Politik | Gastkommentar

Journalistische Selbstbeschränktheit

Das neue staatliche Mediengesetz wird Südtirols Schreiberzunft in die provinzielle Einigelung und ethnische Trennung führen. Können Journalisten das wollen?
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Foto: upi

Senator Zeller sagt mir, ihm persönlich sei’s wurscht, er habe es auf Drängen des Rai-Südtirol-Chefredakteurs getan. Dieser sagt dem Regionalen Journalisten-Kammerrat, ihm sei’s wurscht, der Zeller habe das so vorgeschlagen. Südtirols Journalisten sollen sich fortan nicht mehr wie bisher in einer gemeinsamen regionalen Berufskammer zusammen mit ihren Trentiner Kollegen organisieren müssen, sondern in einer eigenen Landeskammer. Das journalistische „Los von Trient“ wurde durchgesetzt mit einer unauffälligen Abänderung am neuen Pressegesetz (Nr. 198/2016), eingebracht von Karl Zeller.

Wenn nicht initiiert, wurde der Schritt jedenfalls massiv unterstützt von einer Unterschriftenkampagne, welche die Namen so gut wie aller journalistischen Angestellten der Rai-Südtirol, der Athesia sowie des Radiosenders Südtirol 1 trägt. Es ist – was für die Südtiroler Medienwelt erstmalig ist – eine Initiative von ausschließlich deutschsprachigen Kammer-Mitgliedern. So, als würde es ethnischen Stunk in der regionalen Journalistenkammer geben. Es gibt wechselseitige Vorhaltungen über mal gewährte, mal verweigerte Anerkennungen von Kursen. Nichts jedoch, was eine statutarische Trennung für gerechtfertigt, geschweige erforderlich erscheinen ließe.

So gewinnt die Liste der Separatisten unvermeidlich einen anti-italienischen Ruch.

Der rein deutsche Auftritt überrascht mehrfach. Zum einen ist im Südtirol von heute so gut wie jede Berufs- oder anderweitige Interessensgruppe um ein Minimum an Sprachgruppen übergreifender Geltung bemüht. Die der Journalisten waren es bisher besonders. Wäre die Trennung der Regionalkammer ein gesamt-südtirolisches Anliegen, zumindest einige italienische Journalisten hätten sich dafür gefunden. Offenbar will man sie nicht. So gewinnt die Liste der Separatisten unvermeidlich einen anti-italienischen Ruch. Tatsächlich fühlen Italiener die Aktion als gegen sich gerichtet. Sicher trägt sie nicht zu einem kollegialen Miteinander bei. Es ist beunruhigend, dass ausgerechnet Südtirols Journalisten diese ethnische Einigelung betreiben, nachdem sie in ihrer Standesvertretung bisher gern als die Offensten der Gesellschaft aufgetreten sind. Die nun juridisch vollzogene territoriale Trennung der Journalistenkammer wird de facto eine ethnische nach sich ziehen. Ob beabsichtigt oder passiert, es ist ein Rückfall ins „Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns“.

Die böse Tat zeitigt bereits Konsequenzen. Und sie dürften sich ausgerechnet für den deutschen Teil der Südtiroler Medienwelt als Bumerang erweisen: Am Donnerstag, 6. April, hat der Kulturausschuss der Abgeordnetenkammer das Durchführungsdekret zur künftigen Bestellung des Nationalen Kammerrats der Journalisten begutachtet. Er bekam es dabei außer mit dem für die Trennung der einen Regionalkammer Trentino-Südtirol in zwei Provinzialkammern Trient und Bozen auch noch mit einer zweiten Zeller-Schöpfung zu tun. Der Autonomie-Spezialist hatte ins Mediengesetz eingefügt (Art. 2, Absatz 5), dass im 60-köpfigen Nationalen Kammerrat jeweils ein Berufsjournalist und ein Publizist der anerkannten Sprachminderheiten angehören muss. Bisher gab es eine solche „Schutzklausel“ nicht, aber es saß seit je und unstrittig, gewissermaßen selbstverständlich und aufgrund eines Gentleman-Agreements, immer ein deutscher Südtiroler drin. Seit vielen Jahren schon und immer noch mit Hansjörg Kucera und vor ihm, auch lang, Franz von Walther, beide ehemalige leitende Rai-Sender-Bozen-Redakteure.

Es ist beunruhigend, dass ausgerechnet Südtirols Journalisten diese ethnische Einigelung betreiben.

Wie wird das nun gesetzlich festgeschriebene Vertretungsrecht der Minderheit in Zukunft gehandhabt werden? Aus Südtiroler Sicht höchst zweifelhaft. Das am Donnerstag im Kulturausschuss genehmigte Dekret sieht Folgendes vor: Die beiden Landes-Kammerräte Trient und Bozen wählen zusammen in einem gemeinsamen Wahlkreis zwei Vertreter in den nationalen Kammerrat. Einen Berufsjournalisten und einen Publizisten. So wie alle anderen Regionen auch. Dazu wird, aufgrund der Zellerschen Minderheiten-Schutzklausel, ein gesamtstaatlicher Wahlkreis für Sprachminderheiten eingerichtet. Wer sich bis 20 Tage vor dem Wahltermin einer der ein Dutzend anerkannten Sprachminderheiten zuerkennt, wählt im Minderheiten-Wahlkreis. Also auch, und vor allem, die deutschsüdtiroler Journalisten. Sie werden diesen Wahlkreis gewinnen, und der zweite Minderheitenvertreter wird einer anderen Minderheit (wahrscheinlich der slowenischen, die sich des Zeller-Paragrafen besonders bemächtigt haben).

Die Südtiroler Journalisten, dies die kuriose Folge einer nicht nötigen Schutzklausel, wählen fortan nicht mehr im eigenen territorialen Wahlkreis, sondern zusammen mit allen Minderheiten italienweit. Dabei wird man erst sehen, wer alles sich einer Minderheit zuerkennen wird. Ein objektives Kriterium, an das die meisten Mitglieder im Kulturausschuss der Abgeordnetenkammer blauäugig glauben, wird nicht durchsetzbar sein. Der sorglose juristische Umgang mit so heiklen Definitionen wie Sprachminderheit kann noch zu abenteuerlichsten Spekulationen und Absurditäten führen. Gut möglich, dass die Südtiroler Besonderheiten im Zusammenhang mit der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung es auf dem Umweg der Journalistenkammer-Wahl unerwünschter Weise zu einem staatsweiten Streitthema bringen.

Der sorglose juristische Umgang mit so heiklen Definitionen wie Sprachminderheit kann noch zu abenteuerlichsten Spekulationen und Absurditäten führen.

Und wer wird im Südtiroler Teil des Trentino-Südtiroler Wahlkreises wählen? Nach Buchstabe und Logik allein die italienischen Journalisten. Ist es das, was Zeller und was die deutschen Kammerspalter wollten? Der deutsche Teil (und wohl auch der ladinische) „ausgesiedelt“ ins Gesamtitalien, der kleinere italienische Rest allein zu Hause (mit einem sicheren Sitz). Und das alles nur, weil jemand glaubte, etwas, was klaglos funktioniert, in einen Minderheitenschutz-Paragrafen zwängen zu müssen. Je hemmungsloser wir regeln, desto absurder das Ergebnis. Drum seien wir heiter: Es besteht Hoffnung, dass alles nicht funktioniert.

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Hartmuth Staffler Fr., 07.04.2017 - 21:05

Die absolut überflüssige Institution Journalistenkammer, ein Überbleibsel der faschistischen Gängelei, gehört ersatzlos abgeschafft. Dann erübrigen sich all diese ebenso überflüssigen Spekulationen.

Fr., 07.04.2017 - 21:05 Permalink
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Stereo Typ Mo., 10.04.2017 - 10:53

Dass es eine Journalistenkammer überhaupt gibt, ist an sich problematisch. Viele gute Journalisten sind gar nicht eingeschrieben, man hat sich oft später entschieden, journalistisch tätig zu werden, und da ist ein 18-monatiges Praktikum einfach nicht mehr drin. Europäisch gesehen sind solche "Schutzkammern" sowieso problematisch, da sie Personen ausgrenzen und Privilegien sichern. Den Beirat für Kommunikationswesen hingegen finde ich gut. Eine Anlaufstelle bei pressrechtlichen Streitfragen braucht es weiterhin.

Mo., 10.04.2017 - 10:53 Permalink