldsprache; oder die nette Vereinsnachricht in den Bozner Nachrichten von 1914, die Societe Esperanto traf sich Freitags im Garten des Hotels Erzherzog Heinrich in der Defreggerstraße. Erstaunlich, wie präsent das damals schon war.

Sa., 21.01.2017 - 18:03 Permalink