„Es gibt in Mals keine Helden“
Salto.bz: Herr Schiebel, über Ihr Filmprojekt „Das Wunder von Mals“ wird seit längerem berichtet. Nun ist auch noch ein gleichnamiges Buch in Druck gegangen, das Anfang September herauskommen wird. Untertitel: Wie ein Dorf der Agrarindustrie die Stirn bietet - eine Anleitung zum Widerstand. Ein Begleitprodukt zum Film oder ein eigenständiges Projekt?
Alexander Schiebel: Kein Begleitprodukt, vielleicht sogar eher das Hauptprojekt. Die Idee, die Geschichte von Mals auch in einem Buch zu erzählen, ist mir vor einem Jahr gekommen, weil man in dieser Form viel mehr Tiefe erzeugen kann. In einem Buch kann man Hintergründe, die im Film schwer zu erklären sind, viel genauer erfassen und somit auch den Konflikt besser vermitteln. Auf den Punkt gebracht: in Buchform kann man das Drama besser verstehen und spannender miterleben.
Das Buch wird vom Münchner Oekom-Verlag herausgegeben, einem der wichtigsten deutschen Player, wenn es um Zeitschriften und Publikationen im Bereich der Nachhaltigkeit geht.
Ja, und ich bin sehr überrascht, weil bereits über 1000 Vorbestellungen in nur wenigen Wochen eingingen. Auch das Publikum überrascht mich, denn weit über 80 Prozent dieser Vorbestellungen kommen aus Deutschland.
Das wird Südtirols Touristikern und Apfelvermarktern weniger Freude bereiten als Ihnen.
Vor langer Zeit hat der Bio-Bauer und Käseproduzent Alexander Agethle einmal zu mir gesagt: Wir sind nicht ganz machtlos in Mals, denn es schwebt ein Damoklesschwert über Südtirols Apfelwirtschaft. Wenn sich in Deutschland einmal die Erkenntnis darüber verbreitet, wie intensiv der Pestizideinsatz im Obstanbau ist, dann ist Feuer am Dach. Vor allem, wenn dann auch noch eine Sorglosigkeit beim Ausbringen dazukommt, wie sie zum Beispiel vom Kräuterbauer Urban Gluderer regelmäßig dokumentiert wird, kommt das bei Urlaubsgästen nicht gut an. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich das Südtirol-Logo einmal in ein Pestizid-Tirol umgewandelt habe....
Das hat die damalige SMG alles andere als goutiert ...
Das war damals als augenzwinkernde Warnung gedacht.. Doch ich glaube, das wovor ich damals gewarnt habe, ist nun im vollen Gange. Vor allem wenn das Land jetzt nicht entschieden reagiert, und zwar endlich sachpolitisch, wird sich diese ganze Pestizid-Geschichte zum Riesen-Problem auswachsen. Das erinnert ein wenig an den Weinskandal: Wenn man es im Guten nicht versteht, dass die Weichen zu stellen sind, versteht man es eben nach einer Watschen.
„Ich denke, zumindest nach diesem Herbst bin ich nicht mehr bereit, mich alleine mit Tomaten bewerfen lassen. Wenn die Leute dann wollen, dass wir diese Diskussion doch noch weiterführen, dann müssen sie schon selbst aus den Löchern hervorkriechen.“
Und welche Weichen müssten von Ihnen aus gestellt werden?
Man hätte damals nur sagen müssen: Modellregion Obervinschgau? Ja gerne, wir lassen Euch in Ruhe. Es ist wohl wirklich nicht einzusehen, warum diese Betonwüsten des industriellen Apfelanbaus jetzt auch noch rund um Mals aufgezogen werden müssen. Hätte man das damals gesagt, gäbe es jetzt Frieden und in Südtirol könnte man sich auf die Brust klopfen und sagen: Wir sind die Vorreiter. Stattdessen ist diese sehr einfache politische Lösung am bäuerlichen und provinziellen Geist zerschellt. Jetzt geht es nur mehr um Sturheit und dieses „Wir lassen uns nichts sagen“.
Ihr Buch kommt Anfang September heraus, wann wird der Film zu sehen sein?
Der wird am 10. November Premiere haben, und zwar in ganz vielen Dörfern gleichzeitig, denn es gibt auch da ein recht reges Interesse.
Nur in Vinschger Dörfern?
Nein, nein, in Dörfern in Deutschland. Bisher sind es schätze ich knapp 100 Dörfer, in denen der Film gleichzeitig gezeigt wird. Parallel dazu werden wir ihn auch ins Kino bringen. Und in den ersten beiden Septemberwochen wird dann zur Abendsendezeit auch eine WDR-Arte-Produktion zu Mals auf Arte Re, dem Reportage-Kanal von Arte zu sehen sein. Ganz nebenbei bin ich zum Beispiel auch zu einer 45-minütigen Gesprächssendung beim ARD eingeladen worden. Man kann einfach sehen, wie dieses Thema in Deutschland derzeit ein gewaltiges Momentum hat. Es ist wie eine Welle, auf die immer mehr Menschen aufspringen. Und da wird auch noch einiges auf Südtirol zukommen.
In Südtirol dagegen ist es im Vergleich zu den vergangenen Jahren ein Stück weit ruhiger um Mals und die Pestiziddiskussion geworden.
Hier ist das Thema auch mit so einer Art Widerstands-Etikette belegt worden. Man darf etwas nicht zu nachhaltig wiederholen, sonst ist man humorlos. Ich höre zum Beispiel oft, dass ich ein Umwelt-Taliban sei.
Und das sind Sie nicht?
Ich kann nichts daran ändern, dass dieses Sachproblem weiterhin ungelöst besteht. Auch wenn es immer noch zu wenig bekannt ist: Die industrielle Landwirtschaft ist weltweit das größte Umweltproblem überhaupt. Unter halbwegs progressiven Agrarwissenschaftlern besteht längst Einigkeit darüber, dass es hier ein Umdenken braucht, das wir kleinflächiger und regionaler werden müssen. Diese Diskussion ist längst geführt. Alle wissen, wo es hingehen muss – außer eben in Südtirol.
Es gibt aber auch Menschen, die Ihnen nachsagen, dass Sie auf den Kampf der Malser und das Pestizid-Thema aufgesprungen sind und es nun zur eigenen Profilierung bzw. als Einkommensquelle ausschlachten. Stimmt das?
Für eine gute Sache - und die industrielle Landwirtschaft zurückzudrängen, ist als eines der wichtigsten Themen weltweit zweifelsohne eine gute Sache - kann man nur kämpfen, wenn man klare und lautere Motive hat. Sonst funktioniert es nicht, weil jeder deiner potentiellen Mitstreiter sofort begreift: Ach, dem geht es nur um sich selbst.
Aber das wird Ihnen ja auch teilweise vorgeworfen...
Ja, im Internet hat zum Beispiel vor kurzem jemand geschrieben, ich würde mir eine goldene Nase mit meinem Buch verdienen. Nun, wenn man acht Prozent vom Netto-Verkaufspreis auf die Arbeitszeit umrechnet, die so ein Buch erfordert, komme ich, selbst wenn es ein Bestseller werden würde, auf den Stundenlohn einer Raumpflegerin in der Schweiz.
Der ist zumindest besser als ein Südtiroler Raumpflegerlohn.
Bei durchschnittlichen Verkaufszahlen reden wir aber nur mehr von 6,60 Euro. Von goldener Nase kann da wirklich nur jemand reden, der zu lange zwischen Äpfeln gesessen hat – und eine Überdosis Pestizide geschnuppert hat.
Sprich, es geht um eine Mission – und wohl auch ein wenig Lust an Provokation?
Schauen Sie, ich bin eigentlich eine tragische Gestalt. Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich schon mindestens zehn Mal Lust gehabt, das Ding hinzuschmeißen. Selbst mir hängt das Thema und vor allem die Diskussion schon ein Stück weit zum Hals heraus. Doch ich habe ein Versprechen gegeben, einen Film abzuliefern – und zwar jenen Menschen, die mich vor zwei Jahren bei meiner kleinen Crowdfunding-Aktion für das Filmprojekt unterstützt haben. Denen wollte ich nun nicht einfach schreiben: Freunde, ich kann mit so wenig Geld keinen 90-Minuten-Film machen, ich gebe auf. Meine Sturheit bezieht sich also witzigerweise weniger auf das Sachthema, sondern auf das Versprechen, das ich gegeben habe.
"Ja, ich bin sehr leidenschaftlich, ich bin radikal, aber in einem, wie zumindest ich finde, positiven Sinne. Ich hau’ die Karten auf den Tisch und sage: Reden wir Tacheles. Aber ich hinterlasse keinen Scherbenhaufen."
Doch wenn das eingelöst ist, sprich der Film gezeigt ist, schließt Alexander Schiebel mit dem Thema Pestizide ab?
Schauen wir einmal. Aber ich denke zumindest nach diesem Herbst bin ich nicht mehr bereit, mich alleine mit Tomaten bewerfen lassen. Wenn die Leute dann wollen, dass wir diese Diskussion doch noch weiterführen, dann müssen sie schon selbst aus den Löchern hervorkriechen.
Die Tomaten sind symbolisch gemeint - oder gab es einen Vorfall, von dem wir nichts wissen?
Nein. Doch wenn ich auf Facebook etwas poste, können Sie sicher sein, dass ich mindestens 30 Mal beschimpft werde. In letzter Zeit lautet der Tenor, dass ich den Obstbauern durch mein ungerechtes Berichten ein Leid antue - und das natürlich aus unlauteren Motiven. Was ich daran wirklich witzig finde, ist die totale Umkehr von Täter und Opfer.
Weil eigentlich Sie das Opfer sind?
Ich meine damit, dass nicht irgendjemand gegen die Obstbauern hetzt, sondern sie auf die Malser eintreten und sich dann auch noch wundern, wenn man ihnen sagt, jetzt hört aber auf. Wenn wir uns den Konflikt noch einmal anschauen: Hier geht es um ein landwirtschaftliches Auslaufmodell, das heute seinen Betreibern ein wenig Geld bringt, aber letztlich stark vom Staat subventioniert wird. Und das nun auch rund um Mals aufgezogen werden soll, damit man dort auch noch ein wenig Geld verdienen kann. Doch die Malser Bevölkerung hat sich zu 76 Prozent dagegen ausgesprochen. Eine klare Ansage, end of the story, hätte man meinen können.
Doch die Geschichte war nicht zu Ende.
Nein. Doch sie geht nur deswegen weiter, weil bestimmte Lobbys sagen: Das lassen wir nicht zu, wir wollen im Obervinschgau das selbe Modell ausrollen wie überall anders. Und das ist der Konflikt.
In den Sie voll eingestiegen sind.
Nicht zuletzt, weil auch ich diese Landschaft hier wunderschön finde. Und nicht einsehen kann, dass man mit so einem Auslaufmodell die letzten intakten Flächen ruinieren will.
"Mir kommt vor, in diesem Land ist es ein Stück unmöglich, eingegliedert zu werden. Wenn es hart auf hart geht, heißt es hier: Du hast kein Mitspracherecht. Das habe ich auch bei dieser Paul-Rösch-Wahlbewegung bereits klar gespürt. Am Ende war klar: Der Piefke, der Deutsche, der Wiener, der Großkopferte, der ist nicht von uns, der hat hier keine ernsthafte Rolle zu spielen. Ganz im Sinne von Schillers „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“
Und das "Wunder von Mals" besteht darin, dass die Malser Gallier nicht besiegt werden können?
Ich spiele in meinem Buch tatsächlich mit diesem Asterix-Motiv und will dann natürlich wissen, woraus der Malser Zaubertrank besteht. Um am Ende drauf zu kommen, dass es gar keinen Zaubertrank gibt. Es gibt in Mals keine Helden, sondern nur normale Menschen, die sich allerdings eine Spur trotziger und ausdauernder verhalten. Also keine Menschen mit übermenschlichen Fähigkeiten oder besonderen Star-Qualitäten, aber eben einem Quentchen mehr Eigensinn und Ausdauer.
Sie wohnen mit Ihrer Familie ja selbst seit mehr als einem Jahr in Mals. Hat das Ihren Zugang zum Thema noch einmal verändert?
Sogar in einem noch viel extremeren Ausmaß als ich es mir erhofft habe. Denn zumindest ich kann eine Geschichte nur gut erzählen, wenn ich sie wirklich in die Tiefe hinein verstehe. Und dabei habe ich durch unseren Umzug große Fortschritte gemacht.
Sie sind eigentlich ein Stadtmensch, haben eine japanische Frau, wie ist da das Leben in einem kleinen Südtiroler Dorf?
Sehr schwierig, aber in gleichem Maß interessant. Wenn man eine Stadt verlässt, verliert man ganz viel, aber es nicht so, dass man dafür nichts anderes bekommt. Für mich persönlich geht die Sache auf. Ich liebe diese klare Luft und diese Landschaft wirklich, brauche sie mittlerweile beinahe. Aber für meine Familie ist es da wir dort schon herausfordernd.
Auch als Angehörige des Nestbeschmutzers?
Das spüre ich relativ wenig hier oben zum Glück, auch wenn manchmal schon etwas Komisches in der Luft liegt.
Doch Sie haben keine Probleme, in die Dorfgemeinschaft eingegliedert zu werden?
Die Leute sind sehr nett zu mir, doch mir kommt vor, in diesem Land ist es ein Stück unmöglich, eingegliedert zu werden. Wenn es hart auf hart geht, heißt es hier: Du hast kein Mitspracherecht. Ich verstehe nicht, wieso man nicht mitreden kann, wenn man seit fünf Jahren hier lebt. Das habe ich schon bei dieser Paul-Rösch-Wahlbewegung bereits klar gespürt. Am Ende war klar: Der Piefke, der Deutsche, der Wiener, der Großkopferte, der ist nicht von uns, der hat hier keine ernsthafte Rolle zu spielen. Ganz im Sinne von Schillers „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“
"Ich habe hier zwar wirklich ganz viele tolle Leute kennengelernt, aber auf der anderen Seite eben auch diese eigenartige ostblockartige Unterdrückung von Diskurs. Ich hoffe ja selbst ein wenig zu einer Auflockerung beitragen zu können. Und sollte es so sein, dann fein. Aber sonst ist das Engagement vor Ort sicher ein auslaufendes."
Sie sind nicht der einzige Wahlsüdtiroler, der so etwas erzählt.
Eine Gesellschaft besteht im Grunde aus einem Set von Regeln. Wie auch jede einzelne Fußballmannschaft ihre Regeln hat, nur dass die viel einfacher sind, während gesellschaftliche Regeln sehr komplex sind. Es gibt eine lange Liste, was man tun und was man nicht tun darf, und das muss man sehr genau verstehen. Ich habe mich zum Beispiel in der Paul-Rösch-Wahlbewegung immer für einen absolut sachlichen Umgang mit der Frage der Zweisprachigkeit in der Schule eingesetzt. Als Zugereister weißt Du ja nicht, dass man da an einer Geschichte rüttelst, die eine ungeheuer lange Vorgeschichte hat. Man sagst nur: Wie blöd seid Ihr eigentlich, das nicht als Chance zubegreifen?
Und erhält darauf welche Reaktion?
Nein, Du kennst dich nicht aus, das kannst Du nicht machen.... Ich meine, ein Land, in dem eine interethnische Liste der Grünen eine Heldentat ist – da kann man eigentlich nur sagen: Geh bitte! Das ist nur aus der Geschichte heraus verständlich. Aber selbst die Südtiroler Grünen und gescheite Leute wie ein Paul Rösch sind ein Stück weit betriebsblind für so etwas. Denn sie sind so in ihrer Kultur gefangen, auf die sie stolz sind und die sie begeistert hoch halten, dass ihnen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, diese Kultur kritisch zu betrachten. Und dort wo sie absurd ist, Stichwort Bildung, ist ihnen diese Absurdität völlig unbegreiflich.
Sie scheinen dagegen eine Faszination für diese blinde Flecken der Südtiroler zu haben...
Ich hatte ja zum Beispiel anfangs nicht einmal begriffen, dass die Apfelwirtschaft ein genauso tabuisiertes Thema ist. Das ist ja das Hauptproblem, dass die Südtiroler Bevölkerung angststarr auf dieses Thema hinschaut. Das ist so, wie wenn man die falsche Frau geheiratet hat, die Dir jedes Mal bei der kleinsten Kritik für zwei Stunden eine Goschen anhängt. Nach einiger Zeit sagst Du dann: Mich stört zwar gerade, was sie tut. Doch ich sage lieber nichts, weil sonst kann ich mir wieder zwei Stunden lang ihr Gekeppel anhören. Auf die gleiche Weise umschiffen die Südtiroler die Konfrontation mit den Bauern und sagen: Mit denen lege ich mich nicht an. Letztendlich beweist mein Kampf ja auch, dass sie zu Recht nicht in den Ring steigen. Weil wie diese Typen auf mich losgehen, ist ja eigentlich sensationell.
Und das wegen Ihres Film- bzw. Buchprojekts?
Ich habe mich da halt hingestellt und seitdem haben sie jemanden, an dem sie ihren Frust ablassen können. Aber es wäre halt wünschenswert, wenn da noch 200 neben mir stehen würden. Doch das trauen die sich buchstäblich nicht. Extrem frustrierend war mein Erlebnis mit diesem Thema in Meran. Dort haben wir schon bei der Entwicklung des Wahlprogramms reingeschrieben: Wir wollen eine regionale Landwirtschaft, weil je mehr Vielfalt umso weniger Pestizide und vielleicht irgendwann gar keine mehr.
Eine klassische grüne Position, könnte man sagen.
Tja, nur hat die Christl Kury schon beim Schreiben des Programms gemeint: Naja, nehmen wir es halt rein, dann können wir nachher etwas streichen. Und tatsächlich war genau diese Formulierung dann bei den Koalitionsverhandlungen, bei denen ich das Vergnügen hatte, dabei zu sein, das einzige, das die SVP wirklich draußen haben wollte. Letztendlich blieb der Punkt zwar dann doch drinnen, aber man sieht daran wie völlig tabuisiert dieses Thema ist.
Dennoch gerieten Sie zumindest hierzulande recht häufig in Konflikte. Nicht nur wegen Mals, sondern beispielswiese auch mit ihrem damaligen Auftraggeber SMG wegen der zu PestizidTirol verunglimpften Dachmarke. Und auch Ihre Zusammenarbeit mit Paul Rösch endete nach einer sehr intensiven Phase wieder. Ist das so Ihr Muster, mit viel Leidenschaft und kompromisslos an Projekte ranzugehen, aber dann am Ende immer wieder vor einem Scherbenhaufen zu stehen?
Das ist eine sehr gute Frage. Und sie hat auch einen wahren Kern. Denn ja, ich bin sehr leidenschaftlich, ich bin radikal, aber in einem, wie zumindest ich finde, positiven Sinne. Ich hau’ die Karten auf den Tisch und sage: Reden wir Tacheles. Aber ich hinterlasse keinen Scherbenhaufen. Bei der SMG, oder heute IDM, ging es ja damals auch schon um Äpfel. Die haben gesagt, hör auf dich dazu zu äußern, dann kannst du weiter für uns arbeiten.
Doch dazu waren Sie nicht bereit?
Ich kann doch nicht auf meine Grundrechte verzichten, damit ich ein paar Filmchen für die IDM machen darf. Tatsächlich haben aber die meisten Menschen meine Position nicht verstanden. Denn die lassen sich ein Grundrecht wie das Recht der freien Meinungsäußerung nach Belieben von ihren Arbeitgebern abkaufen. Das kommt ihnen sogar normal vor.
„Man kann einfach sehen, wie dieses Thema in Deutschland derzeit ein gewaltiges Momentum hat. Es ist wie eine Welle, auf die immer mehr Menschen aufspringen. Und da wird auch noch einiges auf uns zukommen.“
Und Merans Bürgermeister Paul Rösch, den Sie im Wahlkampf nicht nur als Zebra filmisch festhielten, sondern auch beraten haben?
Ich habe auch nach der Wahl auch noch seine Kommunikation mitbetreut, doch irgendwann wurde dann deutlich, dass wir in gewissen Sachfragen wie etwa der Direkten Demokratie unterschiedlicher Meinung sind. Und so haben sich Lennon und McCartney eben getrennt, aber nicht im Streit. Wir haben nur unsere Zusammenarbeit beendet, aber treffen uns weiterhin einmal im Monat. Und ich kann wirklich sagen, dass Paul Rösch einer meiner zwei engen Freunde hier ist, also von Scherbenhaufen keine Spur. Er ist vor allem intelligent genug , um unsere sachlichen Differenzen nicht zuzuschütten, sondern gemeinsam auszutragen. Doch als Menschen schätzen wir uns ungeheuer, und wenn mich Paul Rösch um 4 Uhr in der Früh anruft und um Hilfe bittet, sprinte ich los.
Sprinten Sie nicht eher bald wieder weiter? Diesbezüglich gab es auf Ihrer Facebook-Seite im vergangenen Frühjahr widersprüchliche Meldungen: Wir verlassen Südtirol, wir bleiben doch....Wie sieht es also aus mit dem Zelte abbrechen?
Ja, ich mache es da wie einst der Jörg Haider, ich gehe, ich gehe doch nicht (lacht). Wir hatten tatsächlich schon vor, Südtirol mit Ende des Schuljahres zu verlassen, doch dann kam der Rücktritt vom Rücktritt, also wir hängen noch ein Jahr dran. Denn das dicke Ende kommt ja nun im Herbst, mit dem Erscheinen des Buches und des Films, und das mache ich sicher noch mit. Dann muss ich mir aber überlegen, ob die aufgeweckten Südtiroler ausreichen, mich in diesem Land sozial wohlzufühlen. Ich habe hier zwar wirklich ganz viele tolle Leute kennengelernt, aber auf der anderen Seite eben auch diese eigenartige ostblockartige Unterdrückung von Diskurs. Ich hoffe ja selbst ein wenig zu einer Auflockerung beitragen zu können. Und sollte es so sein, dann fein. Aber sonst ist das Engagement vor Ort sicher ein auslaufendes.
Dann geht’s wieder zurück in eine Großstadt?
Dann gibt es sicher einen totalen Kulturwechsel. Genug mit deutschen Landen! Ich denke, dann wird die Reise eher in die englischsprachige Welt weitergehen. Aber jetzt warten wir einmal den Herbst ab, vielleicht erleben wir ja auch einen Frühling des Mutes in Bezug auf diese Pestizidfrage.
Haben Sie jetzt schon einen Titel für Ihre Südtiroler Jahre? Um was haben sie Ihr Leben bereichert – außer um zwei Kinder?
Ja, das auf jeden Fall, auch in der Hinsicht tut die Südtiroler Luft gut. Wir hatten zwei Kinder, als wir hier ankamen und jetzt haben wir vier. Doch nicht nur deswegen muss ich eigenartigerweise sagen: Der Titel lautet, die bei weitem schönste Zeit meines Lebens. Denn hier habe ich mir selbst erlaubt, Geschichtenerzähler zu sein. Das war anfangs das Projekt „Südtirol erzählt“ ...
Also ein Dokumentarfilm-Blog, mit Porträts aus Südtirol...
Der hat mir großen Spaß gemacht und war so eine Art Selbstfindung, denn ich habe bewusst nur über Gutes berichtet, also positive Psychologie. Zwei Jahre später bin ich dann über diese Geschichte mit Mals gestolpert und habe mir gedacht: Hier kann ich nicht schweigen, und außerdem wird die Geschichte natürlich spannender, wenn man die dunkle Seite nicht verschweigt. Also hab ich mir erlaubt, umstrittene dramatische Geschichten zu erzählen, was für mich persönlich innerlich ebenfalls eine wunderbare Entwicklung war.
Unangenehme Persönlichkeit ..
Unangenehme Persönlichkeit ... obwohl mir das Thema an sich sehr am Herzen liegt. Und das hat nichts mit dem "Mohr" zu tun - es gibt sowohl bei den Eingeborenen als auch bei den Zugewanderten Menschen, die einem sympathisch sind und solche, die es nicht sind.
G G (warum versteckt sich
G G (warum versteckt sich die Person hinter einem Kürzel?) ist ein Beispiel für die unterentwickelte Diskussionskultur in Südtirol: statt zu argumentieren, wird die emotionale Schiene gefahren. So einfach kann man es sich machen: man erklärt jemand für unsympathisch und erspart sich jede Argumentation!
Antwort auf G G (warum versteckt sich von Toni Ladurner
Man kann sich unter G G viel
Man kann sich unter G G viel vorstellen. Aber wenn man Personen angreift muss man auch ein Gesicht zeigen dass das Gegenüber sich wehren kann.
Ich verstehe Herrn Schiebel
Ich verstehe Herrn Schiebel sehr gut. Er trifft die Südtiroler Schwächen haarscharf. Oft fühlen sich viele Südtiroler wie er beschreibt. Wir können uns in unsere Familie und engen Freundschaftskreis zurückziehen. Andere wandern aus oder kommen nach dem Studium nicht zurück. Es werden übrigens immer mehr.
Eine sehr radikale
Kann es sei, dass die Südtiroler in der Radikalität der Austragung von Konflikten deshalb zurückhaltender sind, weil man Vertreter der Gegenseite oft persönlich kennt, einem mit manchen eine gemeinsame Vergangenheit verbindet? Kann es sein, dass es von außen kommend leichter fällt, die Karten auf den Tisch zu hauen und mit Freund und Feind Tacheles zu reden? Vielleicht wissend, dass man irgendwann weiterziehen kann?
Antwort auf Eine sehr radikale von Martin Daniel
Der Grund darin dass man sich
Der Grund liegt darin dass man sich kennt und die Gegenseite hinterherum agiert und so Leute fertigmacht. Es wird dann primitiv zurückgeschlagen ohne über die Folgen nachzudenken da Jeder im Bekanntenkreis zu seinen Gunsten denkt und arbeitet. Man sollte manche Dinge zu Ende denken bevor man den ersten Stein wirft.
Antwort auf Eine sehr radikale von Martin Daniel
Ich glaube dass wenn man mit
Ich glaube dass wenn man mit einem Freund Tacheles redet von vornherein mehr Respekt zur Meinung des gegenüber da ist und deshalb auch widersprüchliche Argumente und Positionen verstanden und respektiert werden.
Wenn man weiterzieht kann man sich sehr gut als Brandstifter austoben da man mit der verbrannten Erde nichts mehr tun muss man zieht ja weiter, "nach mir die Sintflut"
"Man kann einfach sehen, wie
"Man kann einfach sehen, wie dieses Thema in Deutschland derzeit ein gewaltiges Momentum hat." Ja das Thema "böser Giftbauer" ist mittlerweile zum Bestseller für die links-grüne Presse geworden, da geht es den konventionellen Bauern in Deutschland nicht anders als unseren hier in Südtirol. "Bad news are good news" und ohne Feindbilder kommen auch die weltoffenen und tolleranten Medien nicht aus.
die Geschichte.... Doch sie
die Geschichte.... Doch sie geht nur deswegen weiter, weil bestimmte Lobbys sagen: Das lassen wir nicht zu, wir wollen im Obervinschgau das selbe Modell ausrollen wie überall anders." Dem Modell der Ausbreitung der Apelmonokulturen setzt in Südtirol niemand etwas dagegen. Weder Verbände, die sich Umweltschutz auf die Fahnen schreiben (z.B. Alpenverein, Heimatpflegeverband, Dachverband für Natur und Umweltschutz usw), oder Parteien (z.B. Grüne) eröffnen Diskussionen und Perspektiven für die nachhaltige, umweltschonende Landwirtschaft (z.B. stärkere Förderung der traditionellen Berglandwirtschaft, des Bioanbaus usw). Die weitere Ausdehung der Apfelmonokulturen im Obervinschgaus ist symtomatisch für die weitere Intensivierung der Landwirtschaft. Schaut man auf http://vegemont.laimburg.it der Laimburg, dann können wir in Zukunft mit Gemüseäckern auf Almen rechnen. Nicht im Talboden bei den Obstbäumen werden diese Kulturen vorgeschlagen, sondern in höheren Lagen bis hinauf auf die Almen.
Antwort auf die Geschichte.... Doch sie von martin hilpold
Herr Hilpold, Sie sind doch
Herr Hilpold, Sie sind doch jemand der ganz genau weiß dass das nicht wegen ein paar Forschern der Laimburg ist sondern die Folgen des Klimawandels welcher Anbauarten in großen Höhen möglich macht.
Hauptschuld am Klimawandel ist der Flugverkehr aber davon will niemand sprechen man will ja billig auf allen Orten dieser Welt seine "Ich war hier-Fähnchen" stecken.
Antwort auf Herr Hilpold, Sie sind doch von Klemens Kössler
Nein, Herr Kössler, der
Die Hauptursache für den Klimawandel ist die Landwirtschaft. Vor allem unser Heißhunger nach Fleisch.
Antwort auf Nein, Herr Kössler, der von Alexander Schiebel
Nicht die Landwirtschaft ist
Nicht die Landwirtschaft ist die Ursache für den Klimawandel, sondern unser aller Lebensstil. Aber der Bauer gibt immer einen guten Sündenbock ab. Ich bin gespannt für was wir noch alles verantwortlich sein werden. Ich bin überzeugt bei der Kreativität in diesem Blog werden die Themen so schnell nicht ausgehen. Der Schuldige ist dann wie immer sicher schnell gefunden.
Antwort auf Nein, Herr Kössler, der von Alexander Schiebel
Diese Aussage von Herrn
Diese Aussage von Herrn Schiebel ist falsch: Der Beitrag der Landwirtschaft zu den jährlichen Treibhausgasemissionen beträgt je nach Land zwischen 10 und 20%. Andere Sektoren wie Verkehr oder Energie tragen im Schnitt stärker dazu bei. In Südtirol ist liegt der Anteil der Landwirtschaft bei etwas über 15%, der Hauptanteil kommt dabei übrigens aus der Grünlandwirtschaft.
Antwort auf Nein, Herr Kössler, der von Alexander Schiebel
@Thomas Gurschler
@Thomas Gurschler
Es geht nicht darum, dass der Bauer der Sündenbock ist. Es geht darum, dass jeder seinen Anteil, seinen Beitrag zum Klimawandel einerseits und der Boden- und Trinkwasser-Kontaminierung andererseits sieht, zugibt und Konsequenzen daraus zieht. Aber so lange die Bauern das nicht sehen wollen und abstreiten, müssen sie die Anfeindungen aushalten.
Allgemein möchte ich differenzieren: Ich glaube, dass die intensive, industrielle Tierhaltung, die es in Südtirol wohl nur am Rande gibt, besonders viel zur Umweltverschmutzung beiträgt. Einerseits das Klima durch die Treibhausgase und andererseits den Boden und das Trinkwasser. In Großen Teilen Frankreichs und Deutschlands ist das Trinkwasser, das als Grundwasser gefördert wird, kontaminiert und nicht mehr brauchbar.
Der industrielle Apfelanbau, um den es in die Beitrag in erster Linie geht, hat wohl eher weniger mit dem Klimawandel zu tun; trägt aber in anderer Form zu Umweltverschmutzung bei!
Antwort auf @Thomas Gurschler von Sepp.Bacher
"Es geht nicht darum, dass
"Es geht nicht darum, dass der Bauer der Sündenbock ist. Es geht darum, dass jeder seinen Anteil, seinen Beitrag zum Klimawandel einerseits und der Boden- und Trinkwasser-Kontaminierung andererseits sieht, zugibt und Konsequenzen daraus zieht. Aber so lange die Bauern das nicht sehen wollen und abstreiten, müssen sie die Anfeindungen aushalten."
Ich versteh nicht wie man den Widerspruch in dieser für (konventionelle) Landwirtschaftsgegner typischen Argumentationskette nicht erkennen kann. Am Anfang heißt es man will den Bauern nicht zum Sündenbock machen, aber zwei Sätze weiter heißt es der Bauer muss die Anfeindung aushalten. Lieber Herr Bacher, wenn die Anfeindung legitim ist, wieso soll die Gleichgültigkeit als Reaktion es nicht sein? Wie würden Sie denn in so einer Situation reagieren?
Antwort auf "Es geht nicht darum, dass von Mensch Ärgerdi…
Entweder Sie haben die Hälfte
Entweder Sie haben die Hälfte überlesen oder Sie wollen nicht verstehen! Der Bauer als Rinder-Halter usw. trägt unbestritten in kleinerem oder größerem (Massentierhaltung) Maße Mitschuld an der Vermehrung der Treibhausgase, denn Rinder erzeugen Methangas. Und zu diesem Anteil muß er stehen. Ebenso müssen auch alle anderen Methangas- bzw. Klimagas-Produzenten zu ihrer Mitschuld stehen. Warum wollen die Bauern immer die unschuldigen Engel spielen. Niemand streitet ab, dass auch sie unter bestimmten Konditionen wirtschaften müssen, aber das befreit sie nicht von ihrer Verantwortung!
Antwort auf Entweder Sie haben die Hälfte von Sepp.Bacher
Niemand ist gegen die
Niemand ist gegen die Landwirtschaft, nur muss für die Wahrheit Platz sein. Da es sich hier um das Thema Pestizide in Obstbau handelt muss der Landwirt dazu stehen dass die ausgebrachten Mittel nicht zur "Umweltentlastung" beitragen.
Malosco hat es vorgemacht dass bereits eine bestimmte Abstandsregelung dafür da ist die Anwohner ein Klein wenig zu schützen. Hier wäre auch bei uns auf komunaler Ebene viel zu regeln.
Antwort auf die Geschichte.... Doch sie von martin hilpold
z.B. stärkere Förderung der
"z.B. stärkere Förderung der traditionellen Berglandwirtschaft, des Bioanbaus usw). Die weitere Ausdehung der Apfelmonokulturen im Obervinschgaus ist symtomatisch für die weitere Intensivierung der Landwirtschaft."
Apropos heiliger Bio-Apfel, der wird auch in Monokulturen produziert! Von außen sehen die Plantagen auch gleich aus, nur bei der Bioplantage ist der Traktor samt Sprühgerät viel öfter anzutreffen (es kann sogar zur Abdrift von Bio-Mitteln auf konventionellen Plantagen kommen!). Bio-Wein, Bio-Weizen, Bio-Mais, Bio-Gemüse und zig andere Bio-Produkte werden in Monokulturen angebaut.
Antwort auf z.B. stärkere Förderung der von Mensch Ärgerdi…
Ja, eh. Und genau deswegen
Ja, eh. Und genau deswegen ist Bio auch nicht die wirkliche Lösung, sondern nur ein Schritt in die richtige Richtung.
Antwort auf Ja, eh. Und genau deswegen von Alexander Schiebel
Ja natürlich wären
Ja natürlich wären Permakulturen wie sie z.B. Sepp Holzer vormacht das Gelbe vom Ei, aber bis wir soweit kommen muss erst mal der Verbraucher (auch im Mals) das auch wollen.
Antwort auf Ja natürlich wären von Mensch Ärgerdi…
Nein. Es reicht auch, wenn
Nein. Es reicht auch, wenn die Politik entsprechende Regeln schafft.