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Foto: upi
Politik | Aosta

Autonome Misswirtschaft

Aosta widerlegt beispielhaft die These, dass autonome Regionen effizienter regiert werden

Das Märchen, dass autonome Regionen besser verwaltet werden, wird seit langer Zeit durch das abschreckende Beispiel Sizilien widerlegt, wo die Regionalverwaltung es in den letzten zehn Jahren versäumt hat, 52 Milliarden an Steuern einzuziehen. Auch Sardinien ist vom Vorbildcharakter meilenweit entfernt. Nun aber sorgt die beeindruckende Misswirtschaft einer alpinen Region des Nordens für Schlagzeilen, die sich gerne selbst als musterhaft bezeichnet : Aosta versinkt buchstäblich im Chaos. Vier Regionalratsabgeordnete wurden von der Regierung wegen Verurteilungen suspendiert. Im Regionalrat wurde ein Misstrauensantrag gegen den allmächtigen Präsidenten Augusto Rollandin von der Union Valdotaine eingebracht, der im Volksmund "l'imperatore" genannt wird und seit Jahrzehnten an der Macht ist. Die Arbeitslosigkeit in der kleinen Region ist von zwei auf neun Prozent gestiegen, die wirtschaftliche Lage kritisch. Der Haushalt der Region hat in den letzten Jahren um ein Drittel abgenommen. Für italienweite Schlagzeilen sorgte die Verhaftung des leitenden Staatsanwalts Pasquale Longarini wegen Bestechung. Nun sind nach heftigen Polemiken sieben der acht Mitglieder der Regionalregierung zurückgetreten.  Rollandin verbleiben damit 60 Tage Zeit, um eine neue Regierung zu bilden. Andernfalls wird das Regionalparlament aufgelöst.

Symbolhaft für den Niedergang steht der Skandal um das einst berühmte Spielkasino, dessen Einnahmen von fast 100 auf 64 Millionen gesunken sind und das vom Konkurs bedroht ist. Einem Drittel der 650 Bediensteten droht die Entlassung, die Zahlung der Gehälter ist nur bis April sichergestellt.Der Rechnungshof ermittelt über die Verwendung von 120 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für den Umbau des 70 Jahre alten Kasinos und des angrenzenden Luxusresorts Grand Hotel Billia, dessen Zimmer häufig leerstehen. Die Zahl der Besucher sinkt rapide.

Was dagegen bedenklich zunimmt, ist die Präsenz der Mafia in der Region. Vor allem einige Clans der 'Ndrangheta haben die aostanische Wirtschaft unterwandert. Das Gericht hat mehrere Unternehmen unter Zwangsverwaltung gestellt, darunter das Consorzio Stabile Gecoval in Saint Vincent, das von der Region 7,5 Millionen Euro erhalten hat. Mehrere Unternehmen wie Lavazza und der Schokoladeproduzent Feletti haben die Tore geschlossen. Mit ihren 130.000 Einwohnern bezahlt die Region 4668 Bedienstete - ein abnormes Verhältnis.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist indessen auf 30 Prozent gestiegen. Auch der Fremdenverkehr vermag trotz 1,2 Millionen Ankünften die wachsende Verarmung nicht aufzuhalten. Sieben von 100 Familien leben in Armut. Im Regionalrat fliegen derweil die Fetzen.

Nach der Suspendierung von vier Abgeordneten wurde die für 10. März vorgesehene Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen Präsident Rollandin zunächst vertagt.  Wegen der Abwesenheit zahlreicher Räte herrschte Beschlussunfähigkeit. Doch die Tage des mächtigen Regionalratspräsidenten sind gezählt. Rollandin hatte seine politische Laufbahn 1975 als Bürgermeister von Brusson begonnen, war dann Regionalratsabgeordneter, Assessor, Präsident der Region, Senator, Präfekt und seit 2013 erneut Regionalpräsident.1994 wurde er wegen Amtsmissbrauch zu 16 Monaten Haft verurteilt.

Nach der Suspendierung der vier Abgeordneten und dem Parteiwechsel mehrerer Kollegen mutet die Lage im Regionalrat eher chaotisch an. So vertreten etwa die fünf Abgeordneten der Edelweiss-Liste gegensätzliche Ansichten zum Misstrauensantrag gegen Rollandin. Nach längerem Tauziehen kam es am Freitagabend schliesslich doch zur Vertrauensabstimmung. Die Ära Rollandin ist damit zu Ende. Zum neuen Präsidenten der Region Aosta wurde Pierluigi Marquis gewählt. Auf den 52-jährigen Architekten des Movimento Stella Alpina kommt damit eine schwierige Aufgabe zu.

Fest steht: was in Aosta passiert, führt deutlich vor Augen, dass die besonders in Südtirol verbreitete Überzeugung, autonome Regionen würden effizienter regiert, nichts anderes ist als ein liebgewonnenes Märchen.

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Harald Knoflach So., 12.03.2017 - 12:46

Fest steht: die Wahl Donald Trumps führt deutlich vor Augen, dass die besonders in der westlichen Welt verbreitete Überzeugung, demokratische Systeme wären die beste Regierungsform, nichts anderes ist als ein liebgewonnenes Märchen.

hmmmm?

So., 12.03.2017 - 12:46 Permalink
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Martin B. So., 12.03.2017 - 20:57

Antwort auf von Harald Knoflach

Einer der besten Kontrakommentare die ich hier je gelesen habe. Was Gerhard Mumelter überhaupt mit den meinungsbildenden Interpretationen zu Anfang und Ende der Kolumne bezwecken will bleibt mir schleierhaft. Ein Bericht das eine autonome Region im Chaos versinkt würde genügen. Das oberlehrerhafte Interpretieren diskrediert in diesem Fall den ganzen Rest und die Argumentation das ein extrem gelagerter Fall (ob nun negativ oder positiv) automatisch alle ähnlich gelagerten Fälle konditioniert ist einfach nur unschlüßig. Ein wenig komplexer ist Politik bzw. die Menschen und Regionen dahinter dann schon.

So., 12.03.2017 - 20:57 Permalink