Von wegen andere Bedürfnisse
Warum ist die Jugendarbeit in einem Land, in dem sich Eltern, Betriebe, aber auch die Politik Mehrsprachigkeit wünschen, vom „üblichen ethno-strukturellen Graben“ durchzogen? Noch dazu, nachdem erst unlängst wieder die Kolipsi-Studie deutlich aufzeigte, wie wichtig außerschulische Kontakte zur Verbesserung der immer schlechteren Zweitsprachenkenntnisse von Südtirols Jugendlichen wären. Statt konkret die Möglichkeiten für Jugendliche zu fördern, in Jugendzentren und Jugendtreffs auf Gleichaltrige der anderen Sprachgruppe zu treffen, wird aber auch in diesem Bereich säuberliche Südtiroler Trennung betrieben.
„Wir haben im Land ein Amt für Jugendarbeit unter der Abteilung deutsche Kultur auf der einen Seite, ein ufficio politiche giovanili unter der Abteilung cultura italiana auf der anderen“, erinnert Ivo Passler, vormals in der offenen Jugendarbeit tätig, heute als Schulsozialpädagoge immer noch mit beiden Beinen in der Kinder- und Jugendarbeit daheim. Zwei Sprach-Kultur-Container für sich, zweisam einsam nebeneinander, lautet seine Kritik. Denn Brücken gäbe es bis auf wenige Ausnahmen wie den allseits herumgereichten „Zug der Erinnerung – treno della memoira“ kaum bis keine. „Brückenprojekte zwischen deutschen und italienischen Jugendzentren werden alles andere als gefördert - bis auf ein zwei Vorzeigeprojekte scheinen sie geradezu verhindert“, sagt Ivo Passler.
Am unverständlichsten findet er die Argumentation, mit der solch getrennte Realitäten gerechtfertigt werden: Die sogenannte „italienische“ und sogenannte „deutsche“ Jugendarbeit würden auf kulturverschiedenen Richtlinien aufbauen. Es gäbe sprachgruppenspezifisch ganz andere "Bedürfnisse" der Jugendlichen, deshalb eine andere Didaktik und Methodik der Jugendarbeit. „Wenn das nicht völkisch-verkalkte Argumentationslinien sind? Immerhin sprechen wir hier auch von der offenen Jugendarbeit… von offenen Jugendzentren, in denen überall dieselben Calcettos stehen, derselbe Rauch qualmt, und übrigens ja sowieso ein guter Teil des Klientels heute das Label ‚mit Migrationshintergrund' trägt“, so Passler.
"Ich wurde immer hergebremst, vor allem vom italienischen Amt."
Klaus Nothdurfter kennt solche Kritik hinlänglich. Und zumindest stückweise teilt sie der langjährige Direktor des deutschen Amtes für Jugendarbeit auch. „Dass sich in 30 Jahren nicht mehr verändert hat, gibt mir schon zu denken“, sagt er. Schließlich fällt auch ihm außer dem „Zug der Erinnerung“ nur mehr der Verein für Kinderspielplätze (VKE) ein, den sein Amt gemeinsam mit seinem italienischen Pendant finanziert. Und das, obwohl bereits in vielen Anläufen versucht wurde, die sprachgruppenübergreifende Zusammenarbeit in der Jugendarbeit anzustupsen. Gerda Gius, bis vor fast vier Jahren Vize-Direktorin des Amtes, hatte sich dem Thema beispielsweise seit Ende der Achtziger Jahre, verschrieben. „Doch ich wurde immer hergebremst, vor allem vom italienischen Amt“, erzählt sie heute.
Als sie beispielsweise im Jahr 2010 die Arbeitsgruppe „PraxisInterCultura“ (PIC) maßgeblich mitinitiierte, geschah das mit dem Wunsch, eine sprachgruppenübergreifende Arbeitsgruppe von JugendarbeiterInnen zu schaffen, die sich mehrmals im Jahr treffen, um sich zum Thema interkulturelle Jugendarbeit auszutauschen und gemeinsame Projekte umsetzen. Doch auch nach sieben Jahren und vielen Einladungen an das italienische Amt für Jugendarbeit bleibt das Netzwerk ein Produkt der deutschsprachigen Jugendarbeit. Sprich: AkteurInnen aus dem „deutschen“ Feld bemühen sich um Sensibilisierung in Bezug auf Interkulturalität. Der stärkere Austausch mit Jugendarbeiterinnen und Jugendlichen aus der anderen Sprachgruppe bleibt dagegen außen vor. Schließlich verirren sich laut einem Mitglied der PIC-Kerngruppe nur sehr vereinzelt VertreterInnen des italienischen Spektrums zu den drei Mal im Jahr stattfindenden PIC-Tagungen. Darunter vor zwei Jahren auch eine Projektmitarbeiterin des italienischen Amtes für Jugendarbeit – die dort beauftragt worden war, das Thema Interkulturalität für die Italiener voranzutreiben.
Eigene Süppchen
Jeder kocht eben sein eigenes Süppchen. Obwohl das zumindest von Seiten des deutschen Amtes für Jugendarbeit keineswegs so gewollt wäre, wie Klaus Nothdurfer unterstreicht. „Die PIC-Gruppe wäre beispielsweise offen für alle drei Sprachgruppen, aber was sollen wir tun, wenn niemand kommt“, fragt er. In den Jugendzentren selbst sieht der langjährige Amtsdirektor die Durchmischung der Sprachgruppen nicht einmal so im Argen. „Es gibt auch Zentren, wo es passt – wie zum Beispiel im Bozner Bunker oder im Papperlapapp“, sagt Nothdurfter. Doch gemeinsame Projekte mit seinem Kollegen im italienischen Amt anzustoßen oder zu finanzieren, sei tatsächlich schwierig, räumt er ein. Ein konkretes Beispiel aus den vergangenen Jahren? Die Idee, Jugendliche aus dem Vinschger Dorf Matsch und dem Bozner Stadtviertel Don Bosco miteinander in Verbindung zu bringen. „Ich habe damals mit den Jugendarbeitern gesprochen und gesagt: Macht was“, erzählt Klaus Nothdurfter. „Von Seiten des italienischen Amtes wurde eine Sozialgenossenschaft für viel Geld damit beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten – woraufhin das ganze Vorhaben wieder versandet ist.“
Einer von vielen Gründen, mit denen der Amtsdirektor des deutschen Amtes für Jugendarbeit erklärt, warum es so gut wie nie um gemeinsame Vorhaben geht, wenn es sich einmal im Monat mit seinem italienischen Amtskollegen zusammensetzt. Sicher ist auf jeden Fall, dass die „unterschiedlichen sprachgruppenspezifischen Bedürfnisse“ nicht an der Basis, also bei den Jugendlichen oder Jugendarbeitern zu suchen sind. Vielmehr sind es Politik und Verwaltung, die Jugendarbeit in vielen Aspekten so anders definieren, dass Gemeinsames tatsächlich schwierig wird. Orientiert man sich in der deutschsprachigen Jugendarbeit seit jeher stark am Subsidiaritätsprinzip, wird in der in der italienischen Welt weit mehr von oben herab diktiert.
„Wenn das nicht völkisch-verkalkte Argumentationslinien sind? Immerhin sprechen wir hier auch von der offenen Jugendarbeit… von offenen Jugendzentren, in denen überall dieselben Calcettos stehen, derselbe Rauch qualmt, und übrigens ja sowieso ein guter Teil des Klientels heute das Label ‚mit Migrationshintergrund' trägt".
Das beginnt laut Nothdurfter bei der Jungschar, die ein eigenständiger Verein sei, während in den italienischen Pfarreien auch die Jugendarbeit vom Pfarrer bestimmt werde. Doch auch in den Ämtern scheint ein unterschiedliches Verständnis der eigenen Funktion vorzuherrschen. „Bei uns stehen Dialog und Partnerschaft ganz oben“, unterstreicht der Direktor des deutschen Amtes für Jugendarbeit. „Entschieden wird von den NGOs, wir dagegen haben die Förderkriterien so zu gestalten, dass sie gut arbeiten können.“ Auch Parteizugehörigkeit sei in der deutschen Jugendarbeit kein Thema, während sie in der italienischen Jugendarbeit eine große Rolle spiele, wie nicht nur Notdurfter unterstreicht. Schließlich gilt es als offenes Geheimnis, dass alles, was nicht zum Partito Democratico (PD) passt, riskiert, nicht gefördert zu werden.
In der jüngeren Vergangenheit wurde das Brückenschlagen gar von PD-internen Grabenkämpfen erschwert: Denn solange Mauro Randi in Bozen Assessor war, waren „die italienische Jugend- und Kulturpolitik sowie die italienische Jugend- und Kulturpolitik der Stadt Bozen zwei Paar Schuhe“, erzählt Klaus Nothdurfter. Wenn dem möglichen Ansprechpartner gemeinsamer Initiativen in der Landeshauptstadt in der eigenen Partei keine Erfolge gegönnt werden, erschwert sich die Zusammenarbeit klarerweise zusätzlich.
Drogen, Alkohol, Integrationsprobleme? No grazie
Eines der größten Hindernisse für mehr Gemeinsames scheint jedoch die unterschiedliche Konzeption von Jugendarbeit in den Ämtern zu sein. „Bei den Italienern hat man eine intellektuell-kulturpolitische Ausrichtung, auf deutscher Seite dagegen ein soziale“, bringt es der Amtsdirektor auf den Punkt. Zumindest seit Christian Tommasini das politische Zepter schwingt, werde in der italienischen Jugendarbeit vor allem auf die intellektuelle Oberschicht gesetzt. Zum Beispiel mit kreativen Werkstätten für leistungsstarke Oberschüler und Studierende – böse Zungen behaupten auch, für den PD-Nachwuchs.
Themen wie Drogen, Alkohol oder Gewalt würden dort alle an den Sozialbereich weitergereicht, sagt Klaus Nothdurfter. In der deutschsprachigen Jugendarbeit würden sie dagegen als Kernaufgaben gesehen – genauso wie die Etablierung von Jugendzentren als Treffpunkt zwischen Einheimischen und MigrantInnen. Eine Herausforderung, die Klaus Nothdurfter zur Zeit ohnehin als weit dringlicher betrachtet als die sprachgruppenübergreifende Zusammenarbeit.
Im von seinem Amt gerade neu geschriebenen Jugendförderungsprogramm scheint sie natürlich dennoch als Ziel auf. „Zusammenarbeit gelingt dann besser, wenn man von gemeinsamen Grundsätzen ausgehen kann“, steht dort unter anderem. „Ziel ist es deshalb, Grundlagen zu schaffen für die Entwicklung einer gemeinsamen Jugendpolitik in Südtirol.“ Um die Voraussetzungen dafür ist es in den „zweisam einsamen Sprach-Kultur-Containern“ aber offensichtlich immer noch schlecht bestellt.
Mann o Mann, Oliver H.
Mann o Mann, Oliver H.
Sie können immer nur persönlich werden. Was für ein abgegriffenes, dummes und ungerechtes Argument! Ja ich bin auch für die Normierung von geringeren Papierkonsum. Deshalb muss ich mir von Ihnen (no Body) nicht vorschreiben lassen mir ausschliesslich mit Wasser den Arsch zu putzen!!
Ehrlich gesagt, niemand auf salto würde Ihren nonsense vermissen. Wenn ich auf diese Art von Humor und Weisheiten Lust habe, ziehe ich mir lieber “das Leben des Brain“ rein.
Ob in Zeiten der
Ob in Zeiten der Rationalisierungen nicht einige doch um ihre Arbeitsplätze bangen, wenn man alles sprachgruppenübergreifend gestalten würde?
Antwort auf Ob in Zeiten der von Mensch Ärgerdi…
Das ist ein wichtiger Aspekt!
Das ist ein wichtiger Aspekt!
Andererseits glaube ich nicht, dass die Politik dieses Thema angeht. Einmal ausgelacht zu werden, weil man ein mehr- oder zweisprachiges Konzept durchziehen will und dann auch noch Recourssen sparen wollen? Nein, das traue ich keinem liberalen Denker und Macher in Südtirol zu. Und würde auch in unseren Breiten nicht viel Anklang finden, leider... Deshalb müssen die öffentlichen Angestellten auch nicht um ihre Arbeitsplätze bangen. Wenn dann werden diese gekürzt, weil Soziales alles nur als Spesen und nicht als Investition gesehen wird.
Mich würde allerdings jetzt
Mich würde allerdings jetzt brennend interessieren, was das italienische Pendant von Nothdurfter uns erzählen wird.