Es ist nicht das erste Mal, dass die Südtiroler Plattform für Alleinerziehende Kritik am Sozialsystem des Landes erhebt. Ein aktueller Fall in der Wohnbauförderung gibt Präsidentin Ida Lanbacher aber nun noch einmal Gelegenheit, auf Probleme und Ungereimtheiten bei der Gewährung von Beiträgen und sozialer Unterstützung  aufmerksam zu machen.  „Das reine Faktordenken in Südtirol stinkt zum Himmel“, meint sie. „Gerade wird es im Wohnbau aufgedeckt, jedoch ist es überall zu finden. Jede Änderung in der Familienstruktur birgt die Gefahr, dass man wieder aus einer Förderung herausfällt.“

Anlass für diese Kritik gibt ein am Donnerstag von der Tageszeitung Dolomiten öffentlich gemachter Fall einer Familie, die bei der Wohnbauförderung leer ausgeht, weil sie gerade eine zweites Kind bekommen hat – während ihr mit einem Kind mehr als 52.000 Euro zugestanden wären. Grund dafür? Der wirtschaftliche Faktor in der EEVE-Erklärung, der sich infolge der Familienvergrößerung und anderer teils unlogischer Bewertungsregeln so verändert hat, dass die Familie laut den Kriterien des Land wirtschaftlich zu schwach ist, um eine Förderung beantragen zu können.

Die Präsidentin der Plattform für Alleinerziehende kann noch jede Menge anderer Beispiele aufzählen, in denen ebenfalls nur auf Faktoren statt auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen geschaut wird. Dazu gehöre beispielsweise die Gewährung des sozialen Minimums, bei dessen Berechnung der tatsächlichen Höhe der Mieten in Südtirol nicht ausreichend Rechnung getragen werde. „Somit muss ein Teil des gewährten sozialen Minimums zur Deckung der Miete verwendet werden. Was bleibt hier zum Leben?“, fragt Ida Lanbacher.

Lebenslanges Rückgriffsrecht auf die Familie

Für alleinerziehende Eltern haben sich die ohnehin große Bürde, voll zu arbeiten und gleichzeitig in der Pflicht zu stehen, die Aufsichtspflicht für ihre Kinder ja nicht zu verletzen, durch das Harmonisierungsdekret des Landes Südtirol  weiter verschärft. Denn, wie die Präsidentin der Plattform kritisiert, beinhalte es einen lebenslangen Rückgriff auf die Ursprungsfamilie. „Selbst eine Ferienwohnung im hintersten Tal, die der Ursprungsfamilie eine Rentenunterstützung ist, dient dazu, dass den Kindern, die bereits eine eigene Familie und eigene Wohnung haben, keine Unterstützung durch das Land gewährt wird.“ Kurios sei auch, dass es einerseits einen lebenslangen Rückgriff auf die Familie gibt, zum anderen erfolge die Streichung aller Familienzulage, sobald ein Kind 18 Jahre alt geworden ist. „Wo ist hier die Logik? Wo ist da die Bildungsgerechtigkeit?“, fragt die Vertreterin der Alleinerziehenden.

Diese höre ganz auf, wenn ein Kind an einem anderen Ort studiert. Denn beim Ansuchen für einen Mietbeitrag der Eltern werde das Einkommen der oder des Studierenden als Berechnungsgrundlage für den Mietbeitrag miteinberechnet. „In der Wohnung zählt das Kind dagegen nicht mehr als Bewohner, und somit wird der Mietbeitrag gestrichen.“ Lanbachers Anklage? Das Land rühme sich mit einer Studienförderung, hole sich das Geld jedoch sofort bei den Eltern durch die Streichung des Mietbeitrages wieder herein.

Familien, die auf den Mietbeitrag angewiesen sind, müssten deshalb entweder aus der Familienwohnung in eine kleinere Wohnung umzuziehen, in der das studierende Kind keinen Platz mehr habe. „Oder Kinder studieren erst gar nicht, damit die Eltern in der Familienwohnung bleiben können.“ Gleiches gilt laut Lanbacher auch bei der Pflege. „Bekommt ein kranker Elternteil Pflegegeld, wird ihm dafür das soziale Minimum gestrichen. Das Pflegegeld dient also nur zum Überleben, die notwendige Pflege ist nicht möglich.“