Schael
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Gesellschaft | Pollo der Woche

Schaeler Nachgeschmack

Sanitätsgeneral Thomas Schael sollte bei der nächsten Wahl zum "Mister Südtirol" mittun. Nur so lässt sich die absurde neue Verordnung des Sanitätsbetriebes erklären.
Auch nach drei Jahrzehnten als Journalist gibt es Dinge, über die man sich noch wundern kann.
Der 17. November 2017 war so ein Tag. Der Autor dieser Zeilen schrieb unter dem Titel „Hirnlose Journalistin“ einen Artikel über einen unglaublichen Vorfall am Krankenhaus Brixen. Eine römische RAI-Journalistin wurde in der Abteilung Pädiatrie des Brixner Krankenhaus im Zimmer des kleinen Anthony vom Sanitätspersonal überrascht. Die Reporterin wollte Filmaufnahmen von dem dort eingelieferten 5-jährigen Flüchtlingskind Anthony machen. Das Kind war drei Tage zuvor allein und stark unterkühlt unter einem Eisenbahnwaggon am Brenner gefunden worden.
Der Artikel hatte eine klare Aussage. „Die Frau gilt als ausgezeichnete Reporterin. Jetzt hat die Journalistin aber einen Schritt gemacht, der nur durch einen Ausfall des Zentralgehirns erklärbar ist“, steht geschrieben.
Der Artikel fußt auf einer Pressemitteilung des Sanitätsbetriebes, wonach man in Absprache mit dem Land Südtirol die Staatsanwaltschaft kontaktiert hatte, um zu überprüfen, ob rechtliche Schritte gegenüber der Journalistin vorzunehmen sind. Generaldirektor Thomas Schael sagt darin: „Auch bei vollster Anerkennung der Pressefreiheit und des Rechts zur Information darf es in keinem Fall soweit kommen, dass ein Kind, das bereits ein schweres Schicksal trägt, auch noch Gegenstand eines journalistischen Scoops wird.“ Gleichzeitig richtete Schael einen Appell an die Journalistenkammer, diesen Vorfall klar und deutlich zu verurteilen.
Es ist jedenfalls bei uns nicht Usus, dass sich externe Personen Fotos zu Artikeln aussuchen.
 
Kurz nachdem der Artikel online ging, erhielt der Unterfertigte zuerst eine Mail und dann den Anruf eines der Pressesprecher des Südtiroler Sanitätsbetriebes. Der Journalistenkollege forderte freundlich aber bestimmt, das Foto des Artikel umgehend auszutauschen.
Wir hatten den Artikel unter anderem mit diesem Foto von Thomas Schael illustriert.
 
Darunter der Bildtext: „Generaldirektor Thomas Schael: Eingabe bei der Staatsanwaltschaft.“
Das Foto war wenige Wochen zuvor von derselben Pressestelle den Medien übermittelt worden.
Gleichermaßen konsterniert wie entrüstet über die Intervention der Pressestelle antwortet ich dem mir persönlich bekannen Kollegen und Sabes-Pressessprecher:
 
Ich bin ein bisschen konsterniert ob deines Telefonates.
1. Es ist jedenfalls bei uns nicht Usus, dass sich externe Personen Fotos zu Artikeln aussuchen.
2. Es handelt sich - so glaube ich - um ein (schönes) Foto von Dr. Schael, das uns von Euch übermittelt wurde. Wenn Ihr nicht wollt, dass solche Fotos im Umlauf sind, dürft Ihr sie nicht schicken. Ich sehe hier überhaupt keine Diskrepanz zwischen Foto und Text. Aber auch wenn es sich um unser Foto handelt, halte ich dein Ansinnen für einen unbeherrschten Eingriff in Redaktionsentscheidungen.“
 
Über seinen persönlichen Twitter-Account kommentierte Thomas Schael noch am selben Abend den Artikel. „Danke für die klare Stellungsnahme von Salto.bz - nicht alle Medien in Südtirol haben sich so klar gegen die Kollegin ausgesprochen“, schrieb der Südtiroler Sanitätsgeneral.
Mit dem Gedanken, hier scheine wieder einmal die rechte Hand nicht zu wissen, was die linke tut, war für mich die Sache damit eigentlich ad acta gelegt.
Es ist ein klarer Eingriff in die Pressefreiheit. Vor allem aber degradiert er, Journalisten, Zeitungen und Medien zu Handlangern.
Doch dann folgte eine Fortsetzung dieser Posse, die selbst ich nicht für möglich gehalten hätte.
Seit ein paar Wochen werden alle Presseaussendungen, die der Südtiroler Sanitätsbetrieb verschickt, von einem Postskriptum begleitet.
Darin heißt es:
 
„Bitte beachten Sie folgenden Publikationshinweis: Das mitgelieferte Bildmaterial ist Eigentum des Südtiroler Sanitätsbetriebes und darf ausschließlich für die Berichterstattung in Zusammenhang mit dieser Mitteilung verwendet werden. Die Speicherung für die Verwendung in anderen Zusammenhängen ist nicht gestattet bzw. muss ausdrücklich genehmigt werden.“
 
Ja, sie haben richtig gelesen. Und sie müssen sich das auf der Zunge zergehen lassen.
Der Südtiroler Sanitätsbetrieb macht und verschickt zur Selbstdarstellung Fotos von den eigenen Funktionären, die zu 100 Prozent vom Steuerzahler bezahlt werden. Der Sanitätsbetrieb sucht die Fotos nicht nur aus, er verlangt auch, dass sie umgehend nach der Veröffentlichung von den Medien wieder gelöscht werden. Nur wenn man ganz brav nachfragt, darf man sie noch einmal verwenden.
Es wird damit herrlich: Man schriebt einen Artikel, in dem es - reine Hypothese und natürlich nur als Beispiel - darum geht, dass die neue Informatikbeauftragte des Sanitätsbetriebes eine alte Freundin von Thomas Schael sein könnte. Dann macht man nicht nur beim Generaldirektor die Gegenrecherche, sondern man muss bei den Pressefritzen des Sanitätsbetriebes auch nachfragen, ob man das Foto Schaels dafür hernehmen darf, wo die rechte Seite der roten Fliege etwas nach untern hängt. Oder sollte es lieber das Foto mit der blauen Fliege sein?
Sie bestellen, wir liefern.
 
Die Anordnung, dass Fotos nur einmal verwendet werden dürfen und dann gelöscht werden müssen, ist für ein privates Unternehmen vielleicht noch zumutbar. Für einen öffentlichen Betrieb, der einen klaren Informationsauftrag hat und dessen Pressestellen mit Steuergeldern bezahlt werden, ist dieser Vorgang völlig inakzeptabel.
Es ist ein klarer Eingriff in die Pressefreiheit. Vor allem aber degradiert er Journalisten, Zeitungen und Medien zu Handlangern. Man muss schon ein völlig überhöhtes Selbstbild haben, um solche Regelungen ernsthaft aufzustellen und auch noch in der Welt herumzuschicken.
Das Ganze erinnert an die Gepflogenheiten des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un und nicht an eine seriöse öffentliche Verwaltung. Natürlich kann auch der Generaldirektor eines öffentlichen Betriebes eitel sein. Nur soll sich Thomas Schael dann bei der nächsten Wahl zum "Mister Südtirol" beteiligen, uns Journalisten damit aber in Ruhe lassen.
Das Ganze erinnert an die Gepflogenheiten des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un und nicht an eine seriöse öffentliche Verwaltung.
Ich hoffe, dass die regionale Journalistenkammer hier einschreitet und diese selbstherrliche Anordnung klar verurteilt, bevor diese Art der behördlichen Arroganz Schule macht. Denn hier verwechselt man freie Berichterstattung mit willfähriger PR-Maschinerie.
Aus Protest gegen diese Vorgangsweise werde ich jedenfalls in meinen Artikeln über die Südtiroler Sanität ab heute keine Fotos von Thomas Schael mehr bringen. Sondern ein schwarzes Loch lassen.
Denn diese Anordnung ist nicht nur ein Angriff auf den gesunden Menschenverstand, sondern auch auf das Selbstverständnis eines jeden Journalisten und einer jeden Journalistin.
Wenn Journalisten sich zu Befehlsempfänger degradieren lassen, dann sollen sie lieber Soldat werden. Oder Pressesprecher.