Verflixter Zug
“Wir haben Reisen demokratisiert.” Die Mission von FlixBus ist klar: Günstig, komfortabel und zuverlässig mit dem Bus durch ganz Europa reisen. Seit 2013 operiert das deutsche Fernbus-Startup, das sich inzwischen – laut eigenen Angaben – zum “führenden Mobilitätsanbieter in Europa” entwickelt hat. Nun wagt FlixBus einen nächsten Schritt. Ab 23. März 2018 gibt es FlixTrain – Fernzüge, die zwischen deutschen Großstädten verkehren. Ab 9,99 Euro. Was zunächst nur in Deutschland auf die Schiene gebracht wird, sieht mancher hierzulande als “große Chance für Südtirol”.
So formuliert Martin Ausserdorfer seine Reaktion auf den Einstieg von FlixBus in das Bahngeschäft. Der Präsident der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) ist sich sicher: “Mehr Wettbewerb tut allen gut!” Im Gespräch mit salto.bz erklärt Ausserdorfer: “Dieses Modell, das im Bus- und Flugbereich bereits funktioniert, kommt nun endlich und verzögert auch im Bahnbereich an.” Den FlixTrain ins Rollen bringen bedeute “Musik in die Geschichte zu bringen”.
Private auf Schiene
In ganz Europa gibt es, erinnert Ausserdorfer, “Tendenzen, das Schienennetz öffentlich und die Schienentransportdienste privat zu betreiben”. So funktioniert das Bahnsystem auch in Italien und Südtirol – mit der STA als Infrastrukturgesellschaft und den Anbietern Trenitalia und SAD.
Doch es gibt noch großes Potential, das es auszuschöpfen gilt, findet der STA-Präsident.
“Die Eisenbahn ist ein altes, verkrustetes, nationales System”, das aber schon begonnen habe “aufzubrechen”. Immer häufiger drängen private Anbieter auf die Schiene, wie Ausserdorfer an zwei Beispielen veranschaulicht: “In Italien betreibt Luca Montezemolo den Italo-Zug, in Österreich Hans Peter Haselsteiner die Westbahn. Und wenn die Deutsche Bahn heute auf dem italienischem Netz fährt, ist das ebenfalls eine Art der Privatisierung, weil der nationale Protektionismus weggefallen ist. Auch ist die Hälfte des Güterverkehrs am Brenner heute schon privat.”
Wettbewerb belebt das Geschäft und kommt am Ende dem Nutzer der Bahndienste zugute. Das ist Ausserdorfers feste Überzeugung. Denn während das Angebot Privater, die wie FlixTrain den öffentlichen Bahnen Konkurrenz machen, steigt, seien zugleich auch die öffentlichen Bahndienste “besser und flexibler” geworden.
Dass es durch billigere Konkurrenz zu einer Qualitätsminderung bei den Diensten kommen wird, daran glaubt Ausserdorfer nicht: Schließlich richte sich der Wettbewerb nach der Nachfrage. Sprich, “es wird immer jene geben, die bereit sind, für mehr Qualität mehr zu zahlen – und eben jene, die das günstigere Ticket erwerben. Es ist wie beim Fliegen: Ich kann sagen ich fliege First oder Business Class mit der Lufthansa. Aber ich kann auch mit Ryanair fliegen. Das heißt, es gibt verschiedenste Angebote und Möglichkeiten, aus denen der Nutzer wählen kann.”
Südtiroler Zukunftsmusik
Was aber hat nun Südtirol davon, wenn in Deutschland der FlixTrain verkehrt? “Wenn das Modell in Deutschland funktioniert, wird sich das Unternehmen weiter entwickeln”, erwartet sich Martin Ausserdorfer. Früher oder später werde man auch auf den überregionalen Verkehr schielen. “Und wir haben ein ganz großes Potential, da mitzuspielen – mit unseren 6 Millionen Ankünften jährlich in Südtirol. Diese Gäste reisen kaum über den öffentlichen Verkehrsmitteln an, sondern praktisch fast nur mit dem Auto.”
Sollte FlixTrain tatsächlich über den Brenner lugen, “würde der Anbieter ja nicht nur Südtirol bedienen, sondern Norditalien. Und wenn wir München mit dem norditalienischen Raum heute in vier, fünf Stunden und morgen in zwei, drei Stunden mit dem Zug verbinden – und Südtirol dazwischen drin liegt, dann ist das eine angenehme Chance, die wir als Trittbrettfahrer nutzen, aber auch selbst aktiv gestalten können”, ist Ausserdorfer überzeugt.
Er kann sich vorstellen, dass Südtiroler Player etwas von FlixTrain oder Fluganbietern abschauen, die Gäste mit Charterflügen vor Ort bringen – wie in Innsbruck. “Morgen ist es gut machbar, dass der HGV vielleicht drei Charterzüge am Tag organisiert, mit denen 3.000 Leute mit dem Zug hergebracht werden anstatt mit dem Auto – einfach, weil es die Möglichkeit gibt”, schwärmt Ausserdorfer. Und winkt mit dem Zaunpfahl: “Das sind Sachen, die zum Greifen nahe sind: Es gibt die objektive Notwendigkeit – das sehen wir alle jeden Tag. Jetzt braucht es nur mehr den, der dieses Businessmodell adaptiert und nützt.”
Selbst bleibt Martin Ausserdorfer nicht untätig. Seit ein paar Wochen bereitet eine Tagung vor. Im Mai will er die drei Geschäftsführer des Bereichs Personenverkehr von Deutsche Bahn, ÖBB und Trenitalia einladen, “um die Chance Eisenbahn für den Tourismus aufzuzeigen und zu diskutieren”.
Und wäre es verkehrt, wenn
Und wäre es verkehrt, wenn STA&co sich selbst in Zeug werfen würden, und anstatt nur regional herumzuflirten auch einen Stundentakt zwischen Verona und München stemmen würden? Ist ja gut, dass der HGV die Touristen bedienen möchte, aber ein Stundentakt würde allen zugute kommen, und wäre die einzig vernünftige Fortsetzung der Flughafendebatte.
Früher gab es Kurswagen nach
Früher gab es Kurswagen nach Meran. Heute sollten hunderte Fahrgäste mit Gepäck in ein paar Minuten in Bozen vom Gleis 3 oder 4 durch die Unterführung zum Gleis 1A gelangen, weil man nicht in der Lage ist die Züge der OBB auf Gleis 1 einlaufen zu lassen. In ganz Europa steht der Anschlusszug am Gleis gegenüber, bei uns anscheinnd unmöglich.