Gesellschaft | Abtreibungen

Nicht einfacher Abbruch

563 Abtreibungen gab es 2016 in Südtirol. Mehr als im Jahr davor. Die Anteil der ausländischen Frauen sowie jener der Jüngsten steigt. Ein Großteil der Ärzte verweigert.
Entscheidung
Foto: upi

Lange und heftig war in Italien für das Recht auf Abtreibung gekämpft worden. Knapp 40 Jahre sind vergangen seit das Parlament im Jahre 1978 das Gesetz 194 eingeführt hat. 1981 bestätigte die Bevölkerung das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in einem Referendum.
Das Landesstatistikinstitut ASTAT hat nun die jüngsten Daten zu den Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht. 563 Abtreibungen gab es 2016 an den Krankenhäusern von Bozen und Meran. Nur dort werden Abtreibungen vorgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr (517 Abbrüche) ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche um 9 Prozent gestiegen. Die Abbruchziffer beträgt 4,8 je 1.000 Frauen im gebärfähigen Alter. Zum Vergleich: 1980 lag dieser Wert noch bei 7,1, ist also “deutlich zurückgegangen”, beobachtet das ASTAT.

Im Laufe der Zeit ist indes der Anteil der Ausländerinnen an den Frauen, die abtreiben, gestiegen. 2016 entfallen 40,3 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche auf ausländische Frauen, 2001 waren es 17 Prozent gewesen. Das ASTAT erklärt diese Entwicklung folgendermaßen: “Zum einen steigt der Anteil der Ausländerinnen an der Gesamtbevölkerung stetig an, zum anderen neigen sie mehr als italienische Staatsbürgerinnen dazu, die Schwangerschaft abzubrechen.”

Am häufigsten lassen Frauen zwischen 30 und 39 Jahren eine Abtreibung vornehmen (42,6 Prozent). 10,7 Prozent der betroffenen Frauen sind unter 20 Jahre alt. Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt. 2015 lag der Anteil der jüngsten Altersklasse an den Abtreibungen noch bei 5,8 Prozent.

In Südtirol werden zum Abbruch einer Schwangerschaft zwei Methoden angewandt. Bis zur 7. Schwangerschaftswoche kann die Abtreibungspille RU486 verabreicht werden. Diese wurde erst 2009 in Italien zugelassen, zehn Jahre später als etwa in Deutschland oder Österreich. Bis zur 12. Woche finden Abtreibungen mittels Absaugung statt. Nach der 12. Schwangerschaftswoche ist ein Abbruch nur mehr in Ausnahmefällen erlaubt, etwa wenn schwerwiegende Komplikationen auftreten, die das Leben des Ungeborenen oder jenes der Mutter gefährden.

Die meisten Schwangerschaften, 54,4 Prozent, wurden 2016 zwischen der 9. und 10. Schwangerschaftswoche abgebrochen. Rund ein Viertel der Abtreibungen wurden innerhalb der 8. Woche vorgenommen. In 7,3 Prozent der Fälle wurde nach der 12. Woche abgetrieben. Am häufigsten (90,2 Prozent) wird in Südtirol die Absaug-Methode angewandt. Die Abtreibungspille RU486 wurde 2016 nur in 1,1 Prozent der Fälle verwendet.

Und noch eine Zahl gibt das ASTAT bekannt: 84,4 Prozent der Gynäkologen, die in Südtirols öffentlichen Krankenhäusern und Privatkliniken arbeiten, weigern sich, Abtreibungen vorzunehmen. Laut Gesundheitsministerium lag dieser Wert in Südtirol 2014 noch bei 92,9 Prozent. Südtirol war damit einer der Spitzenreiter bei der Verweigerung.
Das Gesetz 194/1978 ermöglicht es Ärzten, Anästhesisten und Krankenpflegern, Schwangerschaftsabbrüche aus Gewissensgründen zu verweigern. Neben religiösen und moralischen Überlegungen spielen oftmals auch die Karriere eine Rolle. Eine Forschung der Anthropologin Silvia De Zordo hat ergeben, dass vor allem junge Ärzte fürchten, sich Aufstiegschancen zu verbauen, wenn sie unter einem Primar, der selbst Verweigerer ist, Abtreibungen durchführen.

Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Do., 11.05.2017 - 12:55

Neben religiösen und moralischen Überlegungen spielen oftmals auch die Karriere eine Rolle. Eine Forschung der Anthropologin Silvia De Zordo hat ergeben, dass vor allem junge Ärzte fürchten, sich Aufstiegschancen zu verbauen, wenn sie unter einem Primar, der selbst Verweigerer ist, Abtreibungen durchführen.

Ja das ist die eigentliche Interpretation von vieler Ärzte des hypokratischen Eides: Primum non nocere bezieht sich bei viele auf die eigene Karriere.

Do., 11.05.2017 - 12:55 Permalink