Von Touristinnen und anderen Schafen
Wie gesagt, zumal ich also nicht regelmäßig in unserer Tageszeitung blättere, finde ich es umso beachtlicher, dass ich ausgerechnet die wenigen Male, die ich darin herumstöbere, auf zwei Leserbriefe stoße, beide zum gleichen Thema, nämlich dem Tourismus in unserem verwöhnten Land, oder besser dem Tourismus der kleineren Betriebe, nämlich der Mittelschicht, also jener Betriebe, die weder Urlaub auf dem Bauernhof sein könnenwollen und auch keine Vier- oder Fünfsternebetriebe. Kürzlich sagte dann auch noch der scheidende Herr Meister, ich glaube, in den Südtiroler Nachrichten um Acht (die ich übrigens auch nicht regelmäßig sehe), dass „wir wohl eher einen Plan für die Zwei- und Dreisterne-Betriebe“ brauchen, wie die wieder auf die Füße kommen können, in Sachen Investitionen und so.
Is big beautiful?
Ob wir einen solchen Plan brauchen, und noch mehr Investitionen, die sich dann womöglich auch wieder nur die Banken leisten können and those too big to fail, entzieht sich meiner Kenntnis, ich jedenfalls fände es schon sehr positiv, wenn unsere Landesregierung und die SMG oder wer immer sich da um die Bewerbung unserer Gästebetten bemüht, nicht immer so täte, als gäbe es in Südtirol überhaupt nichts anderes als Urlaub auf dem Bauernhof und riesige Vier-und-Fünf-Sterne-Wellness-odernochbesser-Medical-Wellness-und-Golf-Hotels. Beziehungsweise tun die dort unten im Land oder auf dem Land doch nachgerade so, als habe es außer diesen beiden Kategorien nichts zu geben, bitteschön, in diesem unserem herrlichen Tourismusland. Ich jedenfalls habe manchmal ein regelrecht schlechtes Gewissen, weil ich nur einen kleinen Dreisternebetrieb führe, mit einem ordentlichen Angebot, fairen Preisen, und einer Gastgeberin, die mag, was sie tut, und sich gern um ihre Gäste bemüht. Ich finde aber auch, dass durchaus ein Unterschied besteht zwischen Reisenden und Touristen, und ich mag erstere lieber als zweitere, aber wahrscheinlich gehöre ich einfach nur der falschen Generation an.
Monokultur(en) vs. Vielfalt
Aber das wollte ich ja eigentlich gar nicht sagen, sondern vielmehr, dass eine der eingangs erwähnten Leserbriefschreiberinnen sagte, dass die großen und übergroßen Hotels, zu denen mittelgroße Häuser vor mehreren Jahren auf Anraten der Landesregierung und anderen Tourismusexpertinnen angewachsen wurden, sich oft und gerne oder vielleicht auch ungern zu einem Preisniveau hinablassen (müssen), das jenem der Dreisterne-&-Co-Betriebe gefährlich nahe kommt, und also dem mittleren Segment die Gäste wegschnappen. Aber ich versteh das schon, irgendwie müssen die vielen Betten ja gefüllt werden, bei steigendem Angebot und stagnierender bis sinkender Nachfrage, und die Gäste, die fürs gleiche oder doch sehr ähnliches Geld lieber mehr Angebot buchen, die verstehe ich auch. In dieser eh schon Bedrängnis von der einen Seite wird das mittlere Segment auf der anderen Seite auch noch von den Bauernhöfen bedrängt, von denen ja eigentlich kein vernünftiger Mensch annehmen möchte, dass sie dem Mittelstand im Gastgewerbe eine Konkurrenz sein könnten. Sind sie aber, weil so mancher Bauernhof mittlerweile durchaus den Standard von fast schon Viersterne-Häusern bietet, Bio-Sauna inklusive, zu Bauernhofpreisen, und dazu gibt's dann noch den Bonus des (stark angeheizten) Trends zum naturnahen Urlaub auf dem Bauernhof. Doch doch, ich verstehe auch das, die Bauern, aber auch ihre Kunden, denn wenn ich Bäuerin oder Urlauberin wäre, würde ich es vielleicht genauso machen. So, und jetzt tun wir auf das Ganze noch die fürsorgliche, um es mal vorsichtig auszudrücken, Hand der Landesregierung drauf, und all derer, die ihr angehören und untergeordnet sind, direkt oder indirekt.
Das nun verstehe ich gar nicht, diesen fast schon verbissenen Willen zur Monokultur, nicht nur in Apfeldingen. Obwohl, irgendwie verstehe ich’s dann doch wieder, ist so eine Monokultur und überhaupt „Mono“ doch wahrscheinlich um einiges leichter zu handlen und zu kontrollieren als Multi oder Plural oder Vielfalt, ja, doch, irgendwie leuchtet's dann schon auch wieder ein.
Silvia! Du legst den Finger in eine typische Südtiroler Wunde.
So, jetzt hab' ich's geschafft, Silvia. Obwohl es erst 8.30 Uhr ist, habe ich schon von deinen Schafen gelesen und bin nun überzeugt, dass heute für dich ein guter Tag wird, wenn du ihn auf so hohem Niveau beginnst. Heute werden alle Vormerkungen in Südtirol bei dir gebucht, als Belohnung. Ausnahmsweise mal alles an den Mittelstand. Da hat wohl die Leserbriefschreiberin und auch du alles kapiert, was bei uns so läuft. Und das nicht nur im Tourismus. So könnten auch die Handwerker, die Industriellen, ja selbst die Bauern, vom Urlaub-Schwindel mal ganz abgesehen, und die Arbeitnehmer und die Steuerzahler generell lamentieren.
Aber der Grund dafür ist ganz einfach: Für die Partei ist es wichtig, auf jene zu achten, die die Musik im Lande machen, die Großen. Für die ganz Kleinen gibt es ein Trostpflaster als Feigenblatt-Aktion. Wenn' s ums Hereinholen geht, da trifft es andere, die von der Mitte.
Denn beim Kleinen gibt es nichts zu holen und beim Großen musst du aufpassen, dass er nicht nochmal nimmt, wenn du was holen willst.
Es ist so wie beim Klingelbeutel in der Kirche. Da hat der Pfarrer auch einmal gesagt: "Wenn ihr schon nicht bereit seid, etwas hineinzutun, so nehmt doch bitte nichts heraus."
Antwort auf Silvia! Du legst den Finger in eine typische Südtiroler Wunde. von Sebastian Felderer
Danke
Sebastian, für die Blumen und das "hohe Niveau" :-) Wirst sehen, wir kriegen das schon auch noch gebacken, du und ich (lei nia lugg lossn!). Ja, da kennst du dich ja aus, gell, im System Südtirol, ich hab da wohl noch einiges zu lernen :-) Jedenfalls, was ich auch immer nicht versteh (und vielleicht hast ja du eine Erklärung): Ich hör immer und alleweil von der "kleinstrukturierten Südtiroler Wirtschaft" schwärmen und frage mich, was verstehen die bloß unter "klein strukturiert"? Mich bedrückt's, ehrlich, wenn ich sehe, wie doch alles auf "Masse" ausgerichtet wird. Na gut, jetzt schaun mer mal, ob die, die da kommen werden, im System und in "der Partei", besser sind als das System und die Partei, in der sie groß geworden sind ;-)
Ja, Silvia, versteh ich auch
Ja, Silvia, versteh ich auch so...vor allem da sich Mono die zweite sehr stark aus Mono der ersten entwickelt hat, so seh ich es, mit allen steuerlichen Vorteilen, von der eine FreiberuflerIn nur träumen kann, terreni paludosi inbegriffen. Wir dürfen dabei auch nicht ganz die Kirche mir ihren Bildungseinrichtungen vergessen, denn wo irgendwo ein hauseigenes Kapellele steht, schwups...fällt schon wieder das steuerliche Augenmerk auf das Gemeinnützige und weg von der Tatsache, dass man im bildunghauseigenen, christlichen Betrieb zu durchaus gutbürgerlichen Preisen speist und nächtigt. Wo die Macht liegt, werden die Vorteile hausgebacken und das sieht man bei uns ganz besonders: nix mit multikulti Steuerkultur und ich find das dermaßen ungerecht. Ganz nebenbei sei erwähnt, (passt hier nicht hin, aber ich sags trotzdem) dass vom Land finazierte Beratungstellen Menschen mit super Einkommen Beratungen anbieten für sozusagen Sozialbeiträgen, um nicht zu meinen umsonst. FreiberuflerInnen dagegen erhalten nix, niet und müssen noch gegen diese unfaire Konkurrenz ankämpfen! Ein einkommensangemessener Beitrag für die Leistungen aller (wie in Österreich) wird seit Jahren konsequent abgelehnt, denn die Macht ist inzwischen konzentriert! So funktioniert das in Südtirol mit multikulti. Und dass Psychologen nicht der Mwstr. unterworfen sind, alle anderen Berater aber schon, ist italienweit unfair.
Antwort auf Ja, Silvia, versteh ich auch von no name
Wie meinst
du das, mit dem "einkommensangemessenen Beitrag"? Dass, wer mehr bis viel verdient, weniger bis nix an "sozialen" Leistungen in Anspruch nehmen kann? Da wäre ich zwar sehr dafür, kann aber nicht ganz mitdenken bei deinem Gedankenbogen zur konzentrierten Macht?! Und dass Psychologen nicht der Mwst. unterworfen sind, find' ich jetzt auch interessant, so eine Art "Grundnahrungsmittel", oder wie? Na ja, die haben ja aber vielleicht sonst allerhand (Be-)LASTungenEN zu tragen...
System Südtirol
Schön geschrieben, Silvia. System Südtirol, wobei in beiden Substantiven das Problem liegt, nicht nur in einem.
Antwort auf System Südtirol von Benno Kusstatscher
Du meinst,
Südtirol ohne System wäre immer noch ein Problem ;-) ? Oder gar, dass das System quasi eine Reaktion ist auf das Problem Südtirol? Oder wie? Na ja, ich hab' ja schon bei Sebastian geschrieben, jetzt schaun mer mal, wie sich das entwickelt, in Sachen System, und Südtirol, oder beidem!