Chronik | Urbanistik

Pizzininis Doppelsieg

Der Gadertaler Hotelier Paolo Pizzinini darf seine neue Hofstelle errichten. Verwaltungsrichterin Margit Falk-Ebner hat zwei Klagen dagegen regelrecht zerlegt.
rosa alpina
Foto: salto
Paolo Pizzinini kann sich freuen.
Der Gerichtsfall um die geplante Errichtung seiner neuen Hofstelle dürfte ein für allemal erledigt sein. Das Verwaltungsgericht Bozen hat jetzt gleich zwei Klagen gegen den Neubau seines geschlossenen Hofes in Abtei abgewiesen. Demnach ist der Bau rechtens und der Gadertaler Hotelier wird den bereits begonnenen Neubau der neuen Hofstelle noch in diesem Jahr beenden können.
Salto.bz hat mehrmals über die Bauaffäre berichtet. Die Geschichte im Schnelldurchlauf: Der Besitzer und Seniorchef des 5-Sterne-Hotels „Rosa Alpina“ Paolo Pizzinini hat Ende 2015 bei der Gemeinde Abtei um die Errichtung einer neuen Hofstelle für seinen geschlossenen Hof „Gasthaus zur Alpenrose“ angesucht. Im Mai 2016 erteilte die Gemeinde die Baugenehmigung. Dabei hatte der Gadertaler Hotelier in den vergangenen fünf Jahrzehnten bereits die gesamte Wohnkubatur des Hofes zu Wohnungen und Hotelanlagen verbaut.
Jetzt – so argumentierten der Gesuchsteller und die Gemeinde – habe der geschlossene Hof keine Hofstelle mehr und deshalb wird Pizzinini erlaubt, ein neues Wohnhaus und ein neues Wirtschaftsgebäude zu bauen. Zudem kann er das „Aparthotel Rosa Alpina“, das ursprüngliche Wohngebäude des geschlossenen Hofes, aussiedeln. All das obwohl unbestritten ist, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit auf Pizzininis Hof bereits Ende der 1960er Jahre aufgeben wurde.
 
Marina Crazzolara ist eine Nachbarin von Paolo Pizzinini. Ihr Mann Luca Crazzolara hat zusammen mit zwei weiteren Bauern, Christian Crazzolara und Vito Agreiter bei der Landesregierung gegen den Hofneubau Rekurs eingereicht. Am 25. November 2016 hat die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung diesen Rekurs mit 5 zu einer Stimme angenommen. Die zwei Hauptgründe für die Entscheidung waren, die Tatsache, dass die Wohnkubatur eines geschlossenen Hofes nicht zweimal verbaut werden kann und Hotelier Paolo Pizzinini eindeutig kein Bauer ist.
Die Landesregierung hat über den Rekurs bis heute nicht entschieden. Man wollte das Urteil des Verwaltungsgerichtes abwarten. Denn die Schwester von Luca Crazzolara, Ingrid, sowie seine Tochter Ylenia haben vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bauherrn Pizzinini und die Gemeinde Abtei geklagt. Im Februar 2017 schloss sich auch der Heimatpflegeverband Südtirol einer der beiden Klage als Nebenkläger an.
 

Doppelte Watschen

 
Manfred Schullian kann sich freuen.
Der SVP-Parlamentarier und Anwalt ist einer der gefragtesten Experten, wenn es vor Gericht um Streitfälle urbanistischer Natur geht. So hat er auch die Verteidigung der Gemeinde Abtei in Sachen Hofneubau Pizzini übernommen. Sowohl im Rekurs vor dem Land, wo er den zuständigen Stellen ein detailliertes Promemoria zukommen lies, wie auch in den Verteidigungsschriftsätzen vor dem Verwaltungsgericht wartet der Anwalt mit juridischen und raumordnerischen Spitzfindigkeiten auf, die jeden Normalsterblichen schwindelig werden lassen.
Das Verwaltungsgericht ist jetzt in allen Punkten der Argumentation Schullians gefolgt und hat der Gemeinde und Paolo Pizzinini voll Recht gegeben. Am 5. Juli ging in der Bozner Gerstburg die Schlussverhandlung zu den beiden Crazzolara Klagen über die Bühne. Am Montag wurden die Urteile in den beiden Fällen veröffentlicht.
Berichtserstatterin und Urteilsverfasserin Margit Falk-Ebner hat in den zwei Urteilen in allen zentralen Punkten die Argumentation des Anwaltes übernommen. Die Urteile lesen sich fast deckungsgleich mit den Verteidigungsschriftsätzen Schullians und des Pizzini-Rechtsanwaltes Hartmann Reichhalter.
 
Vor allem aber hat Richterin Falk-Ebner die Kläger und Rekurssteller gleich doppelt abgewatscht.
Denn der Richtersenat (Edith Engl, Terenzio Del Gaudio, Margit Falk Ebner und Lorenza Pantozzi Lerjefors) ist zum Schluss gekommen, dass beiden Klägerinnen die Berechtigung für eine Klage fehlt. Sowohl die Gemeinde Abtei wie auch Paolo Pizzinini hatten diesen Punkt aufgeworfen.
Die Klage von Ylenia Crazzolara wurde als unzulässig erklärt. Der Klägerin fehle die Aktivlegitimation, da sie nicht eine unmittelbare Nachbarin des Grundstück sei, wo Paolo Pizzinini seinen Neubau errichtet.  Die Klage der direkten Nachbarin Ingrid Crazzolara wurde laut Urteil verspätet eingereicht. Pizzinini hatte am 25. Mai 2016 den Beginn der Bauarbeiten gemeldet, Crazzolara hat ihren Rekurs aber erst zehn Monate später beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Klägerin erklärte, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt erfahren hätte, dass neben ihr nicht nur ein Heustadel gebaut werde, sondern ein neue Hofstelle. Das Gericht ließ diesen Einwand nicht gelten und urteilt, dass die Klage unzulässig sei.


Ein Präzedenzfall

 
Damit wäre es eigentlich getan. Denn laut geltender Rechtssprechung ist das Gericht bei Unzulässigkeit einer Klage davon befreit, auf den Fall inhaltlich (in Meritum) einzugehen.
Genau darauf weist Margit Falk-Ebner dann in den beiden Urteilen auch hin.
Schon im Vorfeld waren Gerüchte laut geworden, dass sich das Verwaltungsgericht möglicherweise dieses heiklen Falles so entledigen würde.
Doch die Ehefrau des Dolomiten-Chefredakteurs geht in ihrem Urteil viel weiter.
Der Rekurs ist nicht nur unzulässig, sondern auch in der Hauptsache unbegründet, wie aus den nachstehenden Überlegungen hervorgeht“, schreibt die Richterin. Danach folgt auf 33 Seiten die Begründung, warum Paolo Pizzinini einen neuen geschlossenen Hof bauen darf.
Die 33 Seiten im Urteil, mit denen das Verwaltungsgericht Paolo Pizzinini Recht gibt, sind ein Vademekum für unzählige Südtiroler Bauern und Hoteliers, die genau dieselbe Immobilienoperation planen, wie sie das Südtiroler Verwaltungsgericht jetzt abgesegnet hat.
Der Hauptgrund: Das Gericht kommt zum Schluss, dass der geschlossene Hof „Gasthaus zur Alpenrose“ seit Jahrzehnten keine Hofstelle mehr habe. Die Hotelkubaturen rund um das Luxushotel „Rosa Alpina“ seien auf anderen Parzellen und unter anderen urbanistischen Zweckbestimmungen errichtet worden.
Damit wurden die Kläger gleich zweifach abgestraft. Was eine Berufung vor dem Staatsrat fast aussichtslos erscheinen lässt. Das Gericht verurteilte die Kläger gleichzeitig auch zur Bezahlung aller Prozesskosten.
Der Fall Pizzinini dürfte damit rechtlich geschlossen sein.
Politisch wird er aber erst jetzt wirklich heiß werden. Denn die 33 Seiten im Urteil, mit denen das Verwaltungsgericht Paolo Pizzinini Recht gibt, sind ein Vademekum für unzählige Südtiroler Bauern und Hoteliers, die genau dieselbe Immobilienoperation planen, wie sie das Südtiroler Verwaltungsgericht jetzt abgesegnet hat.
Der Ausweg: Die Landespolitik ändert wieder einmal das Urbanistikgesetz. Wetten dass?
 
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Mensch Ärgerdi… Mi., 16.08.2017 - 12:43

Der Ursprung allen Übels liegt hier im Gesetz zum geschlossenen Hof und den Urbanistikbestimmungen und wer hat's erfunden?
Richtig! Immer die selben Leute.

Mi., 16.08.2017 - 12:43 Permalink
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Ein Leser Mi., 16.08.2017 - 18:18

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Hier muss ich Sie berichtigen: Nur im Urbanistikgesetz.
Im Gesetz zum geschlossenen Hof werden Sie nirgends eine Bestimmung über ein Baurecht finden oder wer bauen darf.
Und bezgl. "erfinden": das Südt. Höferecht geht auf das Tiroler Höferecht zurück, dessen Ursprünge bereits im Mittelalter zu finden sind.

Mi., 16.08.2017 - 18:18 Permalink
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Ein Leser Mi., 16.08.2017 - 19:37

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Natürlich entspricht es nicht jenem im Mittelalter, aber sie haben ja behauptet, dass beide Gesetze vom "Gleichen" erfunden wurden.
Natürlich steht im Höfegesetz wer schließen darf nicht natürlich wurde/wird das immer wieder ausgenutzt.
Im Fall Rosa Alpina handelt es sich aber um einen von alters her geschlossenen Hof (aus einem Bauernhof wurde ein Hotel, das immer wieder, aufgrund der urb. Bestimmungen zum Tourismus, erweitert wurde) und somit ist es eine reine urbanistiche Geschichte. Wie gesagt: Nur im Raumordnungsgesetz sind die Baumöglichkeiten verankert.

Mi., 16.08.2017 - 19:37 Permalink
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Marina Rubatscher Di., 22.08.2017 - 13:54

"Doppelte Watschn" - mal saftig links, mal saftig rechts - können, je nachdem wem man sie gerade austeilt, sogar eine aufmunternde Wirkung ausüben.
Wetten, dass die Spielkarten neu verteilt werden...?

Di., 22.08.2017 - 13:54 Permalink