Gesellschaft | Nachruf
„Er hatte Stil“
Foto: Privat
Ich habe einen guten Freund verloren. Vor 23 Jahren lernte ich Georg Wunderer kennen. 1999 haben wir dann gemeinsam mit anderen ein Konzept für die Neuordnung des Südtiroler Energiemarkts erarbeitet. Schon damals hat mich seine Zuvorkommenheit, seine Aufrichtigkeit und die hohe Wertschätzung, die er anderen Menschen frei von Eitelkeit entgegenbrachte, beeindruckt.
Im Jahr 2000 zog ich aus beruflichen Gründen nach Verona um. 2005 kontaktierte er mich, um ein Projekt – die 2007 erfolgte Gründung des Raiffeisen Energieverbands, aus dem nach der Fusion mit dem Biomasseverband Südtirol 2012 der Südtiroler Energieverband hervorgegangen ist – weiterzuführen. Er sagte damals zu mir: „Du warst ja federführend und seitdem du weg warst, haben wir zwar einige Punkte umsetzen können, aber nicht das, was wir eigentlich wollten.“ Typisch Georg: Bescheiden im Auftreten, hartnäckig in der Sache.
Typisch Georg: Bescheiden im Auftreten, hartnäckig in der Sache.
Georg Wunderers energiepolitische Position lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Energie gehört – wie das Trinkwasser – zur Grundversorgung für Menschen und Betriebe und muss daher den Menschen dienen und nicht der Kapitalvermehrung. Als Obmann der E-Werk- Prad-Genossenschaft hat er diesen Standpunkt beispielhaft in die Praxis umgesetzt. Die 1.400 Mitglieder sind nicht nur passive und abhängige Konsumenten, sondern auch an der Führung „ihres“ Betriebs aktiv beteiligt.
Diese Haltung erklärt, warum sich Georg Wunderer in Südtirol mit Beharrlichkeit, Besonnenheit und großem Optimismus für eine periphere Energiewirtschaft eingesetzt hat, in der nicht landesfremde Unternehmen oder fremde Landesunternehmen die einzigen Entscheidungsträger sind, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst.
„Energie, lokal organisiert“ oder „Energie von daheim“– diese Slogans waren bei ihm keine leeren Phrasen, sondern entsprachen seiner tiefsten Überzeugung. Deshalb gehörte Georg Wunderer für mich zu den bedeutendsten Genossenschaftlern in unserem Land.
Und: Er hatte Stil. Er ließ einen gewähren, war nicht anmaßend, aufdringlich oder überheblich und sprach nicht schlecht über andere, was in unserem Land ja eher selten vorkommt. Den Raiffeisen Energieverband leitete er fünf Jahre lang als Präsident und hat in dieser Zeit kein einziges Mal in meine Arbeit als Direktor eingegriffen. Ein „Leichtgewicht“ war er natürlich nicht: Seine Ziele verlor er – bei aller Zurückhaltung und Höflichkeit – niemals aus den Augen. Dabei stützte der sich auf ein umfassendes energiewirtschaftliches Fachwissen, das ich immer bewundert habe.
Er sprach nicht schlecht über andere, was in unserem Land ja eher selten vorkommt.
„Wer die Vergangenheit nicht versteht, kann die Zukunft nicht gestalten“, hat Helmut Kohl einmal gesagt und dieser Satz könnte auch von Georg Wunderer stammen. Früher als andere hat er verstanden, welches Potential unsere historisch gewachsenen kleinen und mittleren Betriebe gerade im Zeitalter der erneuerbaren Energien haben.
Ich habe ihn häufig auf Reisen begleitet, wenn er selbst oder „sein“ E-Werk – wieder einmal – in Rom, Brüssel, Nantes, Dünkirchen oder London ausgezeichnet wurden. Dabei hatten wir viele schöne Momente, denn Georg Wunderer konnte lustig sein, gut erzählen und noch viel besser zuhören. Mit ihm konnte man „Pferde stehlen“ – und er war einer der wenigen Menschen, die man anruft, um Freude und Trauer zu teilen. Georg Wunderer ist am 1. Juni 2018 gestorben. Er wurde 69 Jahre alt. Ich habe einen guten Freund verloren. Wir können ihn nicht ersetzen. Wir können uns nur bemühen, in seinem Geist weiterzuarbeiten.
Rudi Rienzner ist Direktor des Südtiroler Energieverbandes (SEV).
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Das Engagement von Georg
Das Engagement von Georg Wunderer wird erhalten bleiben, sichtbar im Vinschgau, spürbar in vielen Teilen des Landes.
Er hatte Stil - und Prinzipien: als mancher Weggefährte den Versuchungen des großen Geldes nicht widerstehen konnte, vergaß er seine Wurzeln nicht und plädierte für seine gemeingesellschaftliche Vision.
Ein großer Südtiroler.
Ohne pietätlos erscheinen zu
Ohne pietätlos erscheinen zu wollen, aber in welchen Teilen des Landes sollte man das erwähnte Engagement spüren? Ich sehe nur alperia, bei jedem Konzert, auf den Fußballplätzen, beim Eishockey und Handball, in der Werbung allgemein, sie haben Ladestationen, Büros, man kreuzt Autos mit ihrer Aufschrift, sie bieten Rundgänge in ihren Kraftwerken an usw.
Schlichtweg in fast jedem
Schlichtweg in fast jedem Winkel des Landes, welcher Energiefragen hatte!
Wer das Land nur "plakativ" wahrnimmt, dem bleibt sein Engagement natürlich verborgen.
Er hat die "Energie" weitergebracht,
Er war großartig einfach,
Friede seiner Seele
Rienzer hat ein großartiges Zeugnis abgelegt.
Würdevoll - bin dankbar dafür!
Danke!
Antwort auf Schlichtweg in fast jedem von gelber enzian
Die gängige Meinung wonach GW
Die gängige Meinung wonach GW ein wunderbarer Mensch war, ist absolut nachvollziehbar. Sein Engagement war sicherlich schätzenswert. Wonach jedoch seine Ideen "Energie weitergebracht" und im "letzten Winkel" dieses Landes spürbar wären, erschließt sich meiner Kenntnis, gerne dürfen die schreibenden Zeugen konkrete Beispiele liefern. Landauf landab sichtbar ist eine Monopolstellung von alperia in sämtlichen energetischen Belangen, letzte Bastionen dürften Betriebe wie jene aus Brixen, Bruneck, Sterzing und Toblach sein, die jedoch nicht dem von GW vertretenen Genossenschaftsprinzip zugerechnet werden können. In verschiedenen "letzten Winkeln" des Landes ist das Genossenschaftsmodell vertreten, einzelne entstammen jedoch aus Zeiten vor dem Wirken von GW. Das von diesen letzten Mohikanern vertretene Volumen bewegt sich im einstelligen Prozentbereich. Auch die von GW vertretene Dezentralisierung in energetischen Fragen darf schlussendlich als nicht vollzogen betrachtet werden, da wie gesagt alperia als Platzhirsch das Sagen hat. Der von ihm ins Leben gerufene Verband hat sich ebenfalls nicht immer mit Ruhm bekleckert, siehe dazu mehrere Salto-Artikel. Hoffentlich wird sein Wirken von der nächsten Generation aufgegriffen.
sorry. Rienzner
sorry.
Rienzner
Ein beeindruckender Nachruf
Ein beeindruckender Nachruf eines wohl großen Menschen. Bewundere die Vinschger um diese Kämpfer für die Sache, hoffentlich auch in den jüngeren Generationen noch.
Dem Georg Wunderer lag das
Dem Georg Wunderer lag das Wohl des Gemeinwesens am Herzen und dazu hat er mit viel Wissen, Erfahrung und Engagement beigetragen. Er strahlte Güte und Bescheidenheit aus , ein wunderbarer Mensch !