Gesellschaft | Parlamentswahlen

Der Bischof und die Wahlen

Bischof Ivo Muser redet Parteien und Wählern vor dem 4. März ins Gewissen – und warnt vor Populismus, Nationalismus und “kleinkariertem Patriotismus”.
Bischof Ivo Muser
Foto: Diözese Bozen-Brixen

Am 4. März sind Parlamentswahlen.
Am 4. März begeht die Diözese Bozen-Brixen den Tag der Solidarität – wie an jedem dritten Sonntag in der Fastenzeit.
Dies – und die in diesem Jahr noch anstehenden Wahlen – nimmt Bischof Ivo Muser nun zum Anlass für einen “Aufruf zur engagierten Wahlbeteiligung, sowohl passiv als auch aktiv”.
Muser wendet sich mit einem Brief an die Menschen im Land, in dem er deutliche Worte in bewegten Zeiten findet.

In seinem Schreiben betont der Bischof, dass die Kirche überparteilich sein müsse. “Sie darf jedoch nicht unpolitisch und unparteiisch sein”, schreibt Muser. “Sie steht auf der Seite der Schwächeren und setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit ein, für die Bewahrung der Schöpfung und für ein friedliches Miteinander der Menschen.”
Muser lädt alle Wähler ein, die Programme und Aussagen der Parteien und von deren Kandidaten vor diesem Hintergrund zu beurteilen. Er formuliert zudem zwölf Fragen, die bei der Beurteilung helfen können.

Im Folgenden nun ein Auszug aus dem Brief (die vollständige Version gibt es hier nachzulesen):

“(…) Jedem Menschen ist göttliche Würde geschenkt und in dieser Würde müssen Menschen einander begegnen. Dies gilt ohne Unterscheidung von Herkunft, Religion oder Kultur, aber bevorzugt für die Armen, Leidenden, Ausgegrenzten. Wir sind einander in Solidarität verpflichtet. Als Trägerin dieser Botschaft hat die Kirche einen klaren politischen Auftrag. Die Trennung von Kirche und Staat ist damit keineswegs in Frage gestellt. Die Kirche muss überparteilich sein, darf jedoch nicht unpolitisch und unparteiisch sein. Sie steht auf der Seite der Schwächeren und setzt sich für mehr soziale Gerechtigkeit ein, für die Bewahrung der Schöpfung und für ein friedliches Miteinander der Menschen.

(…)

Auf dem Scherbenhaufen neoliberal-kapitalistischer Politik wachsen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Immer mehr Menschen reagieren darauf mit vereinfachendem Populismus und egoistischem Nationalismus oder mit kleinkariertem und oft falsch verstandenem Patriotismus.

Die Antwort muss eine andere sein, wie sie Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato Sì deutlich aufgezeigt hat: eine gemeinwohlorientierte, sozial ausgleichende und ökologisch nachhaltige Politik!

Die Politik muss über den freien Kräften des Marktes stehen, das Allgemeininteresse muss vor den Privatinteressen kommen.

Auch in unserem kleinen Südtirol besteht die Gefahr, dass einseitige Wirtschaftsinteressen und nationalistische Kräfte die Medien und die öffentliche Diskussion stark beherrschen und dass dabei ökologische, soziale und demokratische Anliegen unter die Räder kommen.
Solidarität muss in Recht gegossen werden, sonst wird sie beliebig. Gerechtigkeit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit stehen über den Ansprüchen und Forderungen des Einzelnen. Das Recht eines jedes Menschen auf ein Leben in Würde und Freiheit gilt nicht nur für die Wohlhabenden.

Papst Franziskus mahnt eindringlich zur Änderung des Lebensstils, damit wir aus dem Wachstumszwang der Konsumgesellschaft und aus der ungleichen Verteilung von Wohlstand und Lebenschancen herauskommen. Nur so wird langfristig stabiler Frieden möglich.

Die Antwort auf weitverbreitete Resignation sowie auf Neid und Hass kann nur sein: Nächstenliebe und nicht die Abnabelung der Wohlstandsgesellschaft durch das Bauen von Zäunen zum Ausgrenzen der Ärmsten. Rassismus und Nationalismus haben zu den beiden Weltkriegen geführt. Langfristig ist Frieden nur möglich, wenn die Vielfalt der Kulturen und Religionen als Reichtum gesehen wird.

Das Gleiche gilt für die Umwelt: Nur die Vielfalt und die naturnahe Bewirtschaftung der Erde garantieren Nachhaltigkeit. Europa könnte zum Modell-Kontinent der Erde werden. Dabei sind ausgleichende Maßnahmen zwischen reichen und armen Regionen zielführend und nicht die konkurrierenden nationalstaatlichen Eitelkeiten. (…)

Ich lade alle Wählerinnen und Wähler ein, die Programme und Aussagen der Parteien und deren Kandidaten und Kandidatinnen auf diesem Hintergrund zu beurteilen. Folgende Fragen könnten dabei helfen:
(…)”

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Blaas Walter Mi., 21.02.2018 - 12:05

Wäre ich der lokale Oberhirte des Betriebes mit Namen Kirche, würde ich zuerst den eigenen Laden mit seinen vielen Baustellen wieder auf Vordermann bringen, bevor ich mich politisch betätigen würde. Es geht nicht an, dass die Kirche offiziell Wahlbehörde spielt, welche Beteiligte in Gut und Böse unterteilt. Gerne könnte der Herr Bischof ja kandidieren und dann in Diskussion mit den Mitbewerbern treten. Nur von oben dekretieren, geht nicht!

Mi., 21.02.2018 - 12:05 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 21.02.2018 - 14:30

Antwort auf von Blaas Walter

Aus meiner Sicht hat sich der Bischof nicht in "rein kirchliche oder religiöse Belange" zu Wort gemeldet, sondern in gesellschaftspolitschen und nicht parteipolitischen ethischen Fragen. Parteileute wollen das bewusst nicht unterscheiden. Ich kann mir vorstellen, wie Sie aufbegehren würden, wenn sich der Bischof zu Wahl stellen würde!

Mi., 21.02.2018 - 14:30 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 21.02.2018 - 18:00

Antwort auf von Blaas Walter

Herr Blaas, sind Sie vergesslich? Ich zitiere Sie: "Wäre ich der lokale Oberhirte des Betriebes mit Namen Kirche, würde ich zuerst den eigenen Laden mit seinen vielen Baustellen wieder auf Vordermann bringen, bevor ich mich politisch betätigen würde." Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen, das klingt doch sehr nach Ratschlag, oder?

Mi., 21.02.2018 - 18:00 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 21.02.2018 - 14:45

Antwort auf von Blaas Walter

Sie können ja auch die Kirche kritisieren oder gesellschaftspolitische Vorschläge machen, ohne dass sich der Bischof aufregen würde - denke ich? Ich glaube man soll niemandem von einer Diskussion ausschließen.
"die Trennung von Kirche und Staat!" tangiert das nicht. Anders wäre es, wenn die Kirche oder der Bischof politische Macht beanspruchen oder an sich reißen würde. Wir haben Jahrzehnte lang kritisiert, das die Kirche im letzten Jahrhundert zu Menschen-verachtenden Ideologien und Diktaturen in Italien, Spanien und Deutschland geschwiegen hat. Auch die Kirche hat sich geändert, vielleicht in vielen Fragen noch viel zu wenig! Jedoch letzthin hat der genannte Bischof, dessen Anhänger ich nicht bin, einige Male positiv aufgezeigt: denn die hetzende Art, wie die Freiheitlichen und die STF Wahlkampf betreiben, muss kritisiert werden, mehr kann man eh nicht tun!

Mi., 21.02.2018 - 14:45 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 22.02.2018 - 16:59

Antwort auf von Manfred Klotz

Laut verschiedenen Medien hat Muser "kleinkariierten Nationalismus" kritisiert. Wenn er tatsächlich "Patriotismus gesagt hat, dann habe ich mich in der Wortwahl geirrt, nicht aber in der Sache. Bischof Muser kritisiert immer wieder "kleinkarierten" Südtiroler Patriotismus, ist aber dem großkarierten italienischen Patriotismus gegenüber sehr aufgeschlossen. Wenn die katholische Kirche in Südtirol in vielen Gemeinden mit Gottesdiensten der in der Schlacht von Qualqualber in Äthiopien gefallenen Carabinieri und faschistischen Schwarzhemden gedenkt, ohne ein Wort des christlichen Mitgefühls für die von eben diesen Carabinieri und Schwarzhemden massakrierten Äthiopier zu verlieren, dann empfinde ich das schon als sehr merkwürdig.

Do., 22.02.2018 - 16:59 Permalink
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Manfred Klotz Do., 22.02.2018 - 18:06

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Typisch... Ja, aber... Sie haben sich in der Wortwahl aber nicht geirrt, die stimmt schon, auch wenn Sie es wahrscheinlich lieber nicht so geschrieben hätten.
Für die von Ihnen behaupteten "Ehrbezeigungen" der katholischen Kirche in Südtiroler Kirchen, hätte ich aber schon gerne ein Beispiel, Sie neigen nämlich dazu hier nicht immer ganz genau zu sein..

Do., 22.02.2018 - 18:06 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 22.02.2018 - 21:40

Antwort auf von Manfred Klotz

Wenn sie Zeitung lesen würden, dann wären ihnen die alljährlichen Berichte über die hl. Messen am 21. November zum Gedenken an die in Qulqualber gefallenen Carabinieri und Schwarzhemden aufgefallen. Im vergangenen Jahr hat in Bozen der neue Abt von Muri Gries diese "ehrenvolle" Aufgabe übernommen, in früheren Jahren war es meistens der Bischof. Und bei Alpiniveranstaltungen wird natürlich die vom Kriegsverbrecher Gennaro Sora stammende "preghiera dell'Alpino" in der Kirche gebetet - nur die Bitte für den Duce hat man aus dem Gebet entfernt.

Do., 22.02.2018 - 21:40 Permalink
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Blaas Walter Mi., 21.02.2018 - 15:34

Schon eigenartig: plötzlich klatschen zumeist jene Beifall, welche ansonsten bei Themen wie Homoehe, Adoptivrecht für Gleichgeschlechtliche, geschiedenen Eheleuten, Geburtenkontrolle und Verhütung, die Rolle der Frau usw. usw. den Kirchenvertretern die Kompetenz absprechen wollen.

Mi., 21.02.2018 - 15:34 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 21.02.2018 - 16:56

Antwort auf von Blaas Walter

Ja es gibt Leute, die differenzieren können was Ihre Stärke nicht zu zu sein scheint. Also ich halte es so, wenn es um Meinungsaustausch und Diskussion geht, kann ich einer Person in einigen Fragen recht geben und in anderen nicht. Eine dialektische Diskussion zu führen ist in sozialen Medien und bei politischen Partei-Vertretern nicht mehr oder kaum noch vorhanden. Die populistischen und meist rechts orientierten Wahlwerber treiben dieses Phänomen auf eine unerträgliche Spitze.
Herr Blaas, als Sie vor einiger Zeit Parteiobmann wurden, hatte ich den Eindruck, Sie seien ein moderater, sachlich argumentierender Politiker. Es ist schon erstaunlich, was die Angst, das Landtagsmandat nicht mehr zu erreichen, mit einem Menschen alles machen kann.

Mi., 21.02.2018 - 16:56 Permalink
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Blaas Walter Mi., 21.02.2018 - 18:18

Antwort auf von Sepp.Bacher

Auch ich kann in einigen Fragen recht geben und in anderen nicht. Scheint mir nichts Besonderes zu sein. Auch bin ich der Meinung, sehr wohl auch hier und anderswo mich gesittet an einer Diskussion zu beteiligen. Ihr Staunen über meine Angst ist sehr rührend! Ich kann Sie diesbezüglich beruhigen.

Mi., 21.02.2018 - 18:18 Permalink
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Blaas Walter Mi., 21.02.2018 - 21:41

ja schon eigenartig, wenn sich die eigentlich Zuständigen für Religion und Kreuze usw. sich lieber mit Doppelpass und dergleichen interessieren und dies sogar bei der Weihnachtsmesse groß thematisieren.

Mi., 21.02.2018 - 21:41 Permalink
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△rtim post Fr., 23.02.2018 - 12:36

Wir haben verstanden!
Nachdem wohl keine der Parteien den Anforderungen dieser 12 apostolischen Fragen entspricht, werden die Katholiken hierzulande wohl nach dem Kirchgang am Wahlsonntag den Wahlgang verweigern, ungültig oder weiß wählen.

Fr., 23.02.2018 - 12:36 Permalink
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Andreas Waldner So., 25.02.2018 - 14:05

Merkwürdig: Sogar an Sonntagen sind die Kirchen fast leer, aber die Kirchenoberen meinen, zu allen möglichen weltlichen Dingen öffentlichkeitswirksam ihren heiligen Senf dazugeben zu müssen. Dabei tun sie so, als würden sie für "die Menschen" sprechen. In Deutschland gehören nur mehr 30% der christlichen Konfession an. Davon gehen nur noch 10% am Sonntag in die Kirche, also absolut nur 3%. In Südtirol ist es vermutlich nicht anders. Es ist also Wachsamkeit geboten: Wachsamkeit gegenüber dem weltlichen Machtanspruch von "Hirten" mit schwindenden Herden, Wachsamkeit gegenüber der weiteren Aufweichung der Trennung von Staat und Kirche, Wachsamkeit gegen das weitere Eindringen religiöser Ideologien in Erziehung, Bildungswesen, Medien, Politik, Wachsamkeit gegen die Ausbreitung irrationalen Denkens, mit einem Wort: Wachsamkeit zum Schutz der Errungenschaften der Aufklärung.

So., 25.02.2018 - 14:05 Permalink