Eine Lanze für Langtaufers
“Wir sitzen alle im selben Boot.” Sehnsüchtig wartet Paul Jakomet auf den Tag, an dem die Landesregierung über die Skiverbindung zwischen dem Langtauferer Tal und dem Kaunertaler Gletscher auf Nordtiroler Seite befinden wird. Und der Geschäftsführer der Oberländer Gletscherbahn AG, die das Projekt vorgelegt hat, ist tatsächlich nicht alleine. Auch die Gegner der Skiverbindung sind ungeduldig. Und von denen gibt es mehr als man in den vergangenen Monaten hätte vermuten können.
Verkauftes Tal?
“Die überwältigende Mehrheit der Talbevölkerung ist für das Projekt, ansonsten wären wir es gar nie angegangen”, beteuert Jakomet im Gespräch mit salto.bz. “Weit über 70 Prozent” der Langtauferer wollten die Anbindung an das Nordtiroler Gletscher-Skigebiet. Tatsächlich? Wer sich vor Ort umhört, hört die andere Glocke erstaunlich laut läuten. “Es ist bei Weitem nicht so, wie es die andere Seite darstellt, das Tal ist tief gespalten und die Meinungen gehen weit auseinander”, heißt es. Bereits vor zwei Monaten wandten sich die Gegner der Skiverbindung mit einem offenen Brief – und 80 Unterschriften aus Langtaufers – an die Öffentlichkeit
Darin listete man auch die Gründe auf, die zusätzlich zu jenen der Umweltschützer, Heimatpfleger und Alpenvereine gegen die Errichtung einer Aufstiegsanlage vom Weiler Melag hinauf auf das 3.100 Meter hoch gelegene Karlesjoch am Kaunertaler Gletscher sprechen: Es seien vor allem die Nordtiroler, allen voran die Kaunertaler Gletscherbahnen GmbH, die ein Interesse an der Verbindung hätten. Dort, auf Nordtiroler Seite sei die Situation “alles andere als rosig”, berichtet einer, der sich auf der anderen Seite der Grenze umgehört hat: “Sie brauchen uns, weil es dort schlecht läuft.”
Man befürchtet, das Tal den Nordtirolern auszuliefern. Denn die Kaunertaler Gletscherbahnen GmbH hält mit 69,58 Prozent den allergrößten Anteil an der Oberländer Gletscherbahn AG – und würde damit den Ton im geplanten Skigebiet im Obervinschgau angeben.
Zeichen der Zeit
Versprechen wie jenes von der Schaffung 70 neuer Arbeitsplätze durch eine skitechnische Erschließung “ringen uns Berglern daher ein müdes Lächeln ab”, heißt es in dem offenen Brief. Die Langtauferer würden wenig bis überhaupt nicht von neuen Arbeitsplätzen im Gastgewerbe profitieren, sagen die Gegner. Viele pendeln zum Arbeiten ohnehin in die Schweiz, mit deren Löhne auch eine Oberländer Gletscherbahn AG nicht konkurrieren könnte. Auch die Wirtschaftlichkeit eines Skigebietes Langtaufers-Kaunertal hinterfragen viele kritisch. Die Studie, die die Projektanten vorgelegt haben, sei “voller Annahmen, die höchstwahrscheinlich nicht eintreten werden”, sagen die Gegner im Tal. Die Verbindung ins Kaunertal als Allheilmittel für ein strukturschwache Region? “Lächerlich”, sagen gar einige Langtauferer im Gespräch mit salto.bz.
Insbesondere, weil der Skitourismus nach und nach an Attraktivität verliert, die Zahl der Skifahrer rückläufig ist – und viele Wintergäste etwas anderes suchen. “Mehr denn je die unberührte Natur”, hat man auch in Langtaufers festgestellt. Für viele ist das einzige vorstellbare, wünschenswerte und nachhaltige Szenario für ihr Tal: die “sanfte Alternative”, von der auch Naturschützer, Grüne, aber auch ein namhafter Experte wie Tourismusfachmann Thomas Aichner sprechen. “Das Tal eignet sich hervorragend für andere Aktivitäten als das Skifahren: Langlaufen, Skitouren, Schneeschuhwandern, kulinarische Erlebnisse”, erklärt einer, der das Langtauferer Tal wie seine Westentasche kennt. Daher sei es “schleierhaft, warum man einem Zug nachrennen will, der nicht nur längst abgefahren, sondern schon so weit weg ist, dass man ihn gar nicht mehr sieht”.
Noch einmal negativ
Von der Politik ist so mancher im Tal enttäuscht. Seit 30 Jahren lebt der Traum von der grenzüberschreitenden Skiverbindung, doch jene, die von Anfang an dagegen waren, ärgern sich: “Keiner hatte bisher die Schneid, zu sagen: Jetzt ist Schluss!” Einen Schlussstrich kann – zumindest vorerst – nur die Landesregierung ziehen. Seit Monaten warten Befürworter wie Gegner auf den entsprechenden Beschluss. “Die Landesregierung könnte jetzt entscheiden”, drängt Andreas Riedl, Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz. Denn das letzte Gutachten des Landesumweltbeirates liegt inzwischen seit einem knappen Monat vor.
Dieses war notwendig geworden, weil die Oberländer Gletscherbahn AG im Juli Einspruch eingelegt hatte – man wollte das erste Gutachten des Umweltbeirates, das negativ ausgefallen war, entkräftigen. Doch bei der Sitzung am vergangenen 18. Oktober sprach sich der Umweltbeirat erneut gegen die Skiverbindung aus. “Das erste Gutachten wurde bestätigt, die Stellungnahme des Beirates ist negativ”, bestätigt der Direktor des Amtes Umweltverträglichkeitprüfung, Paul Gänsbacher.
Noch einmal warten
Und was sagt der zuständige Landesrat? Richard Theiner vertröstet – erneut. “Diese Woche steht die Entscheidung nicht auf der Tagesordnung”, sagt er zu salto.bz am Montag. “Ich denke, dass sie noch diesen Monat fallen wird”, so Theiner, auf jeden Fall aber heuer. Wird sich die Landesregierung an die negativen Gutachten des Umweltbeirates halten, wie es Dachverband, Heimatpfleger, Grüne – und nicht zuletzt auch die Gegner der Skiverbindung im Langtauferer Tal fordern? Und trotz immer näher rückender Wahltermine und des Drucks aus Wirtschaft und Nordtirol Nein zur Skiverbindung sagen?
“Das wäre nur logisch – eigentlich wäre ja alles schon entschieden”, spricht einer den Gegnern aus der Seele. “Aber in der Politik ist eben nichts logisch.” Die Hoffnung, dass die Landesregierung im Sinne jener, die “die Zukunft unseres Tales selbst in die Hand nehmen und es schrittweise für uns und unsere Nachkommen in Wert setzen” wollen, wie es in dem offenen Brief heißt, entscheidet. Die Skiverbindung nach Nordtirol sei “die schlechteste Option für Langtaufers: Wenn wir diesen Weg gehen, ist unser Tal und damit unsere Heimat verkauft”.
Die Touristen aus den
Die Touristen aus den Hochburgen im oberen Gericht würden via Reschen-Langtaufers viel unbeschwerlicher den Kaunertaler Gletscher erreichen als über die Kaunertalerstraße. Das Ergebnis wäre eigentlich nur mehr Verkehr auf der Langtauferer Straße, eventuell ein großer Parkplatz am Talende. Bis die Investition abbezahlt ist, dürfte der Gletscher auch weg sein. Aber schön, wie man versucht das als positiv für das ganze Oberland zu verkaufen.
Es wäre an der Zeit, dass
Es wäre an der Zeit, dass auch unsere Politiker durch ihre Entscheidungen Zeichen setzen, die aufzeigen, dass eine intakte Naturlandschaft eine unversiegbare Quelle ist, aus der jeder einzelne Mensch für sich schöpfen kann, und damit letztendlich nachhaltige Wertschöpfung (auch im ökonomischen Sinn!) für die Gemeinschaft ermöglicht. Denn, dass die Politiker das nicht verstehen, weigere ich mich zu glauben!
Die Ablehnung der Kaunertal-Verbindung wäre ein solches Zeichen!
Fürwahr, auf diesen Zug
Fürwahr, auf diesen Zug aufzuspringen entspräche genau dem Muster der Modetrends: Wenn die hinterste Provinz einen Trend rezipiert, dann wurde dieser von den Vorreiten längst ad acta gelegt und neue Wege beschritten. Der Schaden für das Tal bliebe. Und die vertane Chance, wie z.B. Matsch auf den neuesten Trend zu setzen, der da hieße: Zurück zur (authentischen) Natur, Ruhe und Entschleunigung.