Wirtschaft | Brenner

Gedrosselter Verkehr

Steht auch dieses Wochenende am Brenner alles still? Antworten auf Fragen, die sich jeder Autofahrer auf der A22 stellt.

Wie erklärt man seinen Gästen, dass sie von München bis Brenner genauso lang brauchen wie vom Brenner bis zu ihrem Südtiroler Urlaubsdomizil? Vor dieser Frage standen in den vergangenen Wochen viele Gastwirte im ganzen Land. „Wir haben wirklich großen Druck von unseren Mitgliedern“, sagt der Eisacktaler HGV-Bezirksobmann Helmut Tauber. „Diese stundenlangen Staus vor Sterzing sind mittlerweile geschäftsschädigend“. Doch es sind keineswegs nur Touristen und ihre Gastgeber, die an verkehrsreichen Wochenenden unter kilometerlangen Auto-Schlangen leiden. „Von Matrei bis Sterzing brauche ich über 2 Stunden. An der Mautstelle Sterzing stelle ich fest, dass von 6 Schaltern zwei geschlossen sind“, beschwerte sich etwa Polit-Pensionistin Eva Klotz stellvertretend für viele genervte Autofahrer vor zwei Wochen. Nimmt man bei der A22 also bewusst in Kauf, eine Urlaubsdestination zu schwächen und Einheimische in Rage zu versetzen?

Keineswegs, meint der Geschäftsführer der Autobahngesellschaft A22 Walter Pardatscher. Auch wenn seine Erklärung im ersten Moment danach aussieht. Denn: Es ist volle Absicht, dass bei der Mautstelle Sterzing auf der Südspur nicht alle Schalter geöffnet werden. Verkehrsdrosselung nennt sich das Bemühen, mit dem dafür gesorgt wird, dass nicht mehr als 3000 Fahrzeuge pro Stunde in Richtung Süden weiterfahren. Grund dafür sind die Rückstaus, die sich auf der Brennerautobahn an verkehrsreichen Wochenenden bereits ab den Morgenstunden vom Süden her immer mehr in Richtung Norden ausdehnen. „Spätestens wenn es auch in Bozen Nord zu stauen beginnt, greifen wir ein“, erklärt der Autobahn-Präsident. Und zwar, indem an der Mautstelle Sterzing maximal vier Schalter geöffnet bleiben. Damit soll verhindert werden, dass sich der Rückstau in die tunnelreiche Strecke zwischen Bozen Nord und Klausen weiterzieht. „Es mag zwar blöd aussehen, wenn die Autofahrer sehen, dass Schalter geschlossen bleiben, obwohl ohnehin nur ein Ticket zu ziehen wäre“, räumt auch Pardatscher ein. „Doch letztendlich ist es absolut im Sinne ihrer Sicherheit.“ Denn die Unfallgefahr würde bei Stau stark ansteigen – und das könne man sich auf einem engen und tunnelreichen Abschnitt wie im Eisacktal nicht leisten. Außerdem will der Autobahn-Betreiber generell vermeiden, dass Autofahrer in Tunnels feststecken – ob in einer Unfallsituation oder im normalen Stau. Wer tatsächlich in Richtung Süden weiterfährt, gewinnt durch diese Maßnahme laut dem A22-Geschäftsführer insgesamt Zeit. „Denn man mag vielleicht nördlich von Sterzing eine dreiviertel Stunde stehen“, sagt er. „Doch dafür ist die Autobahn danach bis Bozen frei.“

Dumm läuft es dagegen für alle jene Urlauber und sonstigen Autofahrer, die in Richtung Pustertal und Gadertal weiterfahren – und dort auf weitere Staus treffen. „Hier müssen wir über andere Lösugen nachdenken“, meint Pardatscher.

A22-Gesschäftsführer  Walter Pardatscher

"Die Nutzer nehmen Staus in Kauf und weichen auch nicht auf andere Verkehrsmittel aus.“

Spürbaren Erfolg zeigten laut dem A22-Geschäftsfürher dagegen im heurigen Sommer die Maßnahmen, die man auf der Nordspur gesetzt habe. Dort ist an der Mautstelle Sterzing schließlich nicht nur ein Ticket zu ziehen, sondern tatsächlich Maut zu bezahlen. Da sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt hatte, dass die Kapazität der Mautstelle nicht mehr für das gestiegene Verkehrsaufkommen ausreiche, seien heuer drei zusätzliche Pisten freigemacht worden. An verkehrsreichen Wochenenden würden auch alle automatischen Schalter mit Personal besetzt und im Abschnitt vor den Schaltern würden bereits die Preise für die wichtigsten Einfahrten angezeigt. „Das hat spürbare Auswirkungen gehabt, da viele Autofahrer bereits den korrekten Betrag hergerichtet haben, wenn sie an die Mautstelle kommen“, erzählt Pardatscher. Im Unterschied zur Mautstelle Schönberg, die oft als Vorbild zitiert wird, zahlt in Sterzing schließlich nicht jeder dieselbe Maut.

Was passiert, wenn die Übernachtungen Jahr für Jahr steigen und die Aufenhaltsdauer jährlich sinkt? 

So sehr sich die Hoteliers auch beschweren mögen, so offensichtlich ist laut dem Autobahn-Geschäftsführer eine Tatsache: Südtirols Tourismuswirtschaft schafft jedes Jahr mehr Verkehr. „Die Übernachtungen steigen Jahr für Jahr und die Aufenthaltsdauer sinkt alljährlich“. Deshalb würden mittlerweile an einem durchschnittlichen Sommer-Samstag an die 40.000 Fahrzeuge die Mautstelle in Sterzing passieren. Wunder wirken kann da auch ein Autobahn-Betreiber nicht. Obwohl zumindest mittelfristig auch für die Südspur ein wenig mehr Spielraum in Aussicht ist. Denn derzeit werden die Weichen für die dynamische Nutzung der Notspur zwischen Bozen und Verona gestellt, also für eine Ausweitung  der Fahrbahn auf drei Spuren bei Überlastung. Von Verona bis Modena wird die Autobahn konstant auf drei Spuren plus Notspur erweitert. Knapp 300 Millionen Euro werden insgesamt in das hochtechnologische Projekt investiert, mit dem auch der Tunnel bei Trient auf drei Spuren erweitert werden muss. Mehr als zwei Jahre wird es aber in jedem Fall noch dauern, bis man soweit ist, stellt Pardatscher in Aussicht.

Mit Widerstand rechnet der A22-Geschäftsführer nicht mehr. „Natürlich gibt es immer die Bedenken, dass mehr Verkehrswege mehr Verkehr schaffen“, sagt er. „Doch wie uns die derzeitige Situation zeigt, wird der Verkehr auch nicht weniger, wenn keine zusätzlichen Wege geschaffen werden.“ Denn, so Pardatschers ernüchternde Beobachtung: „Die Nutzer nehmen Staus in Kauf und weichen auch nicht auf andere Verkehrsmittel aus.“ Bleibt nur noch die Frage, wie lange Staus sie am heutigen Samstag in Kauf nehmen werden müssen? „ Laut unseren Prognosen wird das Verkehrsaufkommen insgesamt geringer sein als zuletzt und der Rückstau wird nicht bis Bozen reichen“, antwortet Pardatscher. „Das heißt, wir werden am Brenner mehr Fahrzeuge in Richtung Süden durchlassen können.“

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Thomas Knoll So., 25.09.2016 - 11:06

2 Stunden warten um den Zettel für 2,70 Euro zu ziehen um dann im Pustertal od. Klausen auszufahren - das geht an die Substanz und lässt den Aggressionspegel verständlicherweise steigen. Bei allen Argumenten hin oder her, diese Zustände müssen schnellstens mit Taten gelöst werden und können nicht schön geredet werden!

So., 25.09.2016 - 11:06 Permalink