Umwelt | Pestizide

Gespanntes Warten in Mals

In Mals tritt nach zwei Jahren Übergangsfrist die umstrittene Pestizidverordnung in Kraft. „Jeder wartet, was nun passieren wird“, sagt Bürgermeister Ulrich Veith.
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Foto: Foto: Salto.bz

Salto.bz: Herr Veith, die Übergangsfrist der Malser Pestizid-Verordnung ist mit Ende März vorbei, sprich sie tritt nun definitiv in Kraft. Zeitgleich hat Rechtsanwalt Arthur Frei nach Ostern einen Sammel-Rekurs von über 60 Bauern angekündigt. Sind Sie bereit für einen weiteren Gerichtsstreit?
Ulrich Veith:
Wir haben jetzt noch nicht mit Anwälten gesprochen, doch innerlich darauf eingestellt sind wir schon. Vor allem nach der Drohung bzw. der Ankündigung von Rechtsanwalt Frei,  rechnen wir damit, dass eine Klage kommt.

Fühlen Sie sich rechtlich gerüstet? Sie haben schließlich lange an der Verordnung getüftelt mit juristischer Beratung.
Gerüstet ist man bei einer solch komplexen Materie nie. Das ist ein offenes Spiel, bei dem man nicht weiß, wie es ausgeht. Ich zumindest  würde weder darauf wetten, dass wir verlieren noch dass wir gewinnen.

Konzentrieren wir uns auf Mals selbst statt auf die Gerichte: Was passiert bei Ihnen nun ab April konkret? Ein zentraler Punkt der Verordnung ist die Abstandsregelung von 50 Metern, die nun beim Ausbringen der noch erlaubten Pflanzenschutzmittel einzuhalten ist. Wissen Sie, wo in ihrer Gemeinde dies konkret ein Problem sein wird? Problematisch sind sicher alle Obstbetriebe, die konventionell arbeiten wollen. Sprich, die heutigen Anlagen verletzten diese Abstandsregelung alle. Da sprechen wir von rund 15 Bauern. Das Positive ist, dass einige von ihnen bereits angekündigt haben, dass sie umstellen werden bzw. auf Pestizide verzichten werden. Anderen helfen wir, indem wir als Gemeinde die Zusatzkosten für die mechanische Unkrautbekämpfung zu zwei Drittel übernehmen.

Für wie viele Betriebe werden sie diese Kosten übernehmen?
Wir haben es allen angeboten. Einige haben sich schon gemeldet, doch die Frist läuft noch. Wir haben den Beschluss auch erst vor 10 Tagen getroffen.  Nachdem das Know How in der mechanischen Unkrautbekämpfung vielfach nicht vorhanden ist, werden wir dafür Maschinen aus Deutschland leihen. Und wir haben einen Bauern organsiert, der die Arbeit macht. Das ist jetzt ein Lernprozess für alle und deshalb stellen wir Know How und Maschinen zur Verfügung.

Wie würden Sie die aktuelle Stimmung im Dorf beschreiben?
Man kann schon sagen, dass jetzt jeder wartet, was passieren wird. Und wie gesagt, einige wenige der betroffenen Bauern haben schon eingelenkt. Bei einigen weiß ich dagegen, dass sie es darauf ankommen lassen werden – und schauen, was der Bürgermeister nun macht.

Was wird der Bürgermeister machen?
Die Verordnung ist gültig und ich als Bürgermeister bin verpflichtet, sie umzusetzen. Ich kann schließlich nicht sagen, der Gemeinderat hat eine Verordnung verabschiedet, doch ich schau jetzt einfach weg. Ich muss sicherstellen, dass diese Regeln eingehalten werden.

"Ich kann ihnen prophezeien, dass in vier bis fünf Jahren kein Konsument mehr für einen konventionellen Apfel Geld zahlt. Die Bauern tun gut daran, jetzt umzustellen"

Indem Sie den Dorfpolizisten zu den konventionellen Obstbauern schicken?
Die Kontrollen macht die Gemeindepolizei. Dafür hat es landesweit eine spezielle Ausbildung gegeben, bei der die Polizisten auch für die Kontrollen der diesbezüglichen Regeln im Landesgesetz geschult wurden. Jetzt sind wir gerade dabei, die entsprechende Ausrüstung zu beschaffen, die sie brauchen.

Welche Ausrüstung?  
Es braucht diverse Dinge wie sterile Behälter und vor allem eine Schutzausrüstung.  Das wurde auch klar gesagt bei der Schulung, dass sich die Mitarbeiter bei solchen Kontrollen einer Gefahr aussetzen.

Wann konkret beginnt der Verstoß gegen die Verordnung? Wenn Rückstände auf Nachbargrundstücken gefunden werden oder wenn in Mals generell chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.
Nein, Rückstände müssen in dem Fall keine nachgewiesen werden. Wir müssen nur kontrollieren, ob Pestizide innerhalb dieses Streifens von 50 Metern ausgebracht wurden, also ob de Abstände eingehalten wurden.  

Der Vinschger Wind hat unlängst geschrieben, dass diese Verordnung und der nun anstehende Rechtsstreit zum Hemmschuh für eine Entwicklung in Richtung Bioregion Vinschgau wird. Wenn auch die Rede von einem Deal sei,  bei dem sich Landesrat Schuler für die Bioregion einsetzen würde,  wenn Sie die Verordnung aussetzen?
Deals gibt es keine, auch wenn wir gute Gespräche hatten. Arnold Schuler hat die Bio-Region grundsätzlich immer unterstützt. Wir sind nur anderer Meinung, wie man so eine Bioregion erreichen will. Schuler will, dass sie auf Freiwilligkeit basiert, also jeder kann selber entscheiden, ob er umstellen möchte. Doch wir sagen, in dem Fall schränke ich alle Bauern ein, die umstellen möchten, aber nicht können, weil das Risiko zu groß ist, dass sie Rückstände haben. Ich bin der Meinung, wir brauchen ein Verbot, und Schuler glaubt, es geht ohne. Das ist eigentlich der einzige Punkt wo wir nicht zusammen kommen. Ansonsten sind wir in vielen Bereichen gleicher Meinung.

Das heißt, Landesrat Schuler ist gar nicht Ihr „ziemlich bester Feind“, wie der Vinschger Wind titelt?
Nein. Ich glaube, dass es in der Partei einige gibt, die für diesen Titel eher in Frage kommen.

"Ich bin der Meinung, wir brauchen ein Verbot, und Schuler glaubt, es geht ohne. Das ist eigentlich der einzige Punkt wo wir nicht zusammen kommen. Ansonsten sind wir in vielen Bereichen gleicher Meinung."

Die Aufruhr um Ihr Interview in Geo Saison hat aber erst zu Jahresbeginn wieder gezeigt, wie heftig die Wogen in dieser Diskussion hochgehen können und wie viele Gegner Sie sich in Südtirol mit Ihrer Haltung machen. Macht Sie Ihre wachsende Popularität außerhalb Südtirols im Land selbst weniger angreifbar?
Im Ausland wird natürlich sehr aufmerksam beobachtet, was nun passiert. Aus mehreren Gründen. Erstens wünschen sich viele Menschen, dass auch in ihrer Region so etwas passiert. Ich höre auch oft: Wir würden uns wünschen, dass unser Bürgermeister auch so mutig ist. Und zum Zweiten ist das alles derzeit weltweit ein Thema. Man muss nur die deutschen Medien verfolgen. Dort vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo über die Probleme der industriellen Landwirtschaft berichtet wird. Das ist ein Thema das Menschen bewegt. Und man muss sagen, sie zu Recht bewegt.

Und Mals ist für diese Menschen ein Hoffnungsträger?
Ja, im Moment schauen eben alle einmal hierher, weil man sagt: Hier sind ein paar mutige Leute unterwegs, die den richtigen Weg eingeschlagen haben. Und es wäre schade, wenn man sie aufgrund von rechtlichen Spitzfindigkeiten einbremst.

Sie denken also, dass auch jeder rechtliche Schritt zumindest im deutschsprachigen Raum aufmerksam verfolgt werden wird?
Nicht nur im deutschsprachigen Raum, auch weltweit. In den USA zum Beispiel oder in Indien wo man mich zuletzt nach Delhi eingeladen hatte. Die alle wollen jetzt wissen, ob uns gelingt, was wir vorhaben. Das ist eine Richtungsentscheidung – ob es gelingt, die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Das heißt, Sie werden in diesem Jahr nicht unbedingt entspannte Osterfeiertage erleben?
Das ist ein zentrales Thema für uns und natürlich ist man nun gespannt wie es weitergeht bzw. hofft, dass es gut ausgeht. Denn wenn sich ein Volk etwas wünscht und die Politik schafft es dann nicht es umzusetzen, wäre das auch demokratiepolitisch eine Katastrophe.

Und was wäre dagegen Ihr Traumszenario?
Dass die Leute die Zeichen der Zeit erkennen und von sich aus umstellen. Ich kann ihnen halt prophezeien, dass in vier bis fünf Jahren kein Konsument mehr für einen konventionellen Apfel Geld zahlt. Die Bauern tun gut daran, jetzt umzustellen, auch weil sie gutes Geld für die Bio-Äpfel bekommen. Natürlich muss die Politik sie dabei unterstützen. Doch das ist auch möglich, sei Landesebene oder auch in den Gemeinden selbst wie wir mir unserer Verordnung gezeigt haben. Und auf diesem Weg wäre es meiner Meinung absolut machbar, dass Südtirol in einigen Jahren Vorbildregion für die ganze Welt ist. 

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Alfonse Zanardi Fr., 30.03.2018 - 15:54

Jeder weiss dass sei es Abstimmung wie Verordnung unwirksam sind weil das Thema nicht in die Kompetenz einer Gemeinde fällt. Da will eben ein Hobby-Politiker sich wichtig machen und ein bisschen Bio-Theater spielen.
Mehr nicht.

Fr., 30.03.2018 - 15:54 Permalink
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kurt duschek Mo., 02.04.2018 - 20:46

Antwort auf von Robert Tam...

Die Kernaussage habe ich sehr wohl verstanden. Meiner Meinung nach sollte man in einem Post vermeiden, den Andersdenkenden lächerlich zu machen. Aussagen wie" ...Hobby-Politiker sich wichtig machen und ein bisschen Bio-Theater spielen..." sind meiner Meinung nach unter der Gürtellinie. Wie gesagt sachlich und respektvoll diskutieren wäre wichtig.

Mo., 02.04.2018 - 20:46 Permalink
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Robert Tam... Di., 03.04.2018 - 10:02

Antwort auf von kurt duschek

Wenn man aber Andersdenkende nicht lächerlich machen soll, warum machst Du dann genau das immer wieder, lieber Kurt?
Einige Deiner Attacken gegen Gorgias waren unter der Gürtellinie.

Vor allem aber: das obige Thema fällt nicht in den Kompetenzbereich eines Bürgermeisters. Du behauptest, diese Kernaussage verstanden zu haben, gehst aber nie darauf ein.

Di., 03.04.2018 - 10:02 Permalink
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Robert Tam... Mi., 04.04.2018 - 09:28

Antwort auf von kurt duschek

Oh, Du hast Gorgias aber mehrmals persönlich attackiert. Ich vermute, weil Dir die Argumente ausgegangen waren.

Zurück zum Thema Kompetenzbereich: nein, da gibt es keine unterschiedlichen Ansichten. Alfons hat oben richtig festgestellt, dass dieses Thema nicht zu den Befugnissen einer Gemeinde gehört. Punkt. Das solltest Du als Gemeindepolitiker wissen, Kurt.

Mi., 04.04.2018 - 09:28 Permalink
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G. M. Do., 17.05.2018 - 14:16

Antwort auf von kurt duschek

Muss hier Herrn Duscheck zustimmen. Der tendenziöse Kommentar von Herrn Zanardi erklärt sich von selbst...
Das Verbot, auch wenn womöglich unzulässig, ist in übergeordneter Hinsicht ein starkes politisches Signal. Signale setzen dürfen auch Gemeindepolitiker, und wie man sieht ist ein Diskurs zu den Pesitizigen schon längst überfällig und zu begrüßen.

Do., 17.05.2018 - 14:16 Permalink
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Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Sa., 31.03.2018 - 10:29

Das Problem ist zu komplex, als das einseitige Positionierungen es lösen. Veith scheint als Nichtexperte und auch verwaltungsmäßig limitiert zuständig zu emotional zu werden und den ausgleichenden distanzierten Blick zu verlieren.

Sa., 31.03.2018 - 10:29 Permalink
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Profil für Benutzer Paul Stubenruss
Paul Stubenruss Sa., 31.03.2018 - 16:59

Ich verstehe die Bauernverbände nicht. Würden sie sich für strenge ökologische Richtlinien einsetzen uns zwar solche die für alle gelten, dann würden die Lebensmittelpreise massiv steigen und mit den Umsätzen auch der Verdienst. Denn der Verdienst steht üblicherweise im Verhältnis zum Umsatz. Warum wollen die Verbände das die Bauern knapp über die Runden kommen?

Sa., 31.03.2018 - 16:59 Permalink
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Manfred Klotz So., 01.04.2018 - 08:29

Antwort auf von Paul Stubenruss

"...dann würden die Lebensmittelpreise massiv steigen und mit den Umsätzen auch der Verdienst". Die Lebensmittelpreise würden massiv steigen, stimmt, die Umsätze auch, aber sicher jene z.B. der Obstbauern von Chile oder sonst wo auf der Welt, wo man billiger einkauft.
Ihre Rechnung ist eine Milchmädchenrechnung.

So., 01.04.2018 - 08:29 Permalink
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Profil für Benutzer Paul Stubenruss
Paul Stubenruss So., 01.04.2018 - 09:55

Gegen die merkelschen Meinung die gesamte Welt retten zu können müssen wir innerhalb der EU auf vorteilhafte Regelwerke achten. Wenn Chile glaubt mit Monsanto, Nestle, Unilever und andere kriminelle Konzerne besser zu fahren dann ist das ihre Entscheidung und da sollen wir uns als Weltverbesserer nicht einmischen. Würden bei uns die Preise steigen, dazu gehört auch die Streichung der Subventionen, dann würde Afrika nicht mit billigen und minderwertigen Lebensmitteln überschwemmt und die Eigenproduktion würde sich lohnen.

So., 01.04.2018 - 09:55 Permalink
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Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser So., 01.04.2018 - 21:02

Bürgermeister Veith gebe ich recht und wünsche ihm Erfolg. Milchmädchenhaft ist auf Masse und Export zu setzen. Massenproduktion bedeutet Chemieeinsatz, das ist Gesundheitsgefährdung der VerbraucherInnen und Störung der Bodenfruchtbarkeit - ein absoluter Irrweg. Der ist allerdings geschützt und subventioniert von der EU, weil und solange die von den Chemieriesen und den davon abhängigen Bauernverbänden beherrscht wird. Es braucht die Aufwertung qualitativer Kleinproduktion und Regionalismus.

So., 01.04.2018 - 21:02 Permalink
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Profil für Benutzer kurt duschek
kurt duschek Mi., 04.04.2018 - 13:41

Klaus Griesser, Stimme Dir in allen Punkten zu. Ein Bürgermeister dem die Gesundheit der Bürger wichtiger erscheint als die chemischen Aktivitäten der Apfelgroßbauer und der sich auch bereit erklärt u.U. gegen absurde Bestimmungen zu handeln, ich sage nur: Kompliment!!

Mi., 04.04.2018 - 13:41 Permalink