Kultur | Zeitgeschichte

Il dono della memoria

Teil 4 der Videodokumentation zur jüdischen Geschichte Merans: Der Bozner Anwalt Arnaldo Loner über den Prozess gegen den KZ-Aufseher Mischa Seifert.
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Foto: upi
Wie nahe die schrecklichen Ereignisse des Holocausts Südtirol sind, zeigt die Geschichte von Michael „Mischa“ Seifert.
Der Volksdeutsche Seifert wurde am 16. März 1924 in Schyrokolaniwka in der Ukraine geboren. Als Mechaniker tätig, wurde Mischa Seifert nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion als lokale Hilfskraft des SD eingestellt.
1944 wurde er von einem deutschen Militärgericht wegen Vergewaltigung verurteilt und nach Italien strafversetzt. Seifert musste sich beim SD nach Verona melden, wo er zuerst der Bewachungsmannschaft des Durchgangslagers Fossoli bei Carpi zugeteilt wurde und dann im Dezember 1944 ins Polizei-Durchgangslager Bozen in der heutigen Reschenstraße in Bozen versetzt wurde.
 

Als Aufseher machte sich Seifert im Lager Bozen brutalster Misshandlungen und des mehrfachen Mordes schuldig. Man lastet ihm an 18 Menschen ermordet zu haben. Unmittelbar nach Kriegende tauchte Mischa Seifert in Deutschland unter. 1951 beantragte er in Hannover ein Visum für Kanada, was ihm auch bewilligt wurde, da er falsche Angaben zu seiner Herkunft machte und vor allem seine Aktivitäten während des Krieges verschwieg. Am 10. Juni 1954 erließ Italien einen Haftbefehl gegen Michael Seifert, der Gesuchte konnte aber nicht ausgeforscht werden.
Erst 1999 erhielten die italienischen Behörden durch einen Artikel in der Zeitung „La Stampa“ davon Kenntnis, dass Seifert in Kanada lebt. Sein Fall wurde vom 20. bis zum 24. November 2000 vor dem Militärgericht Verona neu aufgerollt. Seifert wurde in 15 Fällen des Mordes und der Folter beschuldigt. Sechs Morde konnten ihm nicht schlüssig nachgewiesen werden – auch wegen fehlender, inzwischen verstorbener Zeugen. Es blieben jedoch neun Morde, für die ausreichende Beweismittel vorlagen Das Militärgericht verurteilte Seifert daraufhin in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe.
 
 
Mischa Seifert ging in Berufung. Nachdem sowohl das Berufungsgericht, wie auch die Kassation das Urteil bestätigten und Italien ein Auslieferungsersuchen an Kanada gestellt hatte, wurde Seifert am 1. Mai 2002 in Vancouver verhaftet. Nach einem langen Rechtsstreit wurde der ukrainische SD-Mann Mitte Februar 2008 an Italien ausgeliefert und im Militärgefängnis von Santa Maria Capua Vetere in der süditalienischen Region Kampanien inhaftiert. Seifert starb dort am 6. November 2010 im Alter von 86 Jahren.
Arnaldo Loner interessiert sich seit langem für die Geschichte des Bozner Durchgangslagers. Der renommierte Bozner Strafverteidiger vertrat im Seifert-Prozess die Gemeinde Bozen dann auch als Zivilpartei. In Meran redet Loner über die Wichtigkeit und die Pflicht der historischen Erinnerung.
 

Arnaldo Loner: Il dono della memoria