Wirtschaft | Handelskammer

Michls Monopoly

Michl Ebner macht vor, wie man private Geschäfte und Ämter in öffentlichen Körperschaften gewinnbringend verbinden kann. Die Geschichte eines Immobiliendeals.
img_3703.jpg
Foto: salto

Am Ende sind alle zufrieden.

Die Bozner Handelskammer erhält eine monatliche Miete, die Investitionsbank Trentino-Südtirol einen neuen modernen Sitz in Bozen, und vor allem Michl Ebner: Der Multiunternehmer und Präsident der Handelskammer hat seinen Immobilienbesitz erweitern und ein privates Problem lösen können.

Es ist demnach eine klassische Win-Win-Situation. Wären da nicht gewisse Zufälle. Denn die Operation, die man zu Jahresende sehr diskret durchgezogen hat, ist ein Musterbeispiel für ein äußerst gut funktionierendes Zusammenspiel zwischen öffentlichen Institutionen und einem mächtigen privaten Unternehmer. Ein Zusammenspiel. bei dem sich die unternehmerischen und finanziellen Befindlichkeiten der Privaten wie durch magische Hand mit den Entscheidungen der öffentlichen Körperschaft treffen und ergänzen. Und eine Operation, bei der Immobilien wie beim klassischen Monopoly anscheinend nach Belieben zwischen den öffentlichen und privaten Besitzern hin- und hergeschoben werden.

Natürlich ist alles legal und ausschließlich dem Gemeinwohl dienend. Dass Michl Ebner als Nutznießer dieser Operation gleichzeitig auch Präsident einer der involvierten öffentlichen Körperschaften ist, kann man in einem Südtiroler Fremdwörterbuch mit dem Titel „Interessenkonflikt“ verbuchen.

Doch der Reihe nach.

 

Das Athesia-Haus

 

Die Statue in der Museumstraße an der Ecke des Hauses Nr. 42 fällt auf. Es ist kein Zufall, dass sie dort steht. Denn in diesem Gebäude und den beiden angrenzenden Häusern spielte sich ein Stück Südtiroler Zeitgeschichte ab. Der Gebäudekomplex Museumstraße 42 - 46 war der historische Sitz der Verlagsanstalt „Athesia“. In der Museumstraße waren jahrzehntelang sowohl die Redaktion der Tageszeitung „Dolomiten“ wie auch die Druckerei der „Athesia“ untergebracht.

 

Kanonikus Michael Gamper, Friedl Volgger, Toni Ebner senior und Josef Rampold saßen in diesem Haus. In den sechziger Jahren marschierten in der Museumstraße vor der Athesia die Faschisten zum Protest auf, einige Jahre später Südtirols außerparlamentarische Linke. Mit der Aussiedlung der Druckerei in die Bozner Industriezone wurde auch die Redaktion der Dolomiten dorthin verlegt. Im Gebäudekomplex in der Museumstraße blieben für lange Zeit nur die Stadtredaktion und Teile der Anzeigenabteilung zurück.

 

 

Weihnachtsgeschenk

 

Im Jahr 1992 wechselten zwei der drei Athesia-Immobilien in der Museumstraße dann ihren Besitzer.

Am 31. Juli 1992 tagt der Verwaltungsrat der „Athesia Verlagsanstalt GmbH“. Im Sitzungsprotokoll heißt es: „Es wird somit beschlossen...(...)...die beiden Häuser in der Bozner Museumstraße Nr.44 und 46 an Dr. Michl Ebner mit einem Verkaufspreis von 1,3 Mrd. Lire zu veräußern“.

Als Käuferin der beiden Häuser tritt letztlich die „Midi II OHG“ auf. Hinter der Unternehmensbezeichnung verbergen sich die beiden Namen Michl und Edith. Sie stehen für Michl Ebner und seine damalige Ehefrau Edith Pernter. Die Midi II zahlte laut Kaufvertrag für die Immobilien Museumstraße 46 600 Millionen Lire und für das Haus Museumstraße 44 700 Millionen Lire. Das wären umgerechnet 360.000 Euro.

Der Vertrag wurde genau am 24. Dezember 1992 unterzeichnet. Es war wirklich ein Weihnachtsgeschenk für Michl Ebner. Denn an diesem Tag gingen gleich zwei Immobilien im Bozner Stadtzentrum vom Athesia-Konzern in das Privateigentum von Michl Ebner über.

Schon wenig später wurde eines der zwei Häuser von Ebner weiterverkauft.

 

Die Investitionsbank

 

Anfang der 1950er-Jahre wurden in allen Regionen Italiens öffentliche Banken gegründet, die Kleinbetriebe und Unternehmen unterstützen und finanzieren sollten. 1953 wurde so auch der „Mediocredito Trentino-Alto Adige“ gegründet. Die „Investitionsbank Trentino-Südtirol“, so die deutsche Bezeichnung, wurde 1993 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Bank mit Hauptsitz in Trient gehört mehrheitlich der öffentlichen Hand: Genau 52,466 Prozent an der Bank halten zu gleichen Teilen die Region Trentino-Südtirol und die beiden Länder Trentino und Südtirol. Weitere 36,556 Prozent halten 17 Genossenschaftsbanken. Der weitaus größte Aktionär mit 35,207% ist dabei die Südtiroler „Casse Rurali-Raiffeisen Finanziaria s.p.a.“. Weitere 7,802% an der Investitionsbank hält die Südtiroler Sparkasse, 2,895% die Südtiroler Volksbank, 0,196% die Versicherungsgesellschaft ITAS und 0,085 die Pleitebank „Veneto Banca Spa“.

Unmittelbar nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft beschließt der Verwaltungsrat der Investitionsbank den Ankauf eines Zweitsitzes in Bozen. Fündig wird man dabei in der Museumstraße und bei Michl Ebner.

 

Denn die Midi II OHG verkauft das Haus Nr. 44 in der Museumstraße an die Investitionsbank. Am 28. Februar 1997 wird in Bozen der notarielle Kaufvertrag unter alten Freunden unterzeichnet. Edith Pernter unterzeichnet für den Verkäufer Midi II, Michl Ebner für die „Athesia Buch GmbH“, die noch ein Durchgangsrecht besitzt, und Gerhard Brandstätter als Präsident der Investitionsbank für den Käufer.

Der Wert der Immobilie ist dabei in 26 Monaten explodiert. Denn die Investitionsbank zahlt für das Haus Nr. 44 4,11 Milliarden Lire; umgerechnet 2,12 Millionen Euro.

Michl Ebner hat das Haus zwar nach dem Kauf von der Athesia teilsaniert, der Wertzuwachs kann sich aber dennoch sehen lassen. Fast 700 Prozent.

Über 20 Jahre lang hat die Investitionsbank danach ihren Bozner Sitz in dem Haus in der Museumstraße.

 

Das Bauprojekt

 

Seit vielen Jahren ist in der Gemeinde Bozen ein Großprojekt geplant. Die Bozner Unternehmerfamilie Podini will die Ecke Sparkassenstraße/Museumstraße neu gestalten.

Gleichzeitig wird auch die Familie Ebner als Bauträger tätig. Hinter den Athesia- und Ebner-Häusern in der Museumstraße befindet sich ein wunderbares Kleinod, das ehemalige Atelier des Fotografen Waldmüller. Es ist seit langem das Wohnhaus des Dolomiten-Chefredakteurs Toni Ebner und seiner Familie. Um diese Immobilie herum plant die Athesia AG eine nachhaltige bauliche Umgestaltung.

 

Eigentlich sind es zwei getrennte Bauprojekte; weil man aber eine gemeinsame Tiefgarage und eine gemeinsame Einfahrt in der Sparkassenstraße plant, hat die Gemeinde Bozen einen gemeinsamen Wiedergewinnungsplan genehmigt, der rund 46.886 Kubikmeter umfasst. Darin finden sich aber auch bestehenden Gebäude Dritter, die nicht umgebaut werden. Das Podini-Athesia-Projekt umfasst insgesamt 30.370 Kubikmeter. Gebaut werden vor allem Wohnungen und Büros.

Nachhaltige bauliche Eingriffe sind auch an den Immobilien vorgesehen, die der Athesia bzw. der „Midi II OHG“ gehören. Laut Vorgaben des Amtes für Denkmalschutz müssen nur die Fassaden und die Laubendurchgängen in der Museumstraße erhalten bleiben.

 

Der Rückkauf

 

Für dieses Umbauprojekt braucht Michl Ebner aber wieder das Haus Nr. 44 in der Museumstraße. Und hier schlägt wiederum der Zufall zu.

Der Verwaltungsrat der Investitionsbank beschließt urplötzlich, seinen Sitz in Bozen zu veräußern. Obwohl die Bank durchaus solide dasteht und 2017 einen Gewinn von 3,2 Millionen Euro erwirtschaftet, wovon 1,574 Millionen Euro als Dividenden an die Aktionäre ausgezahlt werden, will man das Haus in der Museumstraße verkaufen.

Zudem ist Michl Ebner ein vorausschauender Geschäftsmann. Denn als die „Midi II OHG“ im Februar 1997 das Haus in der Museumstraße 44 an die Investitionsbank veräußert, lässt er in den Vertrag für einen Teil des Hauses ein Vorkaufsrecht und für die gesamte Immobilie eine Art Rückkaufrecht einfügen. Will die Bank das Haus verkaufen, muss sie zwei Monate zuvor die „Midi II“ benachrichtigen, die dann ein Angebot stellen kann.
Genau das tut Michl Ebner auch. Ein Angebot, das - wie kann es anders sein - natürlich angenommen wird. Am 22. Dezember 2017 unterzeichnen der Vizepräsident der Investitionsbank Michael Grüner und Michl Ebner den Kaufvertrag. Weil man den Rückkauf per Leasing finanziert, sitzt auch die Raiffeisenkasse Ritten mit am Vertragstisch.
Der Rückkaufpreis: 3 Millionen Euro.

Schaut man sich die Preisentwicklung der Immobilie Museumstraße 44 an, so dürfte Michl Ebner zwischen Kauf, Verkauf und Rückkauf in 25 Jahren ein mehr als gutes Geschäft gemacht haben.

 

Der neue Standort

 

Im Geschäftsbericht der Investitionsbank steht bereits 2016 zu lesen: „Für 2017 ist die Auflassung der Immobilie in der Museumstraße 44 in Bozen vorgesehen, in welcher der Zweitsitz der Bank untergebracht ist; gleichzeitig soll dieser an einen neuen Standort in der Stadt verlegt werden.“

Interessant ist aber, wo der neue Standort liegt.

Denn als man kurz vor Weihnachten den Kaufvertrag unterzeichnet, hat die Investitionsbank bereits eine neue Bleibe. Ausgerechnet in jener Institution, der Michl Ebner als Präsident vorsteht: Der Handelskammer Bozen. Die Handelskammer hat der Bank vier Büroräume an ihren Sitz in der Bozner Südtirolerstraße vermietet.

Dass der Präsident die Lösung seiner privaten Geschäfte damit indirekt mit seiner institutionellen Rolle verbindet, scheint niemand in der öffentlichen Institution zu stören.

 

„Diese beiden Dinge haben wirklich nichts miteinander zu tun“, sagt Alfred Aberer, Generalsekretär der Handelskammer. Die Vermietung der Räumlichkeiten an die Investitionsbank sei durch Beschluss des Kammerausschusses erfolgt. Der Mietzins sei der, den die Handelskammer anhand der Parameter des Landes regelmäßig festlegt.

Wann genau der Mietvertrag abgeschlossen wurde, und ob Kammerpräsident Michl Ebner beim Beschluss mitgestimmt hat, ist nicht bekannt. Der entsprechende Beschluss ist bisher von der Handelskammer nicht veröffentlicht worden.

Verständlich. Denn man hat derzeit Wichtigeres zu tun. Ende Mai stehen die Neuwahlen in der Handelskammer an und die Wiederwahl von Michl Ebner als Präsident.

Lästige Nachfragen stören in dieser Phase besonders.

 

 

Stellungnahme

Bezugnehmend auf den am Dienstag, den 8. Mai 2018, in Salto erschienenen Artikel „Michls Monopoly‘“, möchte ich in Bezug auf die Handelskammer Bozen folgendes richtig stellen: 

  • Der Beschluss des Kammerausschusses zur Vermietung von Büroräumen an die Investitionsbank Trentino-Südtirol AG mit der Nr. 100 vom 11.09.2017 wurde vom 26.09.2017 bis zum 04.10.2017 auf der Internetseite der Handelskammer veröffentlicht.

  • Es liegt kein Interessenskonflikt zum Präsidenten der Handelskammer Michl Eber vor, da dieser weder Teilhaber noch Gremiumsmitglied der Investitionsbank Trentino-Südtirol ist.

  • Noch hinzufügen möchte ich, dass die Investitionsbank Trentino-Südtirol im Vergleich zu den anderen Mietern von Räumlichkeiten der Handelskammer die höchste Miete zahlt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Alfred Aberer
Generalsekretär der Handelskammer Bozen

Bild
Profil für Benutzer alfred frei
alfred frei Di., 08.05.2018 - 08:34

Wem beim durchlesen nicht schwindlig wird, der hat einen besonderen Orientierungssinn oder lebt in einer verflüssigten Welt. In Wirklichkeit leben wir in einer schwindelerregenden Gesellschaft in der Demokratie und Rechtstaatlichkeit sowie fundamentale moralische und politische Errungenschaften kaum mehr Gültigkeit beanspruchen. So etwas wie *“Schwindel in einer schwindelerregenden Gesellschaft”. (*Ethnologe Victor Turner)

Di., 08.05.2018 - 08:34 Permalink