Gesellschaft | Brief an Bauernbund

Vom stolzen Stand zur Randgruppe?

Wohin wollen Sie die Südtiroler Bauern führen? Eine der Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft, die der Autor in einem offenen Brief an den Südtiroler Bauerbund stellt.
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Foto: Albin Egger Lienz | Mähende Bauern

Sehr geehrte Herren,

ich komme viel herum in Südtirol und freue mich über gute Gespräche mit engagierten Leuten, die sich mit der Zukunft beschäftigen. Dabei kommt der Produktion gesunder und hochwertiger Nahrungsmittel in einer nachhaltig, sanft und ökologisch gestalteten Landwirtschaft eine besondere Rolle zu. 

Wir spüren, dass wir in Wandelzeiten leben und dass wir eine entscheidende Phase durchschreiten. Viele wollen den Wandel in eine sanfte und nachhaltige Richtung begleiten und strahlen Zuversicht aus, dass das gelingen wird.

Ich sehe viele Beispiele, die mich hoffnungsfroh stimmen, dass wir den zerstörerischen Kreislauf von sinnloser Wachstumslogik, Preisdrückerei, Sozialdumping, globalem Wettbewerb, Biodiversitätsverarmung, Zerstörung der natürlichen Ressourcen, Vergiftung von Böden, Luft und Wasser und anderen Auswüchsen monokultureller Landwirtschaft durchbrechen können.

Immer wieder begeistern mich engagierte Bio-Bauern durch ihr Fachwissen, ihre Erfahrung und Demut und mit der tiefen Überzeugung, dass sie den richtigen Weg gefunden haben, der sie zu selbstbestimmten Bauern macht, die von ihrer Arbeit auch gut leben können. Materiell und ideell!

Und dann spüre ich wieder Arroganz, Hass und zerstörerische Wut auf uns Spinner, auf die Grünen, Roten, auf die Bauernfeinde, die Müsli-Gutmenschen, die Öko-Fanaten, als die wir von Seiten der konventionellen Landwirtschaft gerne abgestempelt werden.

Ich höre von Bauern, die nach dem Kirchgang plötzlich alleine auf dem Kirchplatz stehen, weil sie auf Bio umstellen. Ich höre von Austritten von Bauern, weil Vereine einen missliebigen Autor einladen. Ich lese aggressive Attacken auf Pestizidkritiker auf Facebook aus denen blanker Hass und Verachtung sprechen. Ich höre von Glyphosat-Terroranschlägen gegen Biobauern und davon, dass pestizidspritzende Bauern ihren Nachbarn raten, in eine andere Richtung zu schauen, wenn sie sich über unsachgemäße Spritzerei und Abdrift beschweren, um nur einige der unguten Geschichten anzusprechen, die ich höre und erlebe.

Vor diesem Hintergrund drängen sich mir viele Fragen auf, die ich nun an Sie richte, in Ihrer Rolle als Verantwortliche des Südtiroler Bauernbundes: Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer sturen Verteidigung eines überkommenen Landwirtschaftsmodells? Warum grenzen Sie sich derart uneinsichtig gegenüber jenen Bauern ab, die interessante Wege in die Zukunft aufzeigen und mit Erfolg beschreiten? Warum haben Sie keinen ambitionierten Plan zur Ökologisierung der Landwirtschaft – die Sie in Sonntagsreden fordern?

Wollen Sie den Bauernstand in die Isolation führen?

Dann machen Sie so weiter! Die Südtiroler Zivilgesellschaft wird sich immer stärker fragen, was es uns als Gemeinschaft kostet, wenn nur in der Obstwirtschaft über 800 Tonnen Chemie in Böden, Luft und Wasser gelangen.  Wie ist das zu bewerten, werden wir uns immer insistenter fragen, wenn ein Wirtschaftszweig mit derart hohen Umweltkosten nur 3-4% der Landeswertschöpfung bringt – und davon sind die Subventionen noch gar nicht abgezogen? Diese und viele andere Fragen sind legitim und werden immer mehr mit Nachdruck gestellt werden!

Bitte ändern Sie Ihre Strategie! Hören Sie auf, sich in den Sack zu lügen und auf vermeintliche Positionen der Stärke zu setzen, die es nicht (mehr) gibt! Bitte setzen Sie nicht auf Machtkämpfe und gesellschaftliche Spaltung, denn das Risiko ist hoch, dass die von Ihnen vertretenen Bauern dabei am meisten verlieren!

Markus Lobis, Brixen