Alessandro Huber kann einem leid tun. Auf dem Papier ist er der Chef des Südtiroler PD. Doch der junge, integre und durchaus ambitionierte PD-Landessekretär wirkt seit Wochen völlig hilflos. Fragt man Huber nach den Kandidaten zur anstehenden Parlamentswahl redet er viel und gut. Sagen tut er dabei aber nichts.
Der Grund dafür ist einfach: Huber weiß nichts. So wie kaum jemand aus der Südtiroler Landesleitung des PD derzeit im Bilde ist, wer am Ende bei den Parlamentswahlen antreten wird.
Denn die Entscheidungen fallen anderswo. Da ist Rom und Matteo Renzi, und da ist vor allem das Duumvirat Gianclaudio Bressa und Carlo Costa. Diese beiden stellen seit langem die Weichen für fast alles, was im Südtiroler PD passiert. Vielleicht redet noch Eros Magnago, der Generalsekretär der Landesregierung, ein Wort mit.
Es ist ein absurde Situation. Huber & Co müssen gute Miene zum bösen, abgekarteten Spiel machen. Sie versuchen das tapfer. Deshalb ist zwei Tage vor Bekanntgabe der PD-Kandidaten für die Parlamentswahlen nur eines klar. Die Südtiroler Regierungspartei wird am 4. März 2018 keinen italienischsprachigen Südtiroler ins neue römische Parlament schicken.
Allein das ist ein politisches Waterloo. Der PD - unterstützt von der mächtigen SVP - tut aber so, als sei dieser Schachzug Südtirols einzige Rettung.
Es gibt in Südtirol keinen Italiener und keine Italienerin, die fähig sind, für den PD in die Kammer entsandt zu werden, weil es einfach keinen geben darf.
Eines war dabei seit langem klar. Am Denkmal von Gianclaudio Bressa darf nicht gerüttelt werden.
Der heute 62jährige Bressa war einmal DC-Bürgermeister von Belluno, bevor er nach Südtirol importiert wurde. 1996 wurde er erstmals im Veneto für die Margherita ins Parlament gewählt. Er war in den Regierungen D´Alema und Amato Unterstaatssekretär und zuständig für die sprachlichen Minderheiten. In dieser Funktion und als Präsident der Zwölfer- und Sechserkommission hat er Südtirol kennengelernt. Und die SVP.
Unterm Edelweiß war es Liebe auf den ersten Blick. 2001 wurde er zum erstemal in Südtirol aufgestellt. Seit mehr als 17 Jahren ist er der wichtigste politische Verbündete der Volkspartei in Rom. Alles, was sich in Rom in Sachen Südtirol bewegt, läuft seitdem über den Bellunser Unterstaatssekretär.
Bressa ist im römischen PD-Kosmos eine Art Sonderberater in Südtirol-Angelegenheiten auf Lebzeiten. Der PD hat eine Mandatsbeschränkung von zwei Legislaturperioden, Bressa beginnt demnächst sein sechstes Mandat.
Es gibt in Südtirol wahrscheinlich nur einen SAD-Kleinbus von Menschen, die mit Gianclaudio Bressa jemals persönlich gesprochen haben. Meistens taucht er nur vor Wahlen auf. „Er hat seinen Wohnsitz in Südtirol“, verteidigt SVP-Vizeobmann Karl Zeller seinen langjährigen Parlamentskollegen gegen diese Vorwürfe. Gemeint ist, dass Bressa seit Jahren seinen Wohnsitz in einer (Ferien)Wohnung am Karerpass hat.
Doch Karl Zeller hat ein kurzes Gedächtnis. Denn im September 2013 erhielt Gianclaudio Bressa auf Schloss Tirol den neuen Verdienstorden des Landes Südtirol. Das entsprechende Landesgesetz sieht vor, dass er nur verdienten Persönlichkeiten zuerkannt werden kann, die ihren Wohnsitz außerhalb Südtirols haben. Eine illegale Ordensvergabe?
„Bressa hat für Südtirol mehr getan als viele Südtiroler“, huldigt Zeller seinem engen Mitstreiter. Auch hier vergisst der scheidende Meraner Senator, etwas hinzuzufügen: Noch mehr als für Südtirol hat Bressa für die SVP getan.
Als Unterstaatssekretär für Regionalangelegenheiten in der Regierung Gentiloni war er zusammen mit Zeller der Architekt des neuen Wahlgesetzes, das der SVP ein halbes Dutzend Parlamentarier schenkt. Die Volkspartei kann selbst Schneewittchen und die sieben Zwerge antreten lassen. Sechs davon sitzen dank Bressa rein wahlarithmetisch im neuen Parlament.
Die Volkspartei kann selbst Schneewittchen und die sieben Zwerge antreten lassen. Sechs davon sitzen dank Bressa rein wahlarithmetisch im neuen Parlament.
Dass man diese Nibelungentreue Gianclaudio Bressa mit der Senatskandidatur in Bozen-Leifers und einem sicheren Sitz dankt, nennt man Realpolitik. Verständlich ist auch, dass der Südtiroler PD hier mitspielen muss.
Doch da ist noch der Kammerwahlkreis Bozen-Unterland. Ausdrücklich geschaffen, damit ein Südtiroler Italiener die Chance hat, in die Abgeordnetenkammer zu kommen. Spätestens hier, so würde man meinen, muss der Südtiroler PD auf einen lokalen Kandidaten pochen.
Weit gefehlt. Auch hier will man einen nationalen PD-Exponenten antreten lassen. Graziano Delrio soll es nicht mehr sein. Eher Maria Elena Boschi. Am Ende dürfte ein drittklassiger PD-Exponent auftauchen, den niemand in Südtirol kennt.
Wichtig scheint nur eins: Es darf kein lokaler Kandidat oder keine lokale Kandidatin zu Zug kommt. Seit Wochen führt Carlo Costa in diesem Spiel elegant Regie. Vorvergangenen Mittwoch sollten Costa und Alessandro Huber zu Matteo Renzi nach Rom fahren. Das Treffen wurde abgesagt. Huber blieb in Bozen. Costa aber traf in Rom Sportminister Luca Lotti, um über den Kandidaten zu reden.
Als sich Diego Zanella, Meraner PD-Assessor mit Bozner Wurzeln und Unterlandler Verwandtschaft geschickt ins Spiel brachte und innerhalb der SVP Sympathien für den perfekt zweisprachigen Kandidaten aufbrandeten, exekutierte man Zanella in der PD-Landesleitung. So, als hätte er gegen seine eigene Partei gearbeitet.
So wird jeder und jede abgeräumt, der dem Südtiroler Partito D´ Affari im Weg ist. Die amtierende PD-Kammerabgeordnete Luisa Gnecchi könnte ein Lied davon singen. Sie wird seit Jahren einfach totgeschwiegen, und man hat sie erst gar nicht mehr gefragt, ob sie wieder antreten will.
Gianclaudio Bressa hat den neuen Verdienstorden des Landes Südtirol bekommen. Das entsprechende Landesgesetz sieht vor, dass er nur verdienten Persönlichkeiten zuerkannt werden kann, die ihren Wohnsitz außerhalb Südtirols haben. Eine illegale Ordensvergabe?
Es gibt in Südtirol keinen Italiener und keine Italienerin die fähig sind, für den PD in die Kammer entsandt zu werden, weil es einfach keinen geben darf. Posten, Ämter und Positionen werden von Carlo Costa & Co in einer ganz anderen Logik besetzt.
Wie man das macht, hat man erst vor kurzen bei der Bestellung des neuen Vizepräsidenten der Uni Bozen vorexerziert.
Die Landesregierung hatte das Paket für den neue Unirat eigentlich schon geschnürt. Neuer italienischer Vizepräsident sollte Vinicio Biasi werden. Der durchaus PD-nahe zweisprachige Bozner Unternehmer sollte im Unirat nicht nur den Quotenitaliener spielen, sondern er sollte auch der Vertreter der Südtiroler Wirtschaft im Unirat sein.
Doch dagegen stellten sich Christian Tommasini und Carlo Costa quer. Sie zauberten Francesco Grillo aus dem Zylinder. Der neapolitanische Politikwissenschaftler kennt zwar Südtirol nicht, ist aber mit Tommasinis Assistenten einen Marathon gelaufen. Da Grillo PD-nah und ein Vertrauensmann der amtierenden Unterrichtsministerin Valeria Fedeli ist, musste er in den Verwaltungsrat der Bozner Uni.
Rektor Paolo Luigli und der Präsident des Unternehmerverbandes Federico Giudiceandrea versuchten Carlo Costa in einem persönlichen Gespräch zu überzeugen, von dieser Berufung Abstand zu nehmen. Doch der Herr des Südtiroler PD ließ ihnen keine Chance.
Denn Costa & Co spielen ihr persönliches Spiel, das wenig mit dem Wohl und noch weniger mit den Befindlichkeiten des Südtiroler PD zu tun hat. Hier geht es einzig und allein um Seilschaften, Macht und Einfluss. Und ums eigene Vorankommen.
Hier geht es einzig und allein um Seilschaften, Macht und Einfluss. Und ums eigene Vorankommen.
Aus Zorn über diese Gangart wird man im Unirat mit großer Wahrscheinlichkeit als Vizepräsidentin der Uni die Ladinerin Heidi Siller Runggaldier wählen. Südtiroler Italiener werden damit wieder ein Amt verlieren. Auch der Parlamentssitz wird an einen Auswärtigen gehen.
Seit Jahren redet man über den disagio der Italiener in Südtirol. Es gibt Dutzende Bücher darüber, unzählige Diskussionen und sogar Studien. Alle diese Zeit und das Geld kann man sich ersparen.
Man braucht nur dem Südtiroler PD zuschauen. Dann versteht man, warum man sich als Italiener in diesem Land unbehaglich fühlen muss.
Außer man gehört, wie ganz wenige zum Partito D´Affari.