Die überraschende Wende kam, als das wochenlange Ringen um eine Regierungsbildung hoffnungslos gescheitert schien - unmittelbar vor der Beauftragung eines neutralen Regierungschefs durch den Staatspräsidenten. Silvio Berlusconi wird eine von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung gebildete Regierung tolerieren, ohne ihr das Vertrauen auszusprechen. Luigi Di Maio und Matteo Salvini verzichten auf das Amt des Regierungschefs. Die Lega möchte Giancarlo Giorgetti durchsetzen, die Bewegung besteht auf einem "premier terzo". Di Maio: "Mi fa piacere che abbia prevalso la responsabilità. E' un momento importante."
Staatspräsident Mattarella will bei der Regierungsbildung ein entscheidendes Wort mitreden: "No ad un governo a scatola chiusa." Offenbar will er vor allem auf die Besetzung des Aussen-, Finanz- und Wirtschaftsressorts Einfluss nehmen, um negativen Reaktionen in der EU vorzubeugen. In Brüssel, aber auch in vielen Regierungen der Gemeinschaft gilt eine Regierung aus den beiden EU-feindlichen Parteien als Schreckgespenst. Auch im Lager von Forza Italia wird die Einigung vor allem unter den engen Vertrauten Berlusconis kritisch beurteilt. Der Ex-Cavaliere: "Non daremo la fiducia, ma non porremo neanche un veto. Se fallirà, nessuno potrà attribuirci la responsabilità. "
Das Rechtsbündnis bleibe in der bisherigen Form bestehen, versichert Salvini: "L'alleanza rimane salva. Ringraziamo il presidente Berlusconi, rimane da lavorare su programma, tempi, squadra e cose da fare. O si chiude veloce, o si vota". Zu denen, die sich besonders für das neuen Regierungsmodell eingesetzt haben, gehört der ligurische Präsident Giovanni Toti. Auch Senator Paolo Romani kann der Entscheidung Positives abgewinnen: "Forse vale la pena che si sperimenti un governo giallo-verde, vediamo cosa può offrire.." Die Marschroute ist vorgegeben: "Valuteremo provvedimento per provvedimento."
Ein Scheitern hätte sich nach Überzeugung beider Lager negativ auf die bestehenden Koalitionen in Regionen und Gemeinden ausgewirkt - etwa in der Lombardei, im Veneto oder in Mailand.
Der Staatspräsident hat beiden Parteien nun weitere 24 Stunden eingeräumt, um sich über die endgültige Ministerliste zu einigen.
Mit dem nach 66-tägigem Tauziehen erzielten Kompromiss können beide Lager leben.
Für die Fünf-Sterne-Bewegung und ihre Anhänger war vor allem die Forderung nach dem Ausscheiden Berlusconis unverzichtbar, der Symbolfigur korruptionsverseuchter und moralisch verwerflicher Politik.
Und aufatmen können auch Hunderte von Neo-Parlamentariern, die bereits fürchten mussten, die Legislatur werde enden, noch bevor sie richtig begonnen hat.
Konflikte werden nicht ausbleiben - vor alle bei umstrittenen Vorhaben wie der Abschaffung des Fornero-Rentengesetzes und des bedingungslosen Grundeinkommens. Auch scheint unvermeidlich, dass sich die vor Selbstbewusstsein strotzenden Parteiführer Di Maio und Salvini in die Quere kommen. Aber ein erster Schritt in eine neue politische Ära ist getan. Wohin sie führt, werden die nächsten Wochen zeigen.