Politik | Ladinergesetz

Die Stunde der Opposition

Nun weiß man auch in Rom Bescheid, warum die gesamte Landtagsopposition empört über die SVP ist – am Donnerstag fand die Anhörung zum Ladinergesetz statt.
Anhörung Opposition in Rom
Foto: Paul Köllensperger

Selten große Aufmerksamkeit, eine rege Diskussion – und neue Töne von der SVP. So hätte man die Anhörung der Landtagsopposition zum Ladinergesetz in Rom ankündigen können, hätte man geahnt, wie sie ablaufen würde. Bis vor einigen Stunden war das allerdings nicht klar. “Nun ist man aber auch in Rom darüber informiert, welches Spielchen hier gespielt wird”, wird Paul Köllensperger nach dem Treffen, das er gemeinsam mit seinen Oppositionskollegen am 15. März beantragt und in Windeseile zugesagt bekommen hat, sagen.

Minderheitenseptett

Zwei Stunden früher und besser besetzt als ursprünglich gedacht begann am Donnerstag, 23. März, die Anhörung der Landtagsopposition vor dem Verfassungsausschuss des Senats – “unter schlimmen Vorzeichen”, so Florian Kronbichler. Der Kammerabgeordnete hat kräftig mitgeholfen, damit es überhaupt erst zur Anhörung kam. Wochenlang hat er auf die “blinden Passagiere” im Verfassungsgesetzentwurf hingewiesen, den Daniel Alfreider dem Parlament vorgelegt hat und mit dem das Autonomiestatut abgeändert werden soll. Zum besseren Schutz der ladinischen Sprachminderheit in Südtirol entworfen, hatte Alfreider im letzten Moment einen Abänderungsantrag vorgelegt, der es erlauben würde, das Wahlsystem in Südtirol zu ändern – vom geltenden Verhältnis- zum Mehrheitswahlsystem. Die Opposition lief Sturm. Bis sich schließlich sieben von ihnen – einer für jede Landtagsfraktion – am Donnerstag auf den Weg nach Rom machten, um dem 30-köpfigen Verfassungsausschuss des Senats, dem das Ladinergesetz momentan zur Begutachtung vorliegt, ihre Sicht der Dinge zu erläutern. Ebenso angereist, und zwar schon einen Tag früher, waren die Landtagsvertreter der SVP. Mit Florian Mussner saß somit ein zweiter Ladiner im Raum, der andere war Lukas Plancker, der für die Ladins Dolomites vorsprach – und sich im Gegensatz zu Mussner scharf gegen die “Instrumentalisierung der Ladiner für Parteizwecke” aussprach.

Gleichgewichtsprobleme

Während die Freiheitliche Ulli Mair und Bernhard Zimmerhofer von der Süd-Tiroler Freiheit es vorzogen, zu schweigen, Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini durch Abwesenheit glänzte und Elena Artioli sich von ihrem Parteikollegen Claudio Degasperi vertreten ließ, nutzten der Grüne Riccardo Dello Sbarba, Andreas Pöder von der Bürgerunion, Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore) und der 5-Sterne-Vertreter Paul Köllensperger die zwei Stunden, um ihre – gemeinsame – Position den Senatoren des Verfassungsausschusses darzulegen. Mit Zahlenspielen rechnete Pöder den Onorevoli vor, dass eine Wahlrechtsreform in Südtirol nicht nur für die Ladiner, sondern auch für die Italiener im Land nachteilig sein würde. Die rund 2,8 Prozent der Stimmen, die bei einem Mehrheitswahlrecht für ein Vollmandat auf Landesebene nötig wären, “kommen im Falle der Italiener in Wirklichkeit einer 10-Prozenthürde gleich, da sie in einem begrenzten Wählerbecken fischen”, so die Ausführung Pöders. Und auch Köllensperger kommt zum Schluss, dass sich die SVP “über die ethnischen Gleichgewichte hinweg” setze.

Minimalforderung

Um, wie es Riccardo Dello Sbarba bildlich umriss, “das ladinische Kind nicht mit dem Schmutzbad” ausschütten zu müssen, brachte man am Donnerstag eine klare Forderung vor. Einstimmig wären die Oppositionsvertreter für das Ladinergesetz – aber ohne die von Alfreider vorgenommenen Änderungen zum Wahlsystem. Daher verlangen sie: Die entsprechenden Passagen sollen aus dem Gesetzentwurf vor der Behandlung im Senat ganz einfach wieder gestrichen werden. Für den wahrscheinlichen Fall, dass sich die SVP dagegen verwehren wird, soll der Gesetzentwurf zumindest den ordentlichen Weg zurück in den Landtag und den Regionalrat nehmen. “Das ist unsere Minimalforderung, denn es wäre ja eigentlich gesetzlich vorgesehen, dass Landtag und Regionalrat ein Gutachten abgeben, wenn ein Vorschlag zur Änderung des Autonomiestatuts vorliegt”, erklärt Paul Köllensperger. Und genau das ist nach den hastigen Abänderungsanträgen von Alfreider nicht passiert.
Dass Dieter Steger vor wenigen Tagen einen Beschlussantrag eingereicht hat, mit dem sich der Landtag im April für den Alfreider-Gesetzentwurf und die Änderungen daran aussprechen soll, findet Köllensperger “unglaublich”: “Damit würde nicht nur die Sonderkommission im Landtag, die über Änderungen des Autonomiestatuts befinden muss, ausgehebelt. Was erneut beweist, welch falsches Spiel hier getrieben wird.”

Lippenbekenntnisse

À propos Dieter Steger. Über die Lippen des SVP-Fraktionssprechers im Landtag kamen im Laufe des Treffens einige für mehrere Anwesende unerwartete Worte. Bisher war die SVP nämlich nicht auf den Vorwurf der Opposition, in Rom eine Mogelpackung präsentiert zu haben, eingegangen. “Steger hat doch tatsächlich den im Ladinergesetz versteckten Wahlreform-Artikel mit der ‘Regierbarkeit’, die es zu sichern gelte, verteidigt”, erinnert sich Florian Kronbichler. “Für seinen Sager hat sich Steger einige kritische Fragen und Spott von den italienischen Senatoren eingehandelt – römischen Politikern Eindruck zu machen mit Südtiroler Unregierbarkeit war eine peinliche Fehleinschätzung”, sagt der Kammerabgeordnete, “aber, wie es der 5-Sterne-Senator Gianni Endrizzi auf den Punkt gebracht hat, der Beweis, dass das Gesetz nicht allein für die Ladiner gemacht wurde, sondern die SVP ganz andere Absichten hat.”

Nach etwa zwei Stunden war die Anhörung zu Ende. “Tante domande e molto interesse. Soddisfatto”, resümiert Alessandro Urzì in einer ersten Stellungnahme. “Wir haben unsere Argumente sehr effizient dargelegt”, meint auch Köllensperger. Und Kronbichler, der der Anhörung als aufmerksamer Beobachter beiwohnte, zeigte sich angesichts seiner anfänglichen Skepsis erstaunt über eine “mit derart großem Interesse verfolgte Anhörung, bei der erstaunlich viel nachgefragt und diskutiert wurde”. Auch wenn die Oppositionsvertreter kaum Hoffnung haben, dass auch nur eine ihrer Forderungen erfüllt werden wird, “ist jetzt aktenkundig, dass alle außer der SVP gegen diese Nacht- und Nebelaktion sind – und das partei- und sprachgruppenübergreifend”, fasst Köllensperger zusammen. Was der PD-Politiker und SVP-Verbündete Tommasini zu sagen gehabt hätte, wird man wohl nie erfahren. Er sei verhindert gewesen, so die offizielle Begründung für seine Nicht-Teilnahme an der Anhörung.
Der Gesetzentwurf wird nun jedenfalls erneut im Verfassungsausschuss diskutiert und mit einem Gutachten versehen an den Senat weitergeleitet. Dieser kann dann entscheiden, ob der Vorschlag in den Landtag zurückkehrt oder zur Abstimmung vorgelegt wird. Ob diese im Sinne der SVP ausgehen wird, ist für Kronbichler nach der gestrigen Anhörung nicht mehr so selbstverständlich: “Mehrere Senatoren wollten ausdrücklich festhalten, dass sie souverän sind und selbst entscheiden, zu welcher Verfassungsänderung sie ihre Zustimmung geben – oder eben nicht.”

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Martin Daniel Fr., 24.03.2017 - 07:29

Wie ist es rechtlich überhaupt zulässig, die Verfahrensweise zur Abänderung des Autonomiestatuts, die per Definition eine verstärkte Norm sein müsste, einfach auszuhebeln? Eine Erweiterung des Verfassungsgesetzentwurfs nach dem Gutachten des Südt. Landtags verletzt doch offensichtlich die Regeln zum Schutz der Autonomie - oder gelten diese nicht, wenn die geschützte Minderheit die Initiative dafür selbst ausübt? Eine Änderung des statutarisch verankerten Wahlrechts im Alleingang einer einzigen Partei, noch dazu in Verletzung der Verfahrensvorschriften, erscheint mir demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Zumal das Wahlrecht selbst - laut Sen. Zeller, der mit dieser Begründung eine Volksabstimmung ausschließen wollte - ebenfalls "verstärkte" Gesetzgebungsmaterie darstellt, über deren Änderung ein breiter Konsens im beschließenden Organ bestehen sollte.

Fr., 24.03.2017 - 07:29 Permalink