Belluno, so finde ich, ist ein sehr interessantes und themen-verwandtes Nachbarland. Hat es doch Ladinische Talschaften, teilt mit uns die Unesco-Dolomiten und – für die Traditionalisten: es beherrbergt ja auch Teile des historischen Tirols (lassen wir das mit der Operationszone Alpenvorland hier lieber). Mit vielen seiner Besonderheiten passt es ja auch nicht wie die Faust aufs Auge zum restlichen Venezien.
Und Belluno ist spannend: Mann, wie es dort abgeht! Die Provinz wird von Monti aufgelöst. Die Bevölkerung stimmt auf Gemeindeebene ab, wohin sie sich entwickeln möchte. Ist es politische Resignation? Ist es wirtschaftliche Benachteiligung in Nachbarschaft zu den Autonomieprovinzen? Ist es eine neue Identitätsfindung? Manche wollen zu Südtirol, manche zum Trentino. Das Cadore zieht es wohl zum Friaul. Wird die Einheit des Landes zerrissen?
Die Ergebnisse der jüngsten Volksbefragung waren ernüchternd. Feltre & co warten lieber erst einmal ab, wie es mit dem neuen Venezien so geht. Die orientieren sich jetzt ja an Bayern (riecht irgendwie nach Alemagna). Eigentlich ist das kein Wunder, das offizielle Südtirol hat ja bislang die kalte Schulter gezeigt. Wir wollen ja nichts vom Kuchen abgeben und schon gar nicht das empfindliche deutsch/italienische Kräfteverhältnis stören. Die Autonomie wollen wir weiterentwickeln, klar, aber doch nicht in diesem Sinne! Irgendwann wird mir schon einer erklären, warum unsere ausgehölte Region nicht aus drei autonomen(!) Provinzen bestehen könnte. Anderswo wird der Globalisierung mit Verbrüderung begegnet. Bei uns mit Abgrenzung, könnte man da resümieren.
In den frühen 2000er-Jahren hat sich die Euregio wohl mit den Ladinischen Belluneser-Gemeinden beschäftigt, oder ist vielmehr von den Gemeinden aufgesucht worden. Aber seit damals hört man auch nichts mehr davon. Ich wenigstens nicht. Es hat einmal ein Vordenker (war es Anton Pelinka? Ich bin beschämt, aber ich finde die Quelle nicht mehr) Belluno mit der Euregio und gar noch mit Vorarlberg in einem Atemzug erwähnt. Das das war wohl zu visionär. Wählern hierzulande scheinen auch Visionen wie Doppelstaatsbürgerschaft, Freistaat oder Vollautonomie fürs Kreuzchen in der Urne zu reichen.
Weil Belluno spannend ist, wollte ich mich zu den Volkbefragungen informieren. Wie schwierig! Dem Tagblatt der Südtiroler bzw. STOL waren die jüngsten Volksbefragungen wenigstens ein paar Randbemerkungen wert. Information ist anders. Bei den anderen hiesigen Medien bin ich noch weniger fündig geworden, wenigstens ein paar Meldungen in Trentiner Blättern. Wie kann es sein, dass uns Belluno so wenig tangiert?
Nein, es ist nicht so, dass ich zu dem Thema eine gefestigte Meinung hätte und ein bestimmtes Ziele verfolgen würde. Nur werde ich das Gefühl nicht los, dass wir hier eine historische Chance ungenutzt verstreichen lassen. Es wäre beruhigend, wenn die Thematik mehr politisch/medial/gesellschaftlich diskutiert werden würde, vielleicht bekomme ich dazu hier bei salto.bz erste Unterstützung. Oder soll ich mir doch ein höheres Ziel setzten? Wie wär’s, wenn „unsere“ politischen Parteien uns bis zu den Landtagswahlen erklären würden, wie sie sich die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern vorstellen (ob als Freistaat oder Vollautonomie oder bei der nächsten Anti-Alemagna-Demo oder wie auch immer)?