Politik | Interview

Pahls Abrechnung

Franz Pahl über Arno Kompatscher, Philipp Achammer, Thomas Widmann, die Italo Boschi-Partei, die SAD, den Bischof und warum die SVP nicht mehr seine politische Heimat ist
Franz Pahl
Foto: salto
Salto.bz: Herr Pahl, wenn Sie sich die Südtiroler Volkspartei heute anschauen, lachen oder weinen Sie?
 
Franz Pahl: Für mich ist die Südtiroler Volkspartei schon seit langem nicht mehr die Partei, die sie einmal war. Sie hat schon lange davon Abschied genommen, eine echte Sammelpartei zu sein. Vor allem aber ist die SVP in den letzten Jahren die Flughafenpartei und auch eine Italo-Boschi-Partei geworden. Somit sind wesentliche Grundsätze der Südtirol-Politik und der Volkstumspolitik längst aufgegeben worden. Diese Entwicklung hat mit dem Amtsantritt von Landeshauptmann Arno Kompatscher begonnen und ist inzwischen unter seiner Führung zum System geworden.
 
Sie fühlen sich nicht mehr zur SVP zugehörig?
 
Ich bin nach wie vor Mitglied der SVP. Eigentlich aus einem ganz einfachen Grund. Der Ortsausschuss Taisten wird jedes Jahr vorstellig und er legt Wert darauf, dass ich Mitglied bleibe. Diese Mitgliedschaft hat aber nichts mit meiner globalen Bewertung der Südtiroler Volkspartei zu tun.
 

Die wäre?
 
Ich blicke mit größter Sorge auf die Zukunft des Landes, weil wesentliche Grundlagen der Südtirol-Politik nicht mehr existent sind und sogar ins Gegenteil verdreht wurden. Und das ist die Politik von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Kompatscher leistet in anderen Bereichen durchaus sehr gute Arbeit, aber in diesem Bereich versagt er total. Die Volkstumspolitik wurde von ihm gänzlich ausgehöhlt.
Ich blicke mit größter Sorge auf die Zukunft des Landes, weil wesentliche Grundlagen der Südtirol-Politik nicht mehr existent sind und sogar ins Gegenteil verdreht wurden.
Jetzt wird man sagen: Der Pahl hat einen Zorn auf den Landeshauptmann, weil Kompatscher ihm und den anderen Altmandataren dieses Ei mit der Rente gelegt hat?
 
Das ist eine ganze andere Ebene. Dort geht es um eine Rechtsfrage, die die Gerichte klären werden und später der Verfassungsgerichtshof. Die Rentenfrage ist eine Angelegenheit, die von den Rechtsprinzipien her den ganzen Staat interessieren wird. Diese Geschichte spielt aber hier nicht hinein. Sie liegt schon lange zurück und bis zum endgültigen Urteil ist die Sache gegessen. Wenn ich aber an das Land denke und an die Prinzipien der Südtiroler Volkspartei, wenigstens jene, die die Partei vertreten hat solange ich dabei war, dann kann ich nicht still sein.
 
Was fehlt Ihnen?
 
Es geht um die politischen Grundsätze und Prinzipien für die die SVP unter Silvius Magnago, Roland Riz, Siegfried Brugger und unter Landeshauptmann Luis Durnwalder glaubwürdig eingestanden ist. Diese Prinzipien sind nicht mehr da. Somit kann ich nur mit großer Sorge auf die Partei und das Land blicken. Denn es geht letztlich um die Existenz der Südtiroler als Deutsche und Ladiner im fremden Staat Italien.
 

Nicht nur Sie bemängeln die Linkslastigkeit der SVP. Würden Sie so weit gehen, zu sagen, Arno Kompatscher ist ein Knecht des PD?
 
Ich würde nicht sagen, dass er Knecht des PD ist. Denn der politische Wert des Südtiroler PD tendiert von seiner Stärke her gegen Null. Wohl ist Kompatscher aber von seiner Grundeinstellung her nicht volkstumspolitisch ausgerichtet. Vielleicht liegt ihm in der Theorie etwas an diesen Prinzipien. In der Praxis aber nichts. Denn er hat seit Beginn seiner Amtszeit wesentliche personelle Funktionen und Ämter an die Italiener vergeben. Beginnend mit der Einsetzung eines italienischen Generalsekretärs des Landes, der einen besonders guten Draht zum PD hat. Der erste Landeshauptmannstellvertreter ist ein Italiener, was bis heute nie der Fall war. Auch eine Änderung, die ohne Not gemacht wurde. Und so zieht sich diese Entwicklung wie ein roter Faden durch die ganze Politik. Ich kritisiere das nicht unter dem moralischen Gesichtspunkt. Aber volkstumspolitisch ist diese Entwicklung katastrophal.
 
Ihr Urteil: Die Todesstrafe für Landeshauptmann Arno Kompatscher. Und Freispruch für SVP-Obmann Philipp Achammer?
 
Diese zwei Politiker ähneln sich partiell, nicht vollständig. Mein Eindruck ist, dass SVP-Obmann Philipp Achammer volkstumspolitischen Überlegungen nicht gänzlich abgeneigt ist. Als SVP-Landessekretär unter Obmann Richard Theiner hat Achammer das sehr offensiv vertreten. Etwa in der Frage der österreichischen Staatsbürgerschaft.
 
Sie meinen den Doppelpass?
 
Ja. Für mich ist das die Glaubwürdigkeitsprobe. Gerade in dieser Frage macht Landeshauptmann Arno Kompatscher alles, nur keine Zustimmung. Das geht vom leisen Zögern bis zu offener Sabotage. Diese Machenschaften verurteile ich politisch aufs Schärfste. Achammer hat eine etwas größere Offenheit für volkstumspolitische Fragen. Aber von einem kämpferischen Vertreten des Volkstums ist auch da nichts zu sehen.
 
Gerade das Wegbrechen der volkstumspolitischen Flanke könnte bei den anstehenden Landtagswahlen zum größten Problem der SVP werden?
 
Ja, natürlich. Das wird es auch. Ich war der letzte aus der damaligen Generation in der SVP, der offen für diese Werte eingetreten ist. Früher war es so, dass ein Viertel der Parteifunktionäre meines Bezirkes dezidiert volkstumspolitisch waren. Aber offen war alle in der Partei für diese Themen. Deshalb bin ich überzeugt, dass auch Landeshauptmann Kompatscher weiß, dass die SVP in diesem Bereich einen enormen Defizit bei den anstehenden Landtagswahlen hat. Aber er macht eine Politik, die genau ins Gegenteil geht.
Achammer hat eine etwas größere Offenheit für volkstumspolitische Fragen. Aber von einem kämpferischen Vertreten des Volkstums ist auch da nichts zu sehen.
Gibt es überhaupt einen SVP-Kandidaten, der ihrem Tirol-Bewusstsein gerecht wird?
 
Ja. Für mich ist in dieser Frage Thomas Widmann glaubwürdig. Er hat als Mobilitätslandesrat großartige Dinge gemacht und er füllt auch jedes andere Amt würdig aus. Vor allem aber ist er der Einzige der SVP-Kandidaten, der auch volkstumspolitisch glaubwürdig ist.
 
Widmann hat erkannt, dass hier Stimmen zu holen sind. Deshalb hat er die Motocross-Kluft jetzt mit der Schützentracht getauscht?
 
Nein, da tun Sie im Unrecht. Er war politisch immer schon so. Das kommt auch von seinem Vater, der wesentlich am Aufbau der SVP beteiligt war. Thomas Widmann wird in der nächsten Landesregierung sitzen, weil Kompatscher gemerkt hat, dass es nichts nützt, Thomas Widmann hinauszudrängen, wie er es 2013 gemacht hat. Widmann kommt jetzt zurück und er wird eine glaubwürdige volkstumspolitische Politik machen. Wenn es für mich einen Grund gäbe, SVP zu wählen, dann wäre nur er es.
 
Das heißt: Sie werden bei den Landtagswahlen nicht SVP wählen?
 
Diese Entscheidung werden ich treffen wenn ich das fertige Wahlprogramm und die Kandidatenliste in den Händen halte. Aber sollte ich SVP wählen, dann nur wegen Thomas Widmann. Ich empfehle ihn auch seit Monaten überall wo ich gefragt werde. Er ist beständig in seinen Grundüberzeugungen und er hat auch nie bei den Hetzereien gegen die ehemaligen Mandatare mitgemacht. Das war ein beschämendes Verhalten der SVP. Hier sind Kompatscher und Achammer die Hauptschuldigen.
 
Sie fühlen sich bei der deutschen Rechtsopposition wohler?
 

Was heißt hier Rechtsopposition? Es gibt im volkstumspolitischen Lager drei deutsche Partei, die alle drei für mich glaubwürdig sind. Das sind ohne politische Wertung: Die Freiheitlichen, die Südtiroler Freiheit und die Bürgerunion. Der neue Obmann der Freiheitlichen Andreas Leiter Reber macht eine sehr gut Arbeit und er hat den Freiheitlichen wieder Stabilität gegeben. Auch Andreas Pöder macht es ausgezeichnet. Nebenbei wird er mit der neuen Regierung auch in seinem Kampf gegen den Impfzwang Recht bekommen. Und die Südtiroler Freiheit ist immer in dieser Tradition gestanden.
 

Das klingt fast so, als wollen Sie für eine dieser drei Parteien im Oktober kandidieren?
 
(lacht) Nein, ganz sicher nicht. Ich bin 2008 ausgeschieden, wo mich die SVP händeringend ersucht hat, noch einmal anzutreten. Wenn ich gehe, dann bleibt es dabei. Deshalb verschwende ich auch keinen Gedanken an eine Kandidatur. Aber natürlich bin und bleibe ich politisch interessiert.
Die Flughafen- und Italo-Boschi-Partei wird keinen großen Erfolg haben.
Was ist Ihre Prognose für die Landtagswahlen?
 

Die Flughafen- und Italo-Boschi-Partei wird keinen großen Erfolg haben. Denn alle volkstumspolitischen Stimmen werden an die deutschen Oppositionsparteien abgehen, die die SVP als rechts abqualifiziert, weil sie glaubt, sie damit anschwärzen zu können. Dabei ist das eine volkstumspolitische Bewegung, die eine Art Sammelpartei für die Zukunft werden wird.
 
Sie gehen davon aus, dass die SVP verlieren wird?
 
Der derzeitige Stand ist für die SVP nicht gut. Das liegt daran, dass die Führung der SVP die Grundsätze aufgegeben hat und sich die Basis einfach nicht rührt. Denn es gibt keinen höheren Parteifunktionär, der dezidiert für den volkstumspolitischen Bereich eintritt. Dabei hätte die SVP, etwa mit Christoph Perathoner durchaus einen Mann, der dieser Flanke zusammen mit Thomas Widmann abdecken könnte.
 
Christoph Perathoners Problem ist die SAD, wo er Präsident ist?
 
Die SAD ist zum ersten Mal in deutschen Hand. Und es ist schon interessant, dass der Landeshauptmann gerade jetzt gegen die SAD kämpft. Während der SASA gleichzeitig Tür und Tor geöffnet werden, um im Rahmen einer Inhouse-Gesellschaft einen besonderen Schutz zu erhalten. Das ist eine absolut unterschiedliche Bewertung. Ob sich Gatterer und der Landeshauptmann nahestehen oder nicht, ist dabei völlig irrelevant.
Die SAD ist zum ersten Mal in deutschen Hand. Und es ist schon interessant, dass der Landeshauptmann gerade jetzt gegen die SAD kämpft.
Sie haben auch mehrmals offen Bischof Ivo Muser kritisiert. Warum?
 
Weil der Bischof von Bozen-Brixen in die Rolle des Politikers geschlüpft ist. Allerdings von der Kanzel herab. Was ein offener Missbrauch der Kanzel ist, weil auf der Kanzel haben politische Reden - mit Ausnahme von grundsätzlichen Menschenrechten - nichts zu suchen. Auch hier fällt auf, dass sich der Bischof immer dann zu Wort meldet, wenn es um deutsche Anliegen geht. Als die italienische Mehrheit im Bozen gegen den Friedensplatz und für den Siegesplatz stimmte, war vom damaligen Professor Muser nichts zu hören. Jetzt als Bischof schein er eine neue Spielwiese entdeckt zu haben. Wir haben damit fast schon eine Art Gottesstaat. Ich wundere mich, dass innerhalb der SVP keine Kritik dagegen aufkommt. Sowohl die laizistischen wie auch die katholischen Kräfte müssten eigentlich die Trennung von Kirche und Staat verteidigen.
Weil der Bischof von Bozen-Brixen in die Rolle des Politikers geschlüpft ist. Allerdings von der Kanzel herab.
Bereits jetzt spricht man offen von einer zukünftigen Landesregierung SVP-Lega. Für Sie ein gangbarer Weg?
 
Hier muss ich sogar Michl Ebner zustimmen. Es war immer falsch sich einer einzigen Partei in die Arme zu werfen. So wie es unter Karl Zeller geschehen ist. Zeller hat ursprünglich Luis Durnwalder kritisiert, weil dieser angeblich zu wenig Volkstumspolitiker war. Danach war Zeller plötzlich der blinde Verfechter der Unterwerfung unter den PD. Das wurde beim Verfassungsreferendum Renzis mehr als deutlich. Denn dort hat man den letzten Grundsatz der Autonomie über Bord geworfen und sich freiwillig dem römischen Zentralismus unterworfen.
 
Wie schätzen Sie die 5-Sterne-Bewegung ein?
 
Auf Staatsebene kann ich ihrem europakritischen Kurs nicht zustimmen. Ich halte es für ungünstig aus dem Euro auszutreten und die neue Staatsverschuldung noch einmal zu vergrößern. Paul Köllensperger hingegen sehe ich als einen qualifizierten, seriösen, linksliberalen Politiker. Alles was liberal und sozial ist, hat immer meine Sympathie gefunden. Er macht in Südtirol eine sehr gute Politik und ich bin überzeugt, dass seine Arbeit bei den Landtagswahlen prämiert wird.
Danach war Zeller plötzlich der blinde Verfechter der Unterwerfung unter den PD.
Herr Pahl, spätestens nach diesem Interview werden viel sagen: Der Altnazi Pahl spuckt in den Teller aus dem er 30 Jahre lang gegessen hat?
 
Erstens war ich nie Nazis. Nachdem mein Vater wegen einer Kritik an Hitler vor das Kriegsgericht kam und nur von den Richtern, die keine Nazis waren, vor dem sicheren Tod gerettet wurde, ist das nicht meine Welt. Aber ich war immer Teil des volkstumspolitischen Flügels der SVP. Sonst sehe ich mich als liberaler Demokrat, der auf soziale Fragen ausgerichtet ist. Schon aufgrund meiner Herkunft aus einer Arbeiterfamilie. Wenn die SVP jene Grundsätze einhalten würde, die auch heute noch in ihrem Parteiprogramm stehen, dann hätte ich keine Schwierigkeiten, sie auch weiterhin zu unterstützen. So aber ist es für mich eine Frage der politischen Selbstverantwortung, offen Kritik zu üben. So wie ich es immer getan habe, als ich noch politisch tätig war.
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Gunny K Do., 24.05.2018 - 08:23

Pahl sollte sich eher den Parteiobmann zur Brust nehmen. Da Dieser auch für das Schulsystem zuständig ist, kann man mehrere Fehler dort suchen. Aber ein Pusterer wird einem Anderen nichts tun, besonders im Wahlkampjahr.

Do., 24.05.2018 - 08:23 Permalink
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Paul Stubenruss Do., 24.05.2018 - 13:48

Als ich vor 4 Jahren im brixner Krankenhaus war lag eine Broschüre auf wo Ihre Einstellung zur Homosexualität zu lesen war, sie wurde als heilbare Krankheit gesehen. Werter Herr Pahl, sind sind außer der Zeit.!!!

Do., 24.05.2018 - 13:48 Permalink
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DervomBerge Tratzer Do., 24.05.2018 - 19:41

Zum Glück hat Pahl und Konsorten nichts mehr zu melden! "Volkstumspolitsch" wääh!
Und goldene Pensionen kassieren. Das ist wohl volkstumspolitisch. Das Volk soll tun was er will

Do., 24.05.2018 - 19:41 Permalink
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kurt duschek Fr., 25.05.2018 - 14:25

...Herr Pahl sollte sich bei den Freiheitlichen melden. Er wäre die Idealbesetzung als "volkstumspolitischer Sprecher"! Ein tolles Gespann mit Peter Enz, der dort jetzt das " soziale Gewissen" verkörpert.

Fr., 25.05.2018 - 14:25 Permalink
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Karel Hyperion Sa., 26.05.2018 - 17:37

Wer wochenlang vor dem Museion kampiert und den Gandhi mimt nur weil er‘s nicht aushält, dass es andere interessiert, wie ein Künstler sein Verhältnis zur Religion aufarbeitet, sollte sich besser nicht liberal nennen, könnte vielleicht unglaubwürdig rüberkommen. Andererseits: bedenkt man all die autoritär eingestellten Zeitgenossen, die sich plötzlich liberal nennen (ihre ideologischen Väter würden sich im Grab umdrehen) wundert mich nur noch wenig...

Sa., 26.05.2018 - 17:37 Permalink
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Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Mo., 28.05.2018 - 12:13

Mein Gott, das ist doch alles Schnee von gestern. Der Flughafen, die rechten Kameraden, u.s.w. Alles rückwärtsgewandt.
Die jungen Leute von heute lachen sich doch sicher halbtot.

Mo., 28.05.2018 - 12:13 Permalink