Umwelt | Pestizide

"Die SVP wird unter Druck gesetzt"

M5S-Abgeordneter Paul Kölllensperger macht sich für rationale Lösungen im Pestizid-Streik stark. Und sieht den Spielraum der Landesregierung durch Lobbies eingeschränkt.
Paul Köllensperger
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Salto.bz: Herr Köllensperger, Sie haben das Thema Pflanzenschutz am Dienstag einmal mehr in den Landtag gebracht. Thema war diesmal eine neue Abstandsregelung von 5 Metern zwischen Flächen von konventionellen und Bio-Bauern.
Paul Köllensperger: Es macht ja schon länger das Gerücht die Runde, dass Landesrat Arnold Schuler in diesem Jahr einen Test zur Abstandsregelung durchführen lässt, in Zusammenhang mit der Frage, wer im Fall von Abdrift für den Schaden haftet. Bei diesem Forschungsprojekt, das noch bis Ende 2017 läuft, müssen Bio-Bauern, deren Grünflächen an jene konventioneller Bauern anschließen, fünf Meter zurückrücken. Also das sieht man für mich schon einmal, wer im Lande kommandiert, denn weichen muss der Leidtragende, nicht der Verursacher.

Doch sie bekommen den Flächenverlust ersetzt?
Ja, im Rahmen des Forschungsprojektes durch Landes- und EU-Gelder. Deshalb wollte ich gestern wissen, ob die Landesregierung vorhat, den Bio-Bauern diesen Schaden auch weiterhin mit öffentlichen Geldern zu ersetzen. Denn meiner Meinung nach wären dafür wenn schon die großen Obstgenossenschaften zuständig. Doch darauf hat Landesrat Schuler auch auf Nachfrage keine eindeutige Antwort gegeben. Klarer war er dann bei meiner zweiten Frage.

Also der Frage, wer für den Schaden aufkommt, der durch etwaige Pestizidkontaminierungen auf dem Grund von Bio-Bauern entsteht?
Genau. Hier hört man, dass eine Schlichtungsstelle kommen soll, vor der sich beide Seiten dann untereinander einigen sollen. Doch es gibt auch Gerüchte, wonach auch hier die öffentliche Hand für Schadenersatzzahlungen aufkommen könnte. Die hat Schuler dann aber auf meine Anfrage hin klar dementiert.

In jedem Fall könnte die Abdriftproblematik nun mit der 5-Meter-Abstandsregelung besser in den Griff bekommen werden?
Mah, ich persönlich habe starke Zweifel, dass das gerade im Vinschgau funktioniert. Dort geht die Abdrift teilweise kilometerweit, was sollen da fünf Meter ändern? Man kann dann wirklich nur an windstillen Tagen spritzen, doch die kann man im Vinschgau an einer Hand abzählen jedes Jahr. Die Bauern sagen, dass immer nur ein paar schwarze Schafe dafür verantwortlich sind. Das mag so sein oder nicht. Fakt ist, dass wir ein Abdriftproblem haben und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Projekt funktioniert. Aber lassen wir uns überraschen.

Haben Sie generell das Gefühl, dass die Landesregierung in ausreichendem Maß auf die Pestizid-Problematik reagiert?
Ich glaube, dass die Landesregierung und generell die Südtiroler Volkspartei bei dem Thema richtig unter Druck gesetzt wird, vor allem von der starken Bauernlobby. Meiner Einschätzung nach wissen sie sehr wohl, dass es ein brisantes Thema ist. Doch sie wissen nicht genau, wie sie aus der Situation herauskommen können. Und jetzt stehen auch die Wahlen wieder vor der Tür, deshalb erwarte ich mir nicht, dass demnächst noch etwas Großes passiert.

Sie haben das Thema Pestizide seit längerem zu Ihrem Steckenpferd gemacht. Fühlen Sie sich dabei im Landtag oft allein auf weiter Flur?
Steckenpferd ist vielleicht ein wenig übertrieben, ich muss mich als Ein- Mann-Fraktion um viele Themen kümmern. Aber ja, ich habe von Beginn an versucht, den Vinschgern ein wenig Rückendeckung zu geben, auch in Rom und Brüssel. Außer den Grünen und mir macht das im Landtag aber tatsächlich niemand. Und Florian Kronbichler engagiert sich in Rom für die Biobauern.

Was wäre von Ihnen aus derzeit der nächste wichtige Schritt in der Debatte?
Das Allerwichtigste wäre, endlich aus dieser Kontraposition Bio gegen Konventionell, Gut gegen Böse herauskommen und anhand von offiziellen und wissenschaftlichen Daten rationale Lösungen zu finden. Es gibt zum Beispiel in Laatsch ein Versuchsfeld, wo Windmessungen und alles gemacht wurden. Ich habe dort bisher nur inoffizielle Daten gesehen. Doch wenn die Ergebnisse definitiv vorliegen und man anhand dieser Daten feststellen sollte, dass man im Vinschgau das Abdriftproblem nicht in den Griff bekommt, müsste man halt die Courage haben zu sagen; Ok, dann müssen wir eben im Vinschgau konsequent auf biologische Produktion setzen.

Doch Gegenstimmen sagen, wir produzieren ohnehin schon fast jeden zweiten Bio-Apfel in Europa und der Markt ist nicht da....
Ja, das ist so das KO-Argument von Herbert Dorfmann. Doch die großen Biovermarkter in Italien, die ich gehört habe, wie zum Beispiel Alce Nero, sagen alle: Nur her mit de Ware, wir verkaufen gerne. Deshalb glaube ich, wenn die Vinschger das machen, schluckt das der Markt schon. Ich bin natürlich nicht so blauäugig zu denken,  dass nun ganz Südtirol auf Bio umstellen kann. Doch beginnen wir zumindest mal von Obervinschgau herunter. Auch weil, wie mir die Bio-Bauern sagen, nicht immer, aber in den meisten Jahren, unterm Strich ein besserer Ertrag mit Bio herausschaut. Doch wie gesagt, ich würde das Ganze nicht als Glaubenskrieg angehen..

Wie sonst?
Als Problem, das zu lösen ist. Denn das höchste Gut muss in meinen Augen die Gesundheit sein. Und die sollten wir nicht mit teils hochtoxischen Substanzen gefährden, die nicht nur auf Gründen von Biobauern, sondern auch in Schulhöfen oder Wohnungen landen. Deshalb ist dringend Handlungsbedarf gegeben und wir sollten alle daran interessiert sein, eine rationale Lösung zu finden.

Bild
Profil für Benutzer Hans Bibera
Hans Bibera Mo., 15.05.2017 - 11:07

"Macht basiert auf der Kontrolle relevanter Unsicherheitsfelder." (Michel Crozier und Ehrhard Friedberg).
Unsicherheitsfelder unter Kontrolle zu bringen ist an und für sich eine gute Sache und Aufgabe der Politik. Aber es gibt auch Aktionen der Macht nur der Macht wegen, zwar über Populismus.
Populismus erkennt man daran, dass Menschen hergehen selber Unsicherheitsfelder schaffen, die bei genauer Betrachtung nicht stimmen. Besonders geeignet sind abstrakte Felder, wie Sicherheit, Religion, Gesundheit usw. und nicht zuletzt die Politik selber.
Bei der Pestiziddiskussion können wir beobachten, dass der gesundheitsschädliche Faktor in Vergleich zu anderen weitaus schädlicheren Faktoren eher wirklichkeitsfremd vermittelt wird. Dazu kommt, dass die Gruppe der "Sündenböcke" relativ klein ist und somit politisch nicht so sehr ins Gewicht fällt. Es ist ein Leichtes die Masse gegen diese "Sündenböcke" zu mobilisieren und damit die Politik vor sich herzutreiben. Die Politik bekommt somit ihrerseits ein Unsicherheitsfeld, das sie wieder unter Kontrolle bringen muss.
Bis zum Schluss ist es eigentlich Mobbing im wahrsten Sinne des Wortes.

Mo., 15.05.2017 - 11:07 Permalink