Politik | Reizthema Leibrenten

Leibrenten für Töchter und Enkel

Die Hälfte aller italienischen Regionen hat die Leibrenten trotz aller Polemiken weder abgeschafft noch gekürzt. In Sizilien kassieren auch Kinder und Enkel die Renten.
Regionalparlament Sizilien
Foto: upi

Politikerrenten gelten unter Wutbürgern seit Jahren als besonderes Reizthema. Noch stärker erhitzen die umstrittenen Leibrenten die Gemüter. Besonders dann, wenn sie an Angehörige längst verstorbener Politiker gehen. Als wahres Paradies der verfemten vitalizi gilt Sizilien, jene autonome Region, die in den letzten 10 Jahren "vergessen" hat, 52 Milliarden an Steuern zu kassieren. Die Spuren der Leibrenten führen häufig zurück in die Nachkriegszeit. Natale Cacciola etwa wurde 1947 für die längst verschwundene monarchistische Partei in den sizilianischen Regionalrat gewählt, der dem Senat gleichgestellt ist. Für die drei Jahre, die er dort verbrachte, kassiert seine Tochter Anna Maria seit 42 Jahren eine monatliche Leibrente von 2000 Euro. Ähnlich liegt der Fall des Gewerkschafters Ignazio Adamo, der dem Regionalrat in Palermo von 1947 bis 1955 angehörte. Nach seinem Tod im Jahre 1973 ging die Leibrente an seine Frau über, die sie 40 Jahre lang kassierte. Nach dem Ableben der Mutter erhält  die Tochter des 1897 geborenen Abgeordneten Anna Rosa monatlich noch immer 3900 Euro. Kritik weisen die Angehörigen zurück:  "Non spetta certo a noi abolire il vitalizi.  

117 solcher Leibrenten schüttet die Assemblea Regionale Siciliana monatlich aus – mit Beträgen bis zu 10.000 Euro. So erhält die Witwe des Abgeordneten Vincenzo Leanza seit 14 Jahren eine monatliche Leibrente von 9.200 Euro, Angela Zoroschi, Ehefrau des 1993 verstorbenen Raffaele Avola 8.200 Euro.  Lina Caffarato, Witwe von Pompeo Colaianni, kassiert 8000 Euro. Die Leibrente ist auch dann fällig, wenn der Abgeordnete nur einzige Legislatur im Regionalparlament verbracht hat.

Natürlich betrifft diese Unsitte auch andere Regionen – vor allem Sardinien. In Kalabrien und Kampanien versuchen etliche Parteien, die abgeschafften Leibrenten in anderer Form wieder einzuführen. Jeder Versuch, sie rückwirkend abzuschaffen, ist bisher an der verfassungsrechtlichen Mauer der "diritti acquisiti" gescheitert. Auch in der Region Trentino-Südtirol erhalten etliche Witwen ehemaliger Abgeordneter eine Rente, auch wenn ihre vor Jahrzehnten verstorbenen Männer dem Regionalrat nur wenige Jahre angehörten. Wie La Repubblica vorrechnet, haben erst zehn Regionen den Parlamentsbeschluss von Oktober 2014 zur Kürzung bzw. Abschaffung der Leibrenten umgesetzt, die italienweit jährlich 150 Millionen verschlingen.

Bild
Profil für Benutzer Simon Lanzinger
Simon Lanzinger Mi., 19.04.2017 - 11:00

"In Kalabrien und Kampanien versuchen etliche Parteien, die abgeschafften Leibrenten in anderer Form wieder einzuführen." - finde hierzu leider keine Quellen. Kann mir jemand weiterhelfen?

Mi., 19.04.2017 - 11:00 Permalink